Hamburg. Abendblatt:

Der Arbeitsmarkt hat sich leicht erholt. Geht es jetzt wieder bergauf?

Jörg Hinze:

Die angesichts der Lage positiven Zahlen haben auch uns überrascht. Ich werte dies als gutes Zeichen für eine zunehmende Besserung. Die Wirtschaft stabilisiert sich, wenn es auch nur leicht und langsam wieder aufwärtsgehen wird. Damit wächst die Hoffnung, dass die Unternehmen versuchen, ihre Beschäftigten zu halten.

Abendblatt:

Wird die Arbeitslosigkeit weiter abnehmen?

Hinze:

Nein, sie wird ab Oktober eher zulegen. In der Industrie liegt die Produktion immer noch deutlich unter dem Niveau vor Beginn der Krise. Daher sind die Lohnstückkosten dort um mehr als 20 Prozent gegenüber dem Vorjahr gestiegen. Diese Situation verkraften die Unternehmer auf Dauer nicht. Der Kosten- und Anpassungsdruck auf die Arbeitgeber wächst, die Beschäftigung an die Produktion anzupassen. Deshalb dürfte die Arbeitslosigkeit steigen und im nächsten Jahr im Durchschnitt bei etwas über vier Millionen liegen. Auf diesem hohen Niveau dürfte sich die Arbeitslosenzahl bis ins Jahr 2011 halten. Die höchste Arbeitslosenzahl werden wir voraussichtlich im Frühjahr 2010 erleben.

Abendblatt:

Sollte die Kurzarbeit über 24 Monate hinaus verlängert werden?

Hinze:

Nein. Zwei Jahre sind ein langer Zeitraum. Irgendwann müssen Unternehmen ihre Situation an den Markt anpassen. Wenn die eigene Branche auch nach zwei Jahren nicht wieder anspringt, ist es höchste Zeit, unrentable Strukturen zu ändern, statt sie durch Kurzarbeit künstlich zu erhalten.

Abendblatt:

Insofern ist es konsequent, dass bei immer mehr Werften das Licht ausgeht?

Hinze:

Weltweit gibt es große Überkapazitäten im Schiffbau, viele Schiffe liegen auf Reede. Bis diese Schiffe sowie alle derzeit im Bau befindlichen alle wieder ausgelastet sind, werden Jahre vergehen. Man kann die Werften ja nicht über Jahre mit Kurzarbeit über Wasser halten. Hier muss man nach gewisser Zeit entsprechende Anpassungen vornehmen. Sonst kommt keine Dynamik in den Wirtschaftsprozess.

Abendblatt:

Es handelt sich also um einen Strukturwandel, der in der Krise beschleunigt wird?

Hinze:

Richtig. Viele Industriebereiche, die bereits Strukturprobleme haben, laufen, solange die Wirtschaft boomt. Kommt dann aber die Rezession, zeigen sich die Strukturschwächen - wie auch in der Autoindustrie.

Abendblatt:

Wie wird sich die Lage in Hamburg entwickeln?

Hinze:

Die Hamburger Wirtschaft ist dienstleistungs- und außenhandelsorientiert und wurde dadurch vom Exporteinbruch stark betroffen. Im Zuge der sich stabilisierenden Weltkonjunktur wird sich die Hansestadt auch wieder schneller erholen als andere Bundesländer.

Abendblatt:

Wie werden die steigenden Kosten für die Arbeitslosigkeit finanziert?

Hinze:

Mittelfristig wird man um eine Erhöhung der Beiträge zur Arbeitslosenversicherung kaum umhinkommen, wenn die Bundesregierung ihren Haushalt konsolidieren will. Voraussetzung dafür ist aber, dass sich die Wirtschaft erholt, andernfalls würde eine Beitragserhöhung die Konjunktur beeinträchtigen.