Marktanteile stagnieren erstmals seit fast 50 Jahren. Vor allem Aldi verliert. Butter soll wieder billiger werden.

Nürnberg/Hamburg. Mit ihrem Preiskampf graben sich die Discounter inzwischen selber das Wasser ab. Nach einer jüngsten Erhebung des Nürnberger Marktforschers GfK erleben Aldi und Lidl derzeit Umsatzrückgänge. Laut GfK-Daten, über die die "WirtschaftsWoche" in ihrer jüngsten Ausgabe berichtet, verharrte im vergangenen Jahr Lidls Anteil am 150 Milliarden Euro schweren Lebensmittelmarkt bei 9,8 Prozent und verzeichnete gerade mal ein Wachstum von 0,1 Prozent. Den Erzrivalen Aldi traf es allerdings noch härter: Sein Marktanteil schrumpfte von 19 auf 18,4 Prozent. Zugleich sank der Umsatz um vier Prozent, der wohl heftigste Einbruch in der Firmengeschichte des Discounterkönigs.

Für diese Entwicklung sieht GfK-Spezialist Wolfgang Twardawa gleich mehrere Gründe. Zum einen drücke der Preisdruck auf die Umsätze. Allein in diesem Jahr lieferten sich die Discounter bereits zwei Preissenkungsrunden. 500 Gramm Kaffee für 2,95 Euro und Halbfettmargarine für 77 Cent - mit Preissenkungen von bis zu 40 Prozent lockte Lidl seine Kunden noch am Wochenende. Auch Penny will die Preise drastisch senken. Der Discounter teilte am Sonntag mit, der Preis für das 250-Gramm-Päckchen Butter sinke von Montag an von 99 Cent auf 80 Cent, auch Kaffee und Schokolade würden billiger. Das Fachblatt "Lebensmittelzeitung" hatte berichtet, dass der Preis für Butter um rund 20 Cent fallen werde, nachdem er im vergangenen Jahr von 65 auf 99 Cent gestiegen war.

Branchenkennern zufolge dürfte Aldi bald nachziehen und zumindest bei Butter und Mineralwasser den Rotstift ansetzen. Schon in den vergangen Monaten sorgte die Preisschlacht dafür, dass die Deutschen für viele Lebensmittel heute wieder Preise wie vor mehr als 35 Jahren zahlen - zur Zeit der ersten Ölkrise.

Angeheizt wird der Wettbewerb aber nun zusätzlich, weil die führenden Billigheimer Aldi und Lidl einen neuen Konkurrenten ausgemacht haben, den sie früh genug in die Schranken weisen wollen, bevor Kunden abwandern: Ihr neuer Lieblingsfeind ist die aus der Fusion von Netto und Plus hervorgegangene neue Discountgruppe unter dem Dach von Edeka. Nach und nach werden die Plus-Läden zu Netto umfirmiert. Auf diese Weise kann die Gruppe unter einem Namen ihre preisaggressive Strategie verfolgen. So ist ein starker dritter Spieler im Discountsegment entstanden, dessen Marktanteil allerdings erstmals seit 50 Jahren nicht mehr gewachsen ist.

Auch das Geschäft mit den Aktionswaren laufe schon lange nicht mehr gut, sagt GfK-Experte Twardawa. Die Deutschen seien mit den Non-Food-Artikeln wie Kochtöpfen und Bohrmaschinen einfach überversorgt. Das zeigten auch die Retouren und Restverkäufe.

Außerdem sei das Wachstum in der Fläche und beim Sortiment völlig ausgereizt. "Jeder Haushalt in Deutschland kann mit dem Auto innerhalb von 10 Minuten einen Discounter erreichen", sagt der Konsumforscher. Höchstens Aldi könnte noch einen kleinen Schub erleben mit seinen neuen Brotbackautomaten, die der Billigheimer im Herbst einführte - zunächst aber nur punktuell. Massive Verschiebungen hat es auch beim Klientel gegeben: Die Discounterstammkunden, die schon immer auf den Preis achteten, müssen aufgrund der Wirtschaftskrise den Gürtel noch enger schnallen und kaufen weniger ein, beobachtet Twardawa. Die gehobene Mittelschicht hingegen, die von den Billigkrämern zuletzt mit gehobenem Angebot wie Serranoschinken und italienischem Rotwein massiv umworben wurde, wandert immer mehr zu den Vollsortimentern von Rewe und Edeka ab. "Dort bekommen sie mittlerweile beides, das Billigsegment und die hochwertigen Markenprodukte." Schon 2009 erlebten die Supermärkte laut der Studie ein kleines Comeback. Erstmals seit Jahren stieg der Marktanteil des Segments laut GfK leicht von 23,6 auf 23,7 Prozent. Auch Drogeriemärkte konnten Marktanteilsgewinne verbuchen (von 8,4 auf 8,6 Prozent), während SB-Warenhäuser deutlich verloren (von 23,5 auf 23,1 Prozent). Insgesamt gaben die Konsumenten - so die Erhebung - im vergangenen Jahr rund 150,1 Milliarden Euro im deutschen Lebensmitteleinzelhandel aus, 1,8 Milliarden Euro weniger als 2008.