Die tägliche Flut von E-Mails ist für Chefs oft nicht nur ein Zeitproblem. Jetzt drohen auch Geldbußen oder gar Strafverfahren.

Hamburg. In dem norddeutschen Maschinenbauunternehmen hatte niemand damit gerechnet: Eines Morgens tauchten zwei Dutzend Beamte der Staatsanwaltschaft auf und durchsuchten das Unternehmen, beschlagnahmten Unterlagen, kopierten Festplatten und begannen mit Befragungen. Der Grund: Verdacht auf Korruption, die schließlich auch aufgedeckt wurde. Bei der Aufklärung spielen E-Mails eine wichtige Rolle - und vor allem die Kopien, die unter dem Kürzel CC verschickt werden. CC steht für Carbon Copy, was so viel heißt wie Durchschlag mit Kohlepapier - eine Erinnerung an längst vergangene Bürozeiten.

"Führungskräfte bekommen 200 bis 300 Mails täglich. Die können sie nicht alle lesen", sagt Strafverteidiger Oliver Sahan von Roxin Rechtsanwälte in Hamburg. Die Kanzlei berät Unternehmen bei der Aufklärung von Korruptionsfällen. "Doch wenn später Straftaten wie Korruption, oder Steuerhinterziehung aufgedeckt werden, haben vor allem Geschäftsführer und Führungskräfte ein Problem, wenn sie durch CC-Mails davon Kenntnis gehabt haben können", sagt Sahan. "Den Geschäftsführer treffen in diesem Bereich besonders hohe Strafbarkeitsrisiken, denn es reicht die Kenntnis von strafbaren Handlungen aus", sagt Thomas Krüger, Rechtsanwalt bei Schomerus & Partner in Hamburg.

"Die Auswertung des E-Mail-Verkehrs gehört zum Standard", sagt der Sprecher der Staatsanwaltschaft Hamburg. Mal erkundigt sich ein Mitarbeiter, ob eine Kundengutschrift schon angewiesen wurde, mal geht es um Formen der Kundengewinnung. Bei vielen solchen Mails, die auch getarnte Korruptionsvorgänge beschreiben können, setzen die Mitarbeiter den Chef in das CC-Feld, um sich abzusichern. Er erhält dann eine Kopie der Mail.

Für die Firmen wächst die Gefahr plötzlicher Durchsuchungen. "Denn bei steuerlichen Überprüfungen in Unternehmen sind die Betriebsprüfer dazu verpflichtet, Anhaltspunkte für Korruption ohne eigene inhaltliche Prüfung an die Staatsanwaltschaft weiterzuleiten", sagt Sahan. Das bestätigt auch der Sprecher der Hamburger Finanzbehörde: "Die Hamburger Betriebsprüfer sind durch Fortbildungen in dieser Thematik geschult", sagt Behördensprecher Daniel Stricker. "Es findet eine enge Zusammenarbeit mit dem Dezernat Interne Ermittlungen des LKA statt." Seit Oktober 2007 wurden insgesamt 25 Korruptionsfälle über die Steuerfahndung an die Staatsanwaltschaft abgegeben.

Stehen deshalb bald massenhaft Geschäftsführer und Vorstandsvorsitzende vor Gericht, weil CC-Mails als Beweis gegen sie verwendet werden können? Das ist unter Experten noch umstritten. "Nur das Reagieren auf eine solche Mail, etwa in Form einer Lesebestätigung, kann als bewusste Kenntnisnahme bei späteren Auseinandersetzungen gewertet werden", sagt Manfred Martens von der Hamburger Kanzlei Martens & Vogler. "Für eine Verurteilung muss dem Geschäftsführer nachgewiesen werden, dass er von dem betreffenden Vorgang Kenntnis hatte", sagt Krüger.

Doch völlig gebannt sieht er die Gefahr für Führungskräfte nicht. "Nach dem Prinzip der Sorgfalt eines ordentlichen Kaufmanns kann man davon ausgehen, dass Geschäftsführer regelmäßig ihre E-Mails lesen", sagt Krüger. "Viele Rechtsprobleme, die sich aus E-Mails ergeben können, sind noch in einem Graubereich, zu der es keine einheitliche Rechtsprechung gibt", sagt Krüger. "Selbst wenn die Beweise für eine strafrechtliche Verantwortung nicht ausreichen, drohen hohe Geldstrafen nach dem Ordnungswidrigkeitengesetz", sagt Sahan. Dabei sind die Beweishürden nicht so hoch wie im Strafrecht. "Angesichts des hohen Aufdeckungsrisikos gibt es keine Alternative zu einer aktiven unternehmensinternen Aufklärung etwaiger Korruptionsstrukturen ohne externen Ermittlungsdruck", rät Sahan.

Der Geschäftsführer des Maschinenbauers wurde mit einer sechsstelligen Geldbuße belegt. Dabei hatte er die Korruption nicht direkt zu verantworten. Aber auch er hatte offensichtlich einige Mails nicht aufmerksam genug zur Kenntnis genommen, die ihm später zum Verhängnis wurden.