Knauserige Banken treiben Privatpersonen und Firmen auf der Suche nach Darlehen ins Netz. Die Geldgeber wittern hohe Renditen - Risiko inklusive.

Hamburg. Werner Stadler* hatte bei der Bank keine Chance. Der Versicherungsmakler aus Niedersachsen benötigte einen Kredit zum Ausbau seines Geschäfts. Er wollte von einem Kollegen, der in den Ruhestand geht, Versicherungsbestände aufkaufen. Das sind Kunden mit Versicherungsverträgen, und die Assekuranzen zahlen für jede Police Bestandsprovisionen. "Nach zweieinhalb Jahren zahlt sich eine solche Investition aus, wenn nicht alle Kunden kündigen", sagt der 51-Jährige. "Doch für die Banken sind die Gastronomen und die Versicherungsmakler nicht kreditwürdig", urteilt Stadler. Sein Kapital borgte er sich bei der Kreditplattform Smava, die Geldgeber und Kreditnehmer im Internet zusammen-bringt.

Zur sicheren Abwicklung ist eine Bank zwischengeschaltet. "Innerhalb eines Tages waren die 23 000 Euro zusammen. Da war ich überrascht", sagt Stadler. Für seinen Kredit, an dem sich 33 Geldgeber beteiligten, zahlt er einen Effektivzins von 7,8 Prozent. Manche Kreditgeber gaben 500 Euro, andere 2500 Euro. Die Bank für Investments und Wertpapiere (BIW) sorgt für die Abwicklung, sammelt die Raten ein und überweist sie an die Anleger. Solche Erfolgsgeschichten wie von Stadler sind ganz nach dem Geschmack von Alexander Artopé, Geschäftsführer von Smava. "Wir wollen für Selbstständige noch attraktiver werden, indem wir uns klar als Alternative zu den Banken positionieren", sagt er dem Abendblatt. Die Zeiten dafür sind günstig. Denn die Unternehmen empfinden den Zugang zu Krediten laut einer Umfrage des Ifo-Instituts nach wie vor als schwierig. Im vergangenen Jahr verdreifachte Smava das Kreditvolumen auf 15 Millionen Euro.

Die insgesamt ausgereichten Kredite von über 20 Millionen Euro entsprechen einer kleinen Volksbank. Immer mehr Kreditsuchende greifen auf solche Internetportale zurück, um sich Geld für den Hausumbau, die Hochzeit, ein neues Auto oder auch die Ablösung alter Schulden zu leihen. Denn diese Kreditplattformen sind nicht nur für Selbstständige interessant.

Neben Smava gibt es die Plattform Auxmoney, die nach einem ähnlichen Konzept arbeitet. Wer Geld möchte, muss sein Projekt vorstellen und einen Zins festlegen, den er bereit ist zu zahlen. Dabei gilt, je schlechter seine Bonität, desto mehr Zinsen muss er zahlen. Die Identität der Kreditnehmer wird mit dem Postident-Verfahren geprüft. Bei Smava werden Einkommensnachweise oder betriebswirtschaftliche Auswertungen gefordert. Anhand von Bonitätsklassen von A bis H erfahren die Anleger, wie kreditwürdig die Kreditnehmer sind.

Die Einteilung übernimmt die Schufa. "A" ist hervorragend, "H" bedeutet eine Kreditausfallwahrscheinlichkeit von gut 15 Prozent. Auch bei Auxmoney können die Kreditnehmer ihre Bonität mit einer Schufa-Note belegen und noch andere Zertifikate erwerben, die ihre Kreditwürdigkeit belegen. Jedes dieser Zertifikate kostet allerdings 9,95 Euro, unabhängig davon, ob der Kreditnehmer Geld bekommt oder nicht. Dadurch sind die Kosten für Kreditnehmer deutlich höher als bei Smava. "Niemand muss sechs Zertifikate auswählen, da manche auch sehr ähnlich sind", sagt Philip Kamp von Auxmoney.

Neben den beiden Portalen gibt es noch andere Kreditvermittlungen im Internet, die aber keine oder kaum Sicherheitsstandards bieten. Angesichts der niedrigen Zinsen sind die Kreditportale auch bei Anlegern gefragt. Joachim Jordan aus Warmsen in Niedersachsen investiert seit einem Jahr bei Smava. "Ich habe 10 000 Euro in 18 Projekten angelegt", sagt er dem Abendblatt. Als Selbstständiger weiß der 65-Jährige aus eigener Erfahrung, wie schwer es sein kann, einen Kredit zu bekommen. Für sein Geld kassiert er Zinsen zwischen sieben und elf Prozent. Die Zinsen werden komplett dem Anleger gutgeschrieben. Erst in der Steuererklärung muss der Anleger seine Erträge angeben. Jordan verlässt sich bei seinen Kreditentscheidungen auf die Beschreibung des Projekts und sein Bauchgefühl. Dabei kann niemand überprüfen, ob das Geld wirklich für den angegebenen Zweck verwendet wird. "Pro Projekt investiere ich meist nur 500 Euro und bevorzuge die Bonitätsstufen A bis C", sagt er. "Vielfach bieten die Kreditnehmer viel zu hohe Zinsen", meint er. "Man muss sich schon beeilen, wenn man da Geld anlegen will", sagt er. Ein Zeichen dafür, dass es deutlich mehr Geldgeber als Kreditnehmer gibt. "Bei Auxmoney sind 90 Prozent Kreditsuchende", sagt Kamp. Ihre Erfolgsquote liegt bei 40 Prozent. "Dass viele leer ausgehen, liegt vor allem daran, dass sie einen zu niedrigen Zins bieten, der nicht ihrer Bonität entspricht", so Kamp.

Schlechte Erfahrungen hat Jordan bei Smava noch nicht gemacht. "Nur einmal hat sich eine Zahlung verspätet", sagt er. "Dann hat aber der Kreditnehmer alles auf einen Schlag zurückgezahlt." Glück gehabt. Dennoch bleiben Kreditnehmer ihre Zahlungen schuldig. Für diesen Fall bündelt Smava die Kredite einer Bonitätsstufe. Fallen in einem solchen Bündel Kredite aus, stehen dafür alle Kreditgeber dieser Gruppe ein. Dieses System schmälert aber auch die Rendite. Der Zinsertrag ist am Ende geringer als der Zins, den der Kreditnehmer zahlt. Auxmoney überlässt das Ausfallrisiko dem einzelnen Anleger. Eine kollektive Haftung für Ausfälle gibt es nicht. "Jeder Anleger kann ab 50 Euro pro Kreditprojekt das Risiko selbst steuern und muss dafür nicht auf Rendite verzichten", sagt Kamp von Auxmoney. Verbraucherschützer warnen Anleger vor zu großer Begeisterung. "Niemand sollte bei diesen Plattformen allein wegen der Rendite sein ganzes Geld anlegen", warnt Niels Nauhauser von der Verbraucherzentrale Baden-Württemberg. "Jeder sollte wissen, dass er für die höhere Rendite ein deutlich höheres Risiko akzeptieren muss."

(* Name geändert)