Die Vorschläge zur Stützung von Häfen, Reedereien und Werften werden konkret. Es gibt einen Krisengipfel - welche Maßnahmen sinnvoll sind.

Hamburg. Die Bundesregierung will auf Druck der norddeutschen Bundesländer prüfen, wie man den Unternehmen der maritimen Wirtschaft im Notfall helfen kann. Das Thema ist komplex, denn Werften, Reedereien und Häfen leiden an unterschiedlich ausgeprägten Problemen. Der designierte Maritime Koordinator der Bundesregierung, der Parlamentarische Staatssekretär beim Bundeswirtschaftsminister, Hans-Joachim Otto, lädt die Vertreter der norddeutschen Bundesländer und der maritimen Wirtschaft für den 18. März ins Bundeswirtschaftsministerium in Berlin ein. "Ich halte es für wichtig, dass wir auf diesem Treffen die gesamte maritime Wirtschaft betrachten - aber auf die jeweiligen speziellen Probleme der einzelnen Branche eingehen", sagt Otto. Das Abendblatt gibt einen Überblick über die größten Schwierigkeiten, denen die Unternehmen gegenüberstehen, und mögliche Hilfen.

Schiffbau

Die deutschen Werften sind der von der Wirtschaftskrise am stärksten belastete Zweig der maritimen Wirtschaft. Der Schiffbau braucht dringend neue Aufträge. Mit der Krise sind die Bestellungen weitgehend ausgeblieben. Gerade 20 neue Aufträge kamen 2009 herein, zu wenig um die Beschäftigung von noch gut 20 000 Menschen zu sichern. Der Verband für Schiffbau und Meerestechnik (VSM) sieht mehrere Möglichkeiten, wie die deutsche Regierung auch in Zusammenarbeit mit der EU helfen könnte.

- Ein europäisches Flottenerneuerungsprogramm für Fähren und den Küstenverkehr. Ziel: die zum Teil stark veralteten Schiffe gegen sicherere mit einem geringeren Schadstoffausstoß auszutauschen. "Für die Reeder müssen dabei natürlich Anreize geschaffen werden, in Europa zu bestellen und die Aufträge nicht nach Asien zu vergeben", sagte VSM-Hauptgeschäftsführer Werner Lundt dem Abendblatt.

- Entwicklungshilfe, die wie bereits für Indonesien, die Lieferung von Schiffen umfassen könnte. Die betroffenen Länder brauchten dann entweder Zuschüsse oder günstige Kredite.

- Bei Marineaufträgen für den Export fehlt derzeit oft die Möglichkeit, dass Staaten statt bei den Werften direkt bei der deutschen Regierung bestellen können. "Dafür muss ein Standardvertrag entwickelt werden, der bei Interesse sofort vorliegen würde", sagt Lundt. Frankreich verkaufte so immer wieder Fregatten. In Deutschland sei dagegen selbst der Bau der nächsten fünf Korvetten für die Bundesmarine vorerst verschoben worden.

- Die Zinsen für Werften um den Bau von Schiffen zu finanzieren, seien selbst bei der Absicherung von Krediten über den Deutschlandfonds zu hoch, sagt Lundt. Zudem wollten die Banken, die in solchen Fällen nur zehn Prozent des Risikos übernehmen müssten, dennoch oft keine Kredite bereitstellen. "Die Regierung könnte hier einwirken und damit die Chancen der deutschen Werften verbessern."

- Innovationsförderung: Die Zuschüsse von 20 Prozent des Schiffswerts müssen beim Verkauf von mehreren Frachtern bisher komplett zurückgezahlt werden - das ist nur in Deutschland so. Dazu ist die Förderung von Projekten noch immer an einen Verkaufsvertrag gebunden. Damit falle es schwer, zunächst einmal eine Innovation zu erarbeiten. "Hier gibt es Anzeichen, dass sich etwas verändern soll", sagt Lundt. Bestätigt wurde dies bisher aber nicht.

Reedereien

Die Weltwirtschaftskrise hat die Schifffahrt in den vergangenen zwei Jahren schwer getroffen, allerdings auf unterschiedliche Art. Deshalb ist es auch in dieser Teilbranche der maritimen Wirtschaft nicht möglich, ein einheitliches Hilfsmodell zu konstruieren. Die beiden großen deutschen Linienreedereien Hapag-Lloyd und Hamburg Süd gerieten durch die Krise in die roten Zahlen, Hapag-Lloyd sogar in existenzielle Not. Hamburg Süd, das zur Bielefelder Oetker-Gruppe gehört, arbeitet nach Auskunft des früheren Konzernchefs August Oetker mittlerweile wieder profitabel. Deutschlands führende Linienreederei Hapag-Lloyd bekam 2009 im Rahmen des Deutschlandfonds staatliche Kreditbürgschaften in Höhe von 1,2 Milliarden Euro, flankierend zu einem harten Rationalisierungsprogramm und zu einer Kapitalerhöhung der Eigentümer. Diese Bürgschaften mussten nach Information des Miteigentümers TUI bislang aber nicht in Anspruch genommen werden. Die Quartalsverluste bei Hapag-Lloyd sinken mittlerweile deutlich, der Markt erholt sich.

