Auszeichnung für Ökonomie für zwei kritische Forscher aus den USA. Wissenschaftler untersuchen nachhaltige Kooperationen in der Gesellschaft abseits der Märkte.

Stockholm/Hamburg. Zu den Favoriten zählten sie nicht, auch nicht bei den Buchmachern britischer Wettbüros. Doch ausgezeichnet werden zwei unbestrittene Hochkaräter: Die US-Politikwissenschaftlerin Elinor Ostrom (76) erhielt gestern als erste Frau den Nobelpreis für Wirtschaftswissenschaften. Sie teilt die Auszeichnung mit dem emeritierten US-Professor Oliver E. Williamson (77).

Ostrom von der Universität von Indiana in Bloomington gilt als Umweltökonomin von Weltruf. Williamson, der an der Universität von Berkeley in Kalifornien lehrt, hat mit seinen Forschungen wesentliche Grundlagen vor allem für das bessere Verständnis von Großunternehmen geschaffen. "Beide Wissenschaftler haben untersucht, wie uns andere Kräfte als die des Marktes zu organisierter Zusammenarbeit bringen können", teilte das Nobelpreis-Komitee in Stockholm mit. Die Erforschung von Unternehmen, Verbänden oder Haushalten sei gegenüber der Untersuchung von Märkten in den Wirtschaftswissenschaften bislang eher vernachlässigt worden.

Einen direkten Bezug zur Weltwirtschaftskrise, zur bereits wieder entflammten Gier an den Weltfinanzmetropolen lässt die Entscheidung nicht erkennen. Ein indirektes Signal enthält die Vergabe aber durchaus, besonders mit Blick auf das wissenschaftliche Werk von Ostrom. Sie hat extreme ökonomische Ungleichverteilungen schon vor langer Zeit kritisiert, die teils astronomischen Managergehälter in den USA nannte sie "obszön".

In ihrem umfassenden wissenschaftlichen Werk legte sie dar, wie öffentliche Ressourcen effizient gemanagt werden können - das bezieht sich zum Beispiel auf Gemeinschaften oder Kommunen, deren Mitglieder sich den Zugriff auf Fischbestände oder Waldressourcen teilen, ohne diese zu ruinieren. "Ostroms Arbeit lehrt uns Neues über die tiefen Zusammenhänge, die die Kooperation in der Gesellschaft am Leben erhalten", teilte das Komitee in Stockholm mit. Als bedeutend gilt ihre Arbeit auch im Hinblick auf die weitere Gestaltung und Verbesserung eines international wirksamen Klimaschutzes.

Mit der Verleihung des Wirtschafts-Nobelpreises habe sie nicht gerechnet, sagte Ostrom gestern: "Es gibt viele, viele Leute, die sich ungemein angestrengt haben. Diesen Preis zu erhalten ist eine große Ehre. Ich bin noch immer ein bisschen geschockt." Sie habe nach Erhalt der Nachricht erst mal einen Kaffee trinken müssen: "Den habe ich gebraucht."

Ostrom ist dieses Jahr die fünfte Frau, die mit einem Nobelpreis ausgezeichnet wird - der bisherige Rekord steht bei drei Preisträgerinnen im Jahr 2004. Die US-Australierin Elizabeth Blackburn und die US-Bürgerin Carol W. Greider bekommen den Medizin-Nobelpreis, die israelische Forscherin Ada Jonath erhält den Nobelpreis für Chemie. Der Literatur-Nobelpreis geht an die aus Rumänien stammende deutsche Schriftstellerin Herta Müller.

Aus Sicht der Nobelpreis-Organisatoren ist diese Häufung allerdings eher Zufall. "Wir dürfen da kein bisschen taktisch denken: Ob Frau, Mann, Amerikaner, Nicht-Amerikaner, Rechte, Linke. Elinor Ostrom hat den Nobelpreis nicht wegen ihres Geschlechts bekommen, sondern ausschließlich für Verdienste um die Forschung", sagte gestern Mats Persson vom schwedischen Nobelpreis-Komitee mit Blick auf die Wirtschafts-Preisträgerin.

Ostrom wie auch Williamson sind der Wissenschaft in Deutschland eng verbunden. Williamson war 1991 Gastprofessor an der Universität Saarbrücken; Ostrom wurde für ihre Verdienste um die kulturellen und akademischen Beziehungen zu Deutschland im Mai mit dem Reimar-Lüst-Preis der Fritz-Thyssen-Stiftung und der Alexander-von-Humboldt-Stiftung ausgezeichnet. Als Favorit für den Wirtschafts-Nobelpreis galt in diesem Jahr der US-Wissenschaftler Eugene Fama aus Chicago, der vor allem mit Theorien über effiziente Märkte wissenschaftliche Anerkennung erworben hat. Immer wieder wurde auch der Ökonom Robert Shiller von der Universität Yale genannt, der schon vor Jahrzehnten vor dem Risiko von Spekulationsblasen gewarnt und die aktuelle Finanzmarktkrise frühzeitig vorausgesagt hat.

Doch wie meist bei den Nobelpreisen war das Komitee auch bei der diesjährigen Wirtschafts-Auszeichnung für eine Überraschung gut. Die jüngste Weltwirtschaftskrise und ihre Folgen allerdings wurden bei früheren Preisvergaben schon berücksichtigt: Die US-Ökonomen Joseph Stiglitz und Paul Krugman, ausgezeichnet in den Jahren 2001 und 2008, sind scharfe Kritiker der US-Wirtschaftspolitik, besonders jener, die in der Regierungszeit des ehemaligen Präsidenten George W. Bush betrieben wurde.