Männer verhandeln härter ums Geld, sagen Experten. Häufig dominieren noch traditionelle Rollenvorstellungen.

Hamburg. Katharina Schneider hat nach ihrem Abschluss als Diplom-Betriebswirtin gerade ihre erste Stelle im Rechnungswesen eines mittelständischen Handelsunternehmens in Hamburg angetreten. Sie verdient 2869 Euro im Monat. Markus Westermann begann am gleichen Tag und mit der genau entsprechenden Ausbildung seine Berufslaufbahn bei einer anderen Firma der gleichen Branche - und er bekommt monatlich 3351 Euro.

Eine Einkommensdifferenz von 482 Euro bei sonst vergleichbaren Voraussetzungen zwischen einer Frau und einem Mann, so wie in diesem fiktiven Beispiel, ist nach Erkenntnissen des Wirtschafts- und Sozialwissenschaftlichen Instituts (WSI) der Hans-Böckler-Stiftung jedoch kein Zufall, sondern die Normalität.

Dabei ist laut einer Umfrage von Sinus Sociovion für das Bundesfrauenministerium eine überwältigende Mehrheit von 92 Prozent der Bevölkerung der Meinung, dass Frauen und Männer für gleiche oder gleichwertige Arbeit selbstverständlich gleich bezahlt werden sollten. In den 1950er sah dies noch ganz anders aus. Selbst vor Arbeitsgerichten wurde eine niedrigere Bezahlung von Frauen mit dem Argument begründet, sie hätten eine geringere physische und auch psychische Belastbarkeit.

Noch immer aber seien - bei Männern wie bei Frauen - in den Köpfen Einstellungen verbreitet, die letztlich zu Gehaltsunterschieden selbst in den frühen Berufsjahren führen könnten, meint Martina Plag, Senior-Beraterin bei der Unternehmensberatung Hachenberg & Richter: "Männer werden in ihrer Rolle als Versorger einer Familie gesehen, während bei jungen Frauen angeblich die Auffassung 'Hauptsache, die Arbeit macht Spaß' besonders verbreitet ist."

Geschlechtsspezifische Verhaltensunterschiede führt Christian Näser, Mitglied der Geschäftsleitung von Kienbaum Management Consultants und Vergütungsexperte, als mögliche Erklärung für Gehaltsdifferenzen an: "Es scheint so, als verhielten sich Männer bei Verhandlungen über Konditionen forscher und fordernder als Frauen." Ähnlich sieht das Claudia Menne, Leiterin der Abteilung Gleichstellungspolitik beim Deutschen Gewerkschaftsbund (DGB): "Auch wenn ein Tarifvertrag gilt, gibt es Zulagen und Prämien - und hier können Männer bevorzugt werden, wenn sie härter verhandeln als Frauen."

Auffallend an der Studie des WSI ist, dass die geschlechtsspezifische Ungleichheit der Einkommen in Deutschland deutlich stärker ausgeprägt ist als in einigen anderen europäischen Ländern. So verdienen Männer als Berufsanfänger in Dänemark nur knapp zehn Prozent mehr als Frauen (Deutschland: rund 18 Prozent). Die EU sieht den Grund für die Ungleichheit in Deutschland in der besonders hohen Teilzeitquote bei Frauen und deren häufige Beschäftigung im sogenannten Niedriglohnsektor, etwa in Pflegeberufen. "In Deutschland haben wir eine lange Tradition, den Wert von weiblicher Arbeit geringer einzuschätzen", sagt dazu DGB-Expertin Claudia Menne.