Fast jeder Zweite will 2010 verreisen - Die meisten bleiben im Land. Die Zeit des Sparens scheint vorbei. Aber nur jeder fünfte Geringverdiener kann sich eine Reise überhaupt leisten.

Hamburg. Im Tourismus deutet sich eine positive Trendwende an. Nach den Einbrüchen infolge der Wirtschaftskrise kehrt die Reiselust offenbar wieder zurück. 42 Prozent der Deutschen planen in diesem Jahr bereits fest mindestens eine Reise. Jeder neunte Bürger will sogar zwei oder mehrere Urlaube machen. Weitere 35 Prozent haben sich noch nicht endgültig entschieden, ob sie auf Reisen gehen werden - denken aber darüber nach. Dies geht aus einer aktuellen Studie der Hamburger BAT-Stiftung für Zukunftsfragen hervor. 2009 war nur jeder zweite Deutsche mindestens fünf Tage im Urlaub.

"Die Deutschen melden sich 2010 als Reiseweltmeister zurück. Die Talsohle ist durchschritten. Es herrscht Urlaubslust statt Krisenfrust", fasst Ulrich Reinhardt, Geschäftsführer der Stiftung, das Ergebnis der Befragung unter 4000 Bürgern über 14 Jahre zusammen. Die meisten Reisewilligen - 22 Prozent - planen in diesem Jahr einen Urlaub in Deutschland. Im Ausland ist Spanien für 9,2 Prozent der Befragten das beliebteste Reiseziel, gefolgt von der Türkei, Italien, Österreich und Nordafrika.

Allerdings können sich Urlaubsreisen heute keineswegs mehr alle Bürger leisten. In der Gesellschaft zeichnet sich laut Studie eine dramatische Spaltung ab. "Im Tourismus hat sich eine Zwei-Klassen-Gesellschaft der Mobilen und Immobilen herausgebildet", so Reinhardt. Die Kluft ergibt sich vor allem aus den Einkommensunterschieden: Während Besserverdienende - mit einem Haushaltsnettoeinkommen von mehr als 3500 Euro - ganz selbstverständlich mindestens einmal im Jahr verreisen, kann sich nur jeder fünfte Geringverdiener - mit einem Haushaltsnettoeinkommen unter 1000 Euro - überhaupt einen Urlaub leisten.

So ist für 74 Prozent der Besserverdienenden ein Urlaub im Jahr geradezu obligatorisch, 39 Prozent gönnen sich sogar zwei oder mehr Reisen im Jahr. Auch nach Berufsgruppen zeichnet sich ein Unterschied ab: 80 Prozent der Beamten verreisten 2009 mindestens fünf Tage, unter den Arbeitern gaben dies nur 40 Prozent an, führte Reinhardt aus. Auch Hochschulabsolventen seien häufiger unterwegs als Volks- oder Hauptschulabsolventen. "Die einen machen sich mehr Gedanken um Reiseziele als um das Reisebudget, während die anderen immer öfter sparen müssen und ihren Urlaub auf Balkonien verbringen", so Reinhardt.

2009 war für die Tourismusbranche ein Jahr der Berg-und-Tal-Fahrt. Insgesamt brach der weltweite Tourismus durch die Wirtschaftskrise um rund vier Prozent ein. Ähnlich stark - zwischen drei und vier Prozent - sanken nach Schätzung des Deutschen Reiseverbands auch die Umsätze der deutschen Reiseveranstalter, allerdings bei gleich bleibender Gästezahl.

Die Deutschen gaben im vergangenen Jahr im Durchschnitt etwa 1038 Euro pro Person für ihren Urlaub aus - und zwar inklusive Reise- und Hotelkosten sowie Ausgaben für Essen, Ausflüge und Souvenirs. Damit liegen die Kosten laut Reinhardt etwa auf dem Stand von vor fünf Jahren mit damals 1025 Euro. Mit der Reisedistanz steigen jedoch auch die Kosten. Bezahlt man für einen Urlaub in Deutschland im Schnitt 723 Euro, sind es im Ausland - zum Beispiel am Mittelmeer - bereits 1221 Euro. Für eine Reise in die USA werden schon 2315 Euro fällig, nach Asien wie Thailand, China oder Indien sogar 2292 Euro.

Im Jahr 2009 lag die Reisedauer im Durchschnitt bei 13 Tagen. Nur jeder Achte verbrachte drei Wochen und länger in seinem Urlaubsort. Mit großem Abstand blieb Deutschland das beliebteste Reiseziel der Bundesbürger. Die meisten zog es nach Bayern, Mecklenburg-Vorpommern sowie an die Küsten von Schleswig-Holstein und Niedersachsen. Deutlich zulegen konnten Ziele in Baden-Württemberg, am Bodensee und im Schwarzwald. Mehr als jede achte Reise ging wiederum nach Spanien, danach folgten Italien und die Türkei. Die Türkei hat angesichts ihrer Vielfalt aus Kultur, Stränden, einer großen Gastfreundschaft sowie Sonnensicherheit gute Chancen, Italien zu überholen, meint Reinhardt. Fernreisen bleiben dagegen ein Ziel für Minderheiten: Nur 1,5 Prozent der Deutschen zog es 2009 nach Asien, 1,4 Prozent nach Nordamerika.