Die sogenannten Charterreeder wiederum planen und finanzieren Schiffe, lassen sie bauen und vermieten sie an die Linienreedereien. Hamburg ist das weltweite Zentrum dieses Geschäfts, mit bekannten Reedereien wie Claus-Peter Offen, Peter Döhle oder E.R. Schifffahrt des Reeders Erck Rickmers. Finanzielle Probleme bekamen die Charterreeder bei der Zwischenfinanzierung großer Schiffsneubauten in Südkorea. Öffentliche Hilfen wurden dafür bislang allerdings nicht bezahlt. Die Reederei Offen organisierte selbst 700 Millionen Euro zusätzliches Eigenkapital, nachdem auf politischer Ebene Verhandlungen über eine Unterstützung des Unternehmens durch die bundeseigene KfW-Bank gescheitert waren.

Ein wichtiges Thema für alle Schifffahrtsunternehmen ist die Zwischenfinanzierung von Frachtern, die derzeit ohne Ladung "aufliegen". Rund 500 Containerschiffe, etwa zehn Prozent des weltweiten Bestands, liegen derzeit fest. "Wir wollen keine Sonderregelung für die Reedereien, sondern nur eine faire Behandlung", sagte Michael Behrendt, der Vorsitzende des Verbandes Deutscher Reeder (VDR), dem Abendblatt.

- Mit sogenannten Betriebsmittelkrediten sollen vor allem kleine und mittelgroße Reeder unterstützt werden, die zuletzt entweder ihre Schiffe gar nicht mehr verchartern konnten oder Raten akzeptieren mussten, die nicht die Kosten decken. Helfen könnten entweder Bürgschaften der Länder für die Hausbanken der Reeder oder die Absicherung von Krediten über die bundeseigene KfW und den Deutschlandfonds.

- Für die von deutschen Reedern bestellten Schiffe setzt Behrendt auf Hilfen, die die Abnahme der Frachter sichern - auch wenn die meisten von ihnen in Südkorea und China bestellt sind. "Bei Stornierungen verfallen oft die Anzahlungen, die Schiffe werden weitergebaut und dann zum halben Preis Konkurrenten in China oder Griechenland angeboten", sagte Behrendt. Die Käufer könnten dann über die gesamte Nutzungsdauer des Schiffes von durchschnittlich 30 Jahren günstiger anbieten als die ehemaligen Besteller der Neubauten.

Häfen

Die deutschen Häfen leiden, ebenso wie die Schifffahrt, am rückläufigen Güteraufkommen. Hamburg verlor 2009 rund ein Drittel des Containerumschlags und etwa ein Fünftel des gesamten Güterverkehrs. Die Bundesregierung sieht die Flaute als Zeitgewinn, um die Infrastruktur zu modernisieren, vor allem die Anbindung der Häfen an das Inland. In der Zeit hoher Wachstumsraten im Güterverkehr wäre das schwieriger gewesen. Die Mittel für den Ausbau von Straßen, Schienen und Wasserwegen stammen zum Teil aus den 2008 und 2009 aufgestellten Konjunkturprogrammen der Bundesregierung zur Stützung der Wirtschaft, überwiegend aber aus den regulären Haushalten des Bundesverkehrsministeriums.

Das für Hamburg wichtigste Projekt ist die weitere Vertiefung der Elbe, damit auch Containerfrachter mit deutlich mehr als 10 000 Containereinheiten (TEU) Ladekapazität den Hafen weiterhin erreichen können. Nach dem bisherigen Plan soll die Elbvertiefung um die Jahreswende herum beginnen, sofern die Arbeiten nach Abschluss des Planfeststellungsverfahrens nicht durch Klagen von Bürgerinitiativen oder Umweltschützern gestoppt werden. "Wir wollen damit dieses Jahr zurande kommen, und damit die Arbeiten beginnen können, muss das Planfeststellungsverfahren gerichtsfest sein", sagte Enak Ferlemann, der Parlamentarische Staatssekretär beim Bundesverkehrsminister, dem Abendblatt. Bedeutend für den Hamburger Hafen sind außerdem die geplante Autobahnverbindung von der A1 zur A7 (Hafenquerspange) und die Zusammenführung der Eisenbahngüterverbindungen aus Bremen und Hamburg südlich von Hamburg (Y-Trasse).