Stuttgarter wollen keine Imagediskussion. Gemeinsame Plattform für Kleinwagen Twingo und Smart. Harburger Werk hofft auf Aufträge.

Hamburg. Nach einem gemeinsamen Lächeln für die Fotografen wurde die Stimmung plötzlich ziemlich ernst. Als gestern Daimler-Chef Dieter Zetsche und Renault-Lenker Carlos Ghosn den Kooperationsvertrag unterzeichnet hatten und sich den Fragen der Journalisten stellten, ging es über weite Strecken darum, Kritikern den Wind aus den Segeln zu nehmen: Das ist keine "Hochzeit" zweier Unternehmen, betonte Zetsche. Sein Konzern wolle "ganz sicherlich kein Massenhersteller" werden. Und: "Wir werden Sorge dafür tragen, dass ein Mercedes ein Mercedes bleibt."

So viel dazu, dass Daimler in der Vergangenheit den Traum von der Welt AG teuer bezahlt hatte. Der Zusammenschluss mit Chrysler war mit Qualitätsproblemen bei Mercedes einhergegangen. Experten waren sich einig, dass es sich um einen kapitalen Managementfehler handelte, unter dem das Image der Marke mit dem Stern viele Jahre lang litt. Dieses Mal soll alles besser werden, versprach Zetsche, ließ den deutlich kleineren Ghosn ans Mikrofon und klopfte ihm freundschaftlich auf die Schulter. Wie Stichwortgeber knüpften die beiden Manager aneinander an: "Wie Carlos bereits sagte ...", oder "Dieter und ich sind der Meinung, dass ...", sagten die Duzfreunde mehrfach. Doch die zur Schau gestellte Harmonie kann nicht darüber hinwegtäuschen, dass Daimler unter wirtschaftlichem Druck steht. Denn vor den Annäherungsversuchen bei Renault hatte Zetsche ergebnislos mit BMW über eine Zusammenarbeit verhandelt. Daimler steht finanziell mit dem Rücken an der Wand. Einsparungen von zwei Milliarden Euro in den nächsten fünf Jahren soll die neue Partnerschaft bringen, weckte Zetsche gestern Hoffnung auf eine Wende.

Um nicht mehr hauptsächlich auf teure Limousinen zu setzen, strebt Daimler eine Kooperation mit Renault im Kompaktwagensegment an. Zusammen wollen sie die nächste Generation des Smart Fortwo, einen neuer Viersitzer der Marke Smart sowie den nächsten Renault Twingo entwickeln, sagte Zetsche. Und er räumte ein, dass sein Konzern einen neuen Smart alleine nicht hätte finanzieren können. Die Markteinführungen dieser Modelle sind von 2013 an vorgesehen - auch Varianten mit Elektroantrieb soll es geben. Die Fabrik von Smart im französischen Hambach wird die Zweisitzer produzieren. Die Viersitzer sollen aus dem Renault-Werk in Slowenien kommen.

Zetsche hatte gestern zugleich in einem Brief an die Mitarbeiter betont, dass die Werke beider Autobauer nicht gegeneinander ausgespielt werden sollen. Für den Standort Harburg sieht der dortige Betriebsratschef Norbert Dehmel gleichermaßen Risiken wie Chancen: Neue Kleinwagen von Daimler böten die Chance auf neue Aufträge für das Werk in Harburg, das bisher beispielsweise der einzige Lieferant für Smart-Achsen ist. "Andererseits müssen wir uns jetzt auch mit den Fabriken von Renault messen", sagte Dehmel dem Abendblatt.

Auswirkungen könnte die Allianz in Norddeutschland auch auf das Werk in Berlin haben, hier werden Daimler-Motoren gebaut. Schließlich beabsichtigen die beiden Autobauer, Diesel- und Benzinmotoren gemeinsam zu verwenden. Um die Allianz auf eine solide finanzielle Basis zu stellen, binden sich die Konzerne über eine Überkreuzbeteiligung von jeweils 3,1 Prozent aneinander. Ghosn stellte gestern sogar noch höhere Beteiligungen innerhalb des Bündnisses in Aussicht. Zetsche hatte dies zuvor ausgeschlossen - und dabei vermutlich an das Milliardengrab Chrysler gedacht. Auch Renault hatte 2009 ein Rekorddefizit von 3,1 Milliarden Euro eingefahren.