Der Hamburger Versandhändler und der Friedensnobelpreisträger Yunus setzen mit einem Werk in Bangladesch ein Zeichen gegen die Armut.

Hamburg. Die Hamburger Otto-Gruppe will zusammen mit dem Friedensnobelpreisträger Muhammad Yunus eine "Fabrik der Zukunft" für Textilien in Bangladeschs Hauptstadt Dhaka aufbauen. Geplant ist ein sogenanntes "soziales Unternehmen", das zwar gewinnorientiert arbeitet, dessen Gewinne aber ausschließlich für die Verbesserung der Lebensumstände seiner Angestellten, ihrer Familien und weiterer Menschen aus dem Umfeld der Fabrik verwendet werden.

"Wir streben keine Kapitalrendite an, sondern eine Sozialrendite", erklärte Michael Otto, der Aufsichtsratsvorsitzende der Otto-Gruppe, gestern in Hamburg. Entstanden sei die Idee bei einem Treffen mit Yunus im Februar. Muhammad Yunus ist der Gründer der gemeinnützigen Grameen Bank, die Kleinstkredite an Arme vergibt und ihnen dadurch ermöglicht, mit selbstständiger Arbeit ihre Familien ernähren zu können.

Zwar bezieht Otto schon heute Textilien aus Bangladesch, die neue Fabrik wird aber die erste eigene Produktionsstätte des Konzerns weltweit sein. Von 2011 an sollen 500 bis 700 Beschäftigte - fast ausschließlich Frauen - zunächst T-Shirts und Sweatshirts, später auch Hemden und Blusen nähen. Der Monatsverdienst einer Näherin in Bangladesch liegt nach Angaben des Unternehmens in der Größenordnung von 50 Euro monatlich. Otto gewährt für den Aufbau eines nach ökologischen Kriterien optimierten Werks ein zinsloses Darlehen von maximal zwei Millionen Euro, das über einen Zeitraum von zehn bis 15 Jahren zurückgezahlt werden soll.

Neben einem "angemessenen" Lohn sollen die Beschäftigten ein gesundes Mittagessen erhalten, außerdem werde für Aus- und Weiterbildung der Mitarbeiter und ihrer Kinder gesorgt, sagte Otto. Aus den Gewinnen des Gemeinschaftsunternehmens mit Grameen würden darüber hinaus Bildungsprojekte für umliegende Gemeinden finanziert.

Nach einer Anfangsphase will der Otto-Konzern nur noch 40 bis 50 Prozent der Produktion selbst abnehmen, den Rest will man an Einzelhändler in Europa und Amerika verkaufen - als Beweis dafür, dass sich eine Firma dieser Art am Markt behaupten kann.

Michael Otto sagt, er sei von Yundus' Konzept des "sozialen Unternehmens" sofort begeistert gewesen, "weil dies genau zu unserer Nachhaltigkeitsstrategie passte". Langfristig könnten Firmen nur dann erfolgreich sein, wenn sie dazu beitrügen, dass sich die Kluft zwischen Arm und Reich nicht noch verbreitert, sondern sich im Gegenteil verringert, sagte Otto. "Denn dies ist die Voraussetzung für Frieden, der wiederum die Basis für wirtschaftliche Tätigkeit bildet."

Yunus sagte, es habe ihn sehr gefreut, "dass unsere Idee einer ernsthaften Unternehmerpersönlichkeit wie Michael Otto sinnvoll erscheint." Yunus zeigte sich gestern in Hamburg zuversichtlich, dass die geplante Fabrik als Beispiel für viele weitere ähnliche Unternehmen dient: "Sie wird ein Zeichen setzen gegen die Armut in der Welt."

Die von Yunus gegründete Grameen-Gruppe ist mit 25 000 Beschäftigten inzwischen die größte Firma in Bangladesch. Sie hat seit 1983 nicht nur Kleinkredite an insgesamt rund acht Millionen Menschen vergeben, sondern betreibt unter anderem ein Mobiltelefonnetz.

Ähnliche Gemeinschaftsunternehmen wie nun mit Otto hat Grameen schon mit dem Chemiekonzern BASF und dem französischen Nahrungsmittelriesen Danone ins Leben gerufen.