Warum die Fusion mit VW Arbeitsplätze schaffen kann und der Staat seinen Einfluss zurückfahren muss.

Abendblatt:

Ihr Dienstwagen ist ein Audi A8 - werden Sie nach der Fusion von VW mit