Eine Milliarde Euro soll jährlich eingesammelt werden. Mittelstand fürchtet, dass dieses Geld für Kredite fehlt.

Hamburg. Reiner Brüggestrat ist erkennbar verärgert. Der Anlass: Nach den Plänen der Bundesregierung sollen alle Banken - auch die Hamburger Volksbank, deren Vorstandssprecher Brüggestrat ist - in einen neuen Krisenfonds einzahlen. "Finger weg von unserem Geld", sagt Brüggestrat, "denn das brauchen wir für Kredite an die mittelständische Wirtschaft." Eine Bankenabgabe in der Form, wie sie sich nun abzeichne, sei zudem nicht ursachengerecht: "Die Volksbanken haben die Finanzkrise schließlich nicht ausgelöst, sie haben sogar stabilisierend gewirkt." Wer neuen Krisen vorbeugen wolle, müsse bei den wirklich risikoreichen Geschäften ansetzen.

Auch die Sparkassen lehnen die Initiative der Regierungskoalition ab. "Die notwendigen Schlussfolgerungen aus der Finanzkrise werden mit einer solchen allgemeinen Bankenabgabe gerade nicht gezogen", heißt es vom Sparkassen- und Giroverband. Das damit eingesammelte Geld solle dazu dienen, Schieflagen "systemrelevanter" Anbieter zu verhindern. Schon aus diesem Grund hält Verbandspräsident Heinrich Haasis den Plan für ungerecht: "Die Abgabepflicht für kleinere Institute würde bedeuten, dass diese die Rettung von Teilen konkurrierender größerer Banken mitfinanzieren müssten, ohne selbst je profitieren zu können."

Morgen will das Bundeskabinett die Eckpunkte der Regelung beschließen. Nach Informationen der Nachrichtenagentur dpa soll die Abgabe jährlich rund 1,18 Milliarden Euro in einen neuen Fonds zur Abwehr künftiger Finanzkrisen spülen.

Privatbanken sollen demnach insgesamt rund 900 Millionen Euro beisteuern, die Landesbanken etwa 200 Millionen Euro. Sparkassen würden mit 44 Millionen Euro und die Volksbanken mit 40 Millionen Euro jährlich belastet. Teile der Kreditwirtschaft sehen die Berechnungen jedoch mit großer Skepsis und befürchten, die auf sie entfallenden Beträge seien in der Realität größer als nach den jetzt durchgesickerten Zahlen.

Nicht nur Sparkassen und Genossenschaftsbanken wehren sich gegen die Einzahlungen in den Risikofonds. "Die Politik muss bei der Diskussion um eine Bankenabgabe die Finanzierung des Mittelstandes im Blick haben", heißt es in einer Erklärung der Arbeitsgemeinschaft Mittelstand, hinter der unter anderem auch der Deutsche Industrie- und Handelskammertag (DIHK), der Zentralverband des Deutschen Handwerks und der Hauptverband des Deutschen Einzelhandels stehen. Die Abgabe könne aber dazu führen, dass Kreditvergabespielräume bei den Geldhäusern zusätzlich eingeengt werden: "Die Gefahr einer Kreditklemme ist keineswegs gebannt." Es könne nicht sein, "dass die Unternehmen letztlich die Bankenabgabe über höhere Kreditzinsen tragen müssen."

Zwar sei es grundsätzlich sinnvoll, eine private Institution zu schaffen, die bei drohenden Schieflagen einspringen könne, meint Martin Faust, Professor für Bankbetriebslehre an der Frankfurt School of Finance and Management. "Aber es werden alle gleichartig in Haftung genommen und das ist aus meiner Sicht nicht sachgerecht." Einer der Gründe dafür: "Die Sparkassen und die Genossenschaftsbanken haben schon längst wirkungsvolle Sicherungseinrichtungen für ihre Solidargemeinschaft." Diese Einrichtungen seien aus gutem Grund darauf ausgelegt, Pleiten abzuwenden und nicht nur - wie bei den privaten Banken - die Einlagen der Kunden zu sichern: "Würde eine Sparkasse zusammenbrechen, dann würde das der Marke Sparkasse insgesamt schaden. Gleiches gilt für die Volksbanken." Bei privaten Banken sei die Interessenlage eine andere: Rutsche eines der Geldhäuser in die Pleite, verschwinde ein Wettbewerber.

Mit der Idee einer Bankenabgabe war US-Präsident Barack Obama vorgeprescht. Er hatte mit Blick auf die immensen Rettungspakete angekündigt, er werde "jeden Cent eintreiben, den die Banken der amerikanischen Bevölkerung schulden". Von Juni an sollen große Geldhäuser mit einer Bilanzsumme von umgerechnet mehr als 35 Milliarden Euro zehn Jahre lang je nach Umfang des Geschäfts zahlen. Angepeilt sind Einnahmen von insgesamt 117 Milliarden Dollar (87 Milliarden Euro). In Europa gibt es bislang nur in Schweden eine Bankenabgabe.