In Deutschland sollen 4000 Stellen gestrichen werden. Autoexperte Dietz hält geplante Einschnitte für ökonomisch notwendig.

Hamburg/Brüssel. Vor dem Antwerpener Opel-Werk hängt die belgische Fahne auf Halbmast. Was die 2500 Mitarbeiter seit langem ahnten, ist gestern Gewissheit geworden. Der angeschlagene Autobauer Opel schließt die Fabrik. Lange hatten die Opel-Werker gehofft, dass der Mutterkonzern General Motors (GM) Antwerpen retten und dort einen kleinen Geländewagen bauen wird. Vergeblich: Den Zuschlag bekam Südkorea.

Kampflos aufgeben wollen die Männer und Frauen aus dem Werk Antwerpen aber nicht. Die Fabrik werde blockiert, kein neuer Wagen rolle mehr heraus, kündigten Gewerkschafter an. Auch die deutschen Arbeitnehmervertreter kündigten Widerstand an. So wollen sie Druck machen für die Gespräche mit den Arbeitgebern über Alternativen zur Schließung, die gesetzlich vorgeschrieben sind und über einen Sozialplan.

Das Abendblatt beantwortet wichtige Fragen zu den Konsequenzen aus der geplanten Fabrikschließung.

Ist die Entscheidung gegen Antwerpen richtig?

Die geplanten Einschnitte bei Opel sind nach Ansicht des Autoexperten Willi Diez erforderlich, um das Überleben der Firma zu sichern. "Der Kapazitätsschnitt ist dringend notwendig", sagte der Leiter des Instituts für Automobilwirtschaft (IFA) an der Hochschule Nürtingen-Geislingen dem Abendblatt. Der Absatz werde in diesem Jahr nach Auslaufen der Abwrackprämien zurückgehen und das Problem der Überkapazitäten verschärfen. "Opel hat Überkapazitäten von rund 200 000 Fahrzeugen im Jahr, die den Hersteller belasten", sagte Diez. Im vergangenen Jahr hatte GM in Antwerpen 89 000 Autos produziert. 2000 waren es noch 329 000 Fahrzeuge gewesen. Rein betriebswirtschaftlich betrachtet sei es günstiger, ein Werk komplett zu schließen, als alle oder einige Fabriken schlechter auszulasten, so Diez.

Autoexperte Ferdinand Dudenhöffer von der Uni Duisburg-Essen kritisierte indes, Opel sei mit dem Aus für Antwerpen "dabei, sein öffentliches Vertrauen zu verspielen". "Die Betroffenen werden mit den Entscheidungen konfrontiert. Basta." Dies sorge weder bei der Belegschaft noch in der Politik für Verständnis.

Was kommt auf die Opelaner in Deutschland zu?

Gewissheit haben die Mitarbeiter noch nicht. Im Zuge der Sanierung von Opel hatte GM bisher angekündigt und gestern bestätigt, in Europa 8300 von 50 000 Stellen abbauen zu wollen. Alleine 4000 davon sollen in den vier deutschen Werken in Rüsselsheim, Bochum, Kaiserslautern und Eisenach wegfallen. Der Konzern will seinen Sanierungsplan aber erst in den kommenden Wochen vorstellen. Auch die Hoffnung, dass der in Antwerpen gefertigte Astra nun den deutschen Astra-Standort Bochum stärken könne, äußern die Beschäftigten bisher nicht. Der dortige Betriebsratschef Rainer Einenkel sagte gestern, er wolle mit den belgischen Kollegen für deren Arbeitsplätze kämpfen. Mögliche Produktionsverlagerungen würden höchstens einige Monate dauern. Ab Herbst werde das Nachfolgemodell des Astra aufgelegt - und zwar in England.

Was plant der Betriebsrat?

Der Betriebsrat verurteilte die Werksschließung als "wirtschaftlich unsinnige Absicht". Gemeinsame Studien des Opel-Managements und der Arbeitnehmervertreter hätten ergeben, "dass es wirtschaftlich sinnvoller ist, Antwerpen offen zu halten", erklärten die Arbeitnehmervertreter. Auch habe die flämische Regierung 500 Millionen Euro Unterstützung angeboten. Der US-Autokonzern GM habe diese jedoch abgelehnt. Deshalb werde die Belegschaft "keinen Cent" Arbeitnehmerbeiträge für die Schließung des Standortes leisten.

Auch warf der Betriebsrat dem Unternehmen Vertragsbruch vor. Mit der Belegschaft sei für Antwerpen die Produktion eines neuen kleinen Geländewagens vereinbart worden, der jetzt in Südkorea gebaut werden soll, erklärten die Arbeitnehmervertreter. Dafür habe die Belegschaft seit 2007 auf 26 Millionen Euro verzichtet.

Was bedeutet die Schließung für die geplanten Staatshilfen?

Immerhin rund 2,7 Milliarden Euro will GM in ganz Europa einsammeln. Doch noch immer hat GM nach der Kehrtwende im Magna-Poker den aktualisierten Überlebensplan für sein Europageschäft nicht vorgelegt: Die Bundesregierung hat gestern Darstellungen von Opel-Chef Nick Reilly widersprochen, nach denen sie derzeit ein Konzept des Autobauers im Hinblick auf Staatshilfen prüfe. "Ein Konzept liegt uns bisher nicht vor", sagte dazu eine Sprecherin des Ministeriums gestern auf Anfrage.

Erst auf Basis eines detaillierten Konzepts für Deutschland lasse sich auch die Frage einer möglichen Bürgschaft durch Bund und Länder beantworten, erklärte Hessens Ministerpräsident Roland Koch (CDU).

Auch Unionsfraktionsvize und Wirtschaftsexperte Michael Fuchs (CDU) äußerte sich dazu in der "B.Z." kritisch mit den Worten: "Natürlich geht der Arbeitsplatzabbau nur mit einem angemessenen Sozialplan. Aber es ist nicht möglich, im Gegenzug Staatsgelder zu fordern, denn das EU-Recht verbietet Beihilfen für Arbeitsplätze nur in einem bestimmten Land, weil das andere Länder diskriminieren würde." Zudem gebe es keine Garantie, dass GM neue Gelder ausschließlich für die Tochter Opel einsetze. "Und dann könnten auch alle Opel-Konkurrenten in Deutschland mit gleichem Recht Staatsgelder beantragen."