Geoje. Die Zeremonie läuft ab wie ein Staatsempfang. Vor der Taufe der "CPO Savona" waren am Schiff die Nationalhymnen Deutschlands und Südkoreas erklungen. Am Verwaltungsgebäude hängt neben der Flagge der Werft die der Hamburger Reederei Offen. Im Festsaal sitzen Dutzende Gäste an runden, üppig gedeckten Tischen. Vor dem Mittagessen mit Spargelcremesuppe, Hummer auf Tagliatelle und Rinderfilets tritt Won-Kang Ki ans Rednerpult, der Chef der Daewoo-Werft in Okpo auf der südkoreanischen Halbinsel Geoje. Er richtet seine Grußadresse an die Delegation aus Deutschland und liefert gleich ein paar Zahlen in eigener Sache mit: "Im vergangenen Jahr haben wir 59 Schiffe abgeliefert, dieses Jahr sollen es 67 sein", sagt er. "Wir brauchen dringend mehr Platz zum Bauen."

Die vierstündige Taufzeremonie ist von der Werft exakt durchorganisiert, "preußischer als bei den Preußen", sagt Lothar Knöchelmann, Bauleiter der Reederei Offen und regelmäßig auf der Werft zugegen. Für Taufzeremonien unterhält Daewoo ein eigenes Gebäude, eine speziell trainierte Mannschaft. Das lohnt sich, denn im Schnitt liefert die Werft jede Woche ein Schiff ab.

In Deutschland ringt ein großer Teil der Seewerften um die Existenz. Dutzende Aufträge für Frachtschiffe sind im zurückliegenden Jahr weggebrochen, weil es zu viele Schiffe am Weltmarkt gibt und weil Banken und Privatanleger sich aus der Finanzierung von Schiffen zurückgezogen haben. Vor allem Containerschiffe, die im zurückliegenden Jahrzehnt als Symbol schlechthin für die Globalisierung des Welthandels standen, galten plötzlich als hoch riskantes Investment.

In Südkorea sind die Auftragsbücher noch immer prall gefüllt, die Werften haben Bestellungen für Jahre. Das Risiko der Abbestellungen ist hier geringer als etwa in Deutschland, denn die Asiaten nahmen stets deutlich höhere Anzahlungen. Das verschafft den Werften Sicherheit.

Die Werften in Südkorea, Japan und China haben den Rest der Schiffbauwelt in den vergangenen Jahrzehnten in Nischen gedrängt, in den Bau von Spezialschiffen oder von Kreuzfahrtschiffen, wie sie etwa die Papenburger Meyer Werft fertigt. Längst aber setzt sich der Verdrängungswettbewerb in Asien selbst fort. Noch dominieren die südkoreanischen Werften Hyundai, Samsung, Daewoo und Hanjin das Geschäft, kein Land produziert derzeit mehr Schiffe. China aber hat innerhalb weniger Jahre seine Werftkapazitäten dramatisch ausgebaut - erstmals verbuchte das Reich der Mitte 2009 einen höheren Auftragsbestand als Südkorea.

Die Koreaner suchen die Flucht nach vorn. "Sie binden die chinesischen Werften mehr und mehr mit ein. Das bringt den hiesigen Unternehmen auch Kostenvorteile", sagt Offens Bauleiter Knöchelmann. Ganze Rumpfsegmente des weltgrößten Containerschiffs "CPO Savona" seien in China gefertigt und dann zur Endmontage zu Daewoo nach Okpo geschleppt worden - eine in der Region längst übliche Aufgabenteilung. Denn ein südkoreanischer Werftarbeiter verdient mittlerweile ähnlich viel wie ein deutscher, ein chinesischer aber nur einen Bruchteil dessen.

Die deutsche Schiffbauindustrie hegt die Hoffnung, mit verstärkter Spezialisierung in Marktnischen überleben zu können. Doch in fast allen Nischen sind die Koreaner bereits dabei. Auf der Daewoo-Werft liegen alle gängigen Schiffstypen, auch Marineschiffe, bis hin zu hoch komplexen Offshore-Installationen für die Förderung von Öl und Erdgas auf See. "In Deutschland glaubt man an die Überlegenheit von Technologie und Qualität", sagt Knöchelmann. "Von Rückständigkeit kann hier aber keine Rede sein. Die neue Konstruktion von Containerschiffen wie der ,Savona' zum Beispiel, die Trennung von Maschinenhaus und Brücke, die wesentlich mehr Ladekapazität bringt, basiert auf koreanischen Designs."

Der letzte große Hoffnungsträger des deutschen Schiffbaus ist die Papenburger Meyer Werft, einer der drei führenden Hersteller von Kreuzfahrtschiffen. Dieser Schiffstyp gilt nicht in erster Linie wegen des Stahlbaus als hoch komplex, sondern wegen des Zusammenspiels Hunderter Zulieferer bei der individuellen Inneneinrichtung der Vergnügungsdampfer. In diesem Geschäft haben die asiatischen Werften bislang kaum Fuß gefasst.

Glaubt man allerdings dem Daewoo-Manager Dong-Hwan Lee, wird das nicht mehr allzu lange dauern. Bei Erdbeertorte mit Vanilleeis erzählt er am Ende der Taufzeremonie für die "CPO Savona", wie er sich das vorstellt: "Bei Schiffen ist es wie bei Autos. Man fängt mit einfachen Modellen an und macht dann mit immer komplexeren weiter. Wir bauen heute bereits Passagierfähren. Bald werden wir auch Kreuzfahrtschiffe bauen."