Konzernpatriarch Klaus-Michael Kühne ist gebürtiger Hamburger. Er fordert von Stadt und Wirtschaft mehr Engagement für den Hafen.

Hamburg. Unten in der riesigen Lagerhalle wabert ein Schleier Kunstnebel von der Generalprobe der Einweihungsfeier Stunden zuvor. Gabelstapler bewegen Paletten von und zu den Lastwagen draußen an den Laderampen. Oben in einem der Konferenzräume erläutert Klaus-Michael Kühne, warum er es wieder getan hat. Warum er wieder auf Hamburg setzt, auch in der Krise.

"Hamburg ist in den vergangenen Jahren zum absoluten Investitionsschwerpunkt der Kühne+ Nagel-Gruppe geworden", sagte Kühne gestern Morgen. "Als gebürtigem Hamburger, dessen Herz unverändert für diese Stadt schlägt, erfüllt mich das mit Freude und Stolz." Gut 55 Millionen Euro hat das neue Logistikzentrum gekostet, das der Konzern in 13 Monaten Bauzeit auf eine frühere Spülfläche für Hafenschlick in Obergeorgswerder gesetzt hat, direkt am Autobahnkreuz Hamburg-Süd.

Es ist Kühnes dritte Großinvestition in Hamburg seit 2004, wie der Mehrheitseigner des Unternehmens sagt, nach dem Logistikzentrum am Containerterminal Altenwerder und der neuen Deutschland-Zentrale in der HafenCity. Genau genommen ist es Kühnes viertes Hamburger Engagement in den vergangenen Jahren. Aber das vierte und teuerste erwähnt er gestern nicht explizit, seine Beteiligung an der Reederei Hapag-Lloyd für mehr als 400 Millionen Euro. Denn dieses Abenteuer ist ein rein privates.

"Unter Volllast fahren"

Kühne ist wieder da, diesmal nicht als Retter der deutschen Seeschifffahrt, sondern zur Abwechslung wieder in seiner Rolle als Patriarch von Kühne + Nagel, des weltumspannenden Logistikdienstleisters mit 55 000 Mitarbeitern in 100 Ländern, eines Unternehmens mit fast 22 Milliarden Schweizer Franken Umsatz im Jahr 2008 (14,56 Milliarden Euro zum aktuellen Kurs).

Als Kühne + Nagel das neue Logistikzentrum im Süden der Stadt 2007 plante, war die bevorstehende Weltwirtschaftskrise noch nicht zu erkennen, der Hafen und die Transportwirtschaft boomten. Die Rezession des Welthandels traf Hamburg voll, der Hafen verliert in diesem Jahr in seinem besonders wichtigen Containergeschäft rund 25 Prozent der Umschlagbewegungen gegenüber 2008. Kühne + Nagel aber gibt sich überzeugt, dass die Investition in Obergeorgswerder richtig war. Das neue Logistikzentrum mit 44 000 Quadratmeter Fläche soll dem Konzern vor allem als Knotenpunkt für den Ausbau der europäischen Landverkehre dienen. "Wir gehen davon aus, dass wir hier unter Volllast fahren werden", sagt Kühnes Topmanager Karl Gernandt.

Das allerdings hängt nicht allein vom Unternehmen ab, sondern in Hamburg besonders von der Entwicklung des Hafens. Kühne + Nagel ist der größte Seefrachtdienstleister der Welt. Vor der offiziellen Einweihung seiner neuen Anlage nutzt Kühne die Gelegenheit, Nachhilfe zu erteilen. "Ich fürchte, die Krise wird Hamburg einen Dauerschaden bescheren. Politik und Hafenwirtschaft müssen umsteuern und mit mehr Wettbewerb dafür sorgen, dass der Aderlass gestoppt wird und neue Schiffsverbindungen in die Stadt kommen."

Erwartete Standpauke

Wenn Unternehmer der Politik und der Wirtschaft öffentlich Ratschläge erteilen, hat das meist einen Beigeschmack. Von Kühne aber erwartet man Standpauken inzwischen geradezu. Seinen Konzern hat er als Chef des Aufsichtsrats gemeinsam mit seinem Management fast ungeschoren durch die Wirtschaftskrise gesteuert. In den ersten neun Monaten dieses Jahres sank der Gewinn von Kühne + Nagel in überschaubarer Größe - während etliche Unternehmen in nahezu allen Branchen um ihre Existenz ringen.

Als Unternehmer und Investor mit Sitz in der Schweiz geht er Risiken ein, die mit Blick auf Hamburg immer auch Lokalpatriotismus demonstrieren sollen. Das kostet ihn nun viel Geld. Seine Beteiligung von 15 Prozent an Hapag-Lloyd beschert Kühne schwere Verluste. Nur mit staatlichen Bürgschaften überlebt die Reederei bislang die Krise - und dank der Kapitalerhöhung der Eigentümer im Sommer.

So gibt Kühne ganz selbstverständlich den Elder Statesman der Hamburger Wirtschaft, nicht zuletzt auch in eigener Sache. "Die HHLA und Eurogate müssen von ihrem hohen Ross und ihren hohen Preisen beim Containerumschlag herunter", sagt er. "Und die führenden Reedereien brauchen eigene Terminalbeteiligungen in Hamburg. Es ist doch besser zu teilen, als Verkehre an Rotterdam zu verlieren."

Gerade hat er sich warm geredet, da muss er auch schon weiter. Bürgermeister Ole von Beust trifft zur Eröffnung des Terminals ein. Kühne bricht auf. Für gute Geschäfte. Und für Hamburg.