Auftrag im Wert von 35 Milliarden Dollar verloren. Konzern rutscht durch Probleme mit Militärjet A400M ins Millionenminus.

Hamburg. Der Jahrhundertauftrag zum Bau von 179 Tankflugzeugen für das US-Militär ist geplatzt. Doch die Schlappe in den USA ist nicht die einzige Enttäuschung, die die Airbus-Mutter EADS verkraften muss. Denn der Luft- und Raumfahrtkonzern erlebt trotz dicker Auftragsbücher eine Durststrecke. 2009 stürzte das Unternehmen mit mehr als 119 000 Mitarbeitern in die Verlustzone. Die Anteilseigner, darunter auch Großaktionär Daimler, erhalten erstmals in der Konzerngeschichte keine Dividende.

Unter dem Strich entstand ein Verlust von 763 Millionen Euro, nach einem Gewinn von 1,6 Milliarden Euro zuvor. Der EADS-Umsatz blieb 2009 mit 42,8 Milliarden Euro fast stabil. Die Nachfrage könnte dennoch auch im Jahr 2011 schwach bleiben, wie EADS-Chef Louis Gallois sagte.

Hauptgrund für den Verlust ist eine erneute Rückstellung von 1,8 Milliarden Euro für den Militärtransporter A400M. Die Kosten für das Flugzeug sind von anfänglich 20 Milliarden Euro für 180 Maschinen auf mehr als 25 Milliarden Euro gestiegen. Auch der Riesenpassagierflieger Airbus A380 kommt nicht aus der Krise. Im vergangenen Jahr legte die EADS für das Flugzeugprogramm 240 Millionen Euro zur Seite. Zudem belastete die bisher noch ineffiziente Produktion des Fliegers das Ergebnis. Nennenswerte Verbesserungen erwartet Finanzvorstand Hans Peter Ring in zwei bis drei Jahren.

Hubschrauberaufträge und Bestellungen bei der Raumfahrttochter Astrium und im Rüstungsgeschäft bremsten den Rückgang ab. Der Flugzeugbauer Airbus soll in diesem Jahr bis zu 500 Flieger ausliefern, darunter 20 Exemplare des A380. Die Produktion der A320-Familie wird auf 36 Maschinen pro Monat hochgefahren - allerdings erst zum Ende des Jahres.

Der US-Rüstungsauftrag für 179 Tankflugzeuge, der nun zu massiven Verstimmungen zwischen Europa und den USA führt, stand nie unter einem guten Stern. Eigentlich hätte sich die EADS schon 2003 ausrechnen können, dass es für einen europäischen Anbieter wohl sinnlos ist, sich um einen 35 Milliarden Dollar schweren Rüstungsauftrag aus den USA zu bemühen. Damals wurde der Bau von 100 Tankflugzeugen dem US-Platzhirsch Boeing zugeschanzt.

Doch dann kam der EADS und dem US-Partner Northrop Grumman eine brisante Enthüllung zu Hilfe. Es wurde publik, dass eine hochrangige Mitarbeiterin der US-Luftwaffe Boeing schon früh mit Details über das Angebot der Airbus-Mutter informiert hatte. Die Amerikaner mussten das Projekt nochmals ausschreiben. Und Northrop und Airbus bekamen im Februar 2008 die Zusage - sogar für 179 Maschinen. Doch Boeing ließ nicht locker und erreichte, dass das Pentagon den Auftrag wieder zurückzog. Mit dem Ergebnis, dass EADS und Northrop jetzt das Handtuch warfen, weil die neue Ausschreibung detailliert auf das Boeing-Angebot zugeschrieben war.

Rechtliche Schritte will das deutsch-amerikanische Gespann nicht einschlagen, wie EADS-Sprecher Alexander Reinhardt dem Abendblatt sagte. Das wäre auch schwierig. "Nach europäischem Vergaberecht könnte ein aus dem Bieterverfahren ausgeschiedenes Unternehmen nicht mehr gegen die Ausschreibungsbedingungen klagen", sagte Hermann Müller, Jurist bei der Hamburger Kanzlei CMS Hasche Sigle, dem Abendblatt. In den USA ist die Rechtslage ähnlich.

Die beiden Partner wollten mit ihrem Rückzug aus dem Bieterverfahren offenbar das Signal setzen, dass sie sich nicht fair behandelt fühlen, sagte der Luftfahrtkoordinator der Bundesregierung, Peter Hintze. "Ich sehe eine winzige Restchance, dass die US-Administration dieses Signal erkennt und sich das Verfahren noch einmal anschaut", ergänzte der CDU-Politiker. Laut Reinhardt will Northrop in Gesprächen mit dem Pentagon versuchen, einen Teil der Kosten erstattet zu bekommen, die die Bewerbung um den Auftrag verursacht hat. Immerhin handelt es sich um einen "signifikanten Millionenbetrag".

In Deutschland kam bei einer Auftragsvergabe für das Militär ein solcher Eklat in "dieser Dimension noch nicht vor", sagte dem Abendblatt Holger Neumann, Sprecher beim Bundesverteidigungsministerium. Im Normalfall werde ein Auftrag ausgeschrieben und vergeben. Das deutsche Militär hat viel US-Technik im Einsatz, unter anderem das Flugabwehrsystem Patriot und den Jagdbomber Phantom. Auch die EADS habe so etwas noch nie erlebt, sagte Reinhardt. Der Konzern hat sich bislang weltweit um fünf Tankflugzeugaufträge beworben. Vier davon, aus Australien, Großbritannien, Saudi-Arabien und den Vereinigten Arabischen Emiraten wurden gewonnen. Der US-Auftrag auch - bis er gekündigt wurde.