Unternehmen brauchen dringend Unterstützung von Bund und Ländern. Lage der Branche schlechter als erwartet. Charterraten sind um bis zu 80 Prozent abgestürzt.

Hamburg. Michael Behrendt, der Vorsitzende des Verbandes Deutscher Reeder (VDR), wand sich mehr als eine Stunde lang um konkrete Antworten herum. Die deutsche Schifffahrtsbranche sucht Zugang zu staatlichen Hilfsprogrammen, um die Folgen der Weltwirtschaftskrise zu überstehen. Doch obwohl die Diskussion darüber bereits seit Monaten geführt wird - unter anderem bei Hamburgs Wirtschaftssenator Axel Gedaschko -, ist noch immer nicht klar, wie solche Hilfen aussehen und wer sie in Anspruch nehmen könnte. "Wir arbeiten daran, unsere Bedürfnisse zu konkretisieren", sagte Behrendt am Freitag bei der Präsentation des VDR-Jahresberichts. "Wir können nur um Hilfe für die gesamte Branche werben, im Rahmen dessen, was gesetzlich möglich ist. Wir können nicht für einzelne Unternehmen werben."

Bekannt ist bislang, dass die größte deutsche Linienreederei Hapag-Lloyd - deren Chef Behrendt ist - Kreditbürgschaften des Bundes und des Landes Hamburg in Höhe von 1,2 Milliarden Euro erhalten hat. In der Branche hieß es vor Wochen zudem, dass die beiden großen Hamburger Charterreedereien Peter Döhle und Claus-Peter Offen Kredite der staatlichen KfW-Bank im Rahmen des Deutschlandfonds beantragt, diese aber nicht erhalten hätten. Beide Unternehmen schweigen dazu. "Ich weiß nicht, welches unserer Mitgliedsunternehmen Kredithilfen beantragt hat", sagte Behrendt. "Ich darf es aus rechtlichen Gründen auch gar nicht wissen."

Indirekt allerdings machten Behrendt und der VDR-Hauptgeschäftsführer Hans-Heinrich Nöll am Freitag deutlich, warum Gespräche zwischen dem Verband, der Bundesregierung und beteiligten Banken schwierig sind. Zahlreiche Schiffe deutscher Reeder laufen nach wie vor unter ausländischer Flagge, besetzt sind sie zumeist mit asiatischen Mannschaften, gebaut wurden vor allem die großen Frachter in der Regel in Südkorea, Japan oder China. Das weckt nicht unbedingt politische Sympathien für Hilfen aus dem Deutschlandfonds. "Es geht sehr stark um politische Ermessensentscheidungen", sagte Nöll. "Es ist nicht sachgerecht, auf die Flagge abzustellen oder darauf, wo Schiffe gebaut wurden." Behrendt ergänzte: "Wir wollen keinen Sonderstatus. Es geht um Überbrückungen von zwei, drei Jahren." Staatliche Instrumente wie die KfW-Programme müssten auch den Erfordernissen der Schifffahrt angepasst werden.

Nach Behrendts Worten ist seine Branche vor dem Hintergrund der Krise "teilweise in existenzielle Schwierigkeiten geraten. Das Jahr 2009 ist noch schlechter verlaufen, als wir uns das vor einem Jahr vorgestellt haben." Auch Hapag-Lloyd steckt derzeit tief in den roten Zahlen.

Das Volumen des Welthandels, entscheidend für die wirtschaftliche Lage der Schifffahrt, ist laut Behrendt 2009 gegenüber dem Vorjahr um zwölf Prozent gesunken. Die Folge waren Rückgänge von durchschnittlich 50 Prozent bei den Frachtraten - den Transportpreisen für die Container - und von bis zu 80 Prozent bei den Charterraten, den Preisen, zu denen Frachter oder Tanker gemietet werden können. Allein 566 Containerschiffe liegen derzeit ohne Ladung als sogenannte Auflieger fest, elf Prozent der Transportkapazität auf den Seeschiffen. Das Volumen von 40 Prozent der gesamten fahrenden Flotte im Containerdienst allerdings steht noch in den Orderbüchern der Werften und drängt nach und nach auf den Markt.

Reedereien, Schiffsfinanzierer und Werften vor allem in Asien ringen darum, wie diese Überkapazität vermieden werden können und wer den wirtschaftlichen Schaden trägt. Die Verschiebung von Schiffsablieferungen ist ein Mittel dazu. Beharren die Werften auf den Terminen, sitzen die Reedereien auf unbeschäftigten Schiffen. Hohe Anzahlungen auf die Bauaufträge bekommen sie von asiatischen Werften in der Regel nicht zurück. Allerdings könnten die Werften - wenn sie nicht flexibel sind - einen Teil ihrer eigenen Kundschaft ruinieren. "Die asiatischen Werften sträuben sich dagegen, über Stornierungen oder spätere Ablieferungen zu verhandeln", sagte Behrendt. Aber was haben sie davon, wenn 2012 alle Schiffe abgeliefert sind und keine Anschlussaufträge vorliegen? Sie werden auf ein Desaster zusteuern. Für eine langfristig gute Partnerschaft brauchen wir mehr Entgegenkommen."

Die deutschen Reeder haben derzeit einen Auftragsbestand von 1117 Schiffen, davon 348 Containerschiffe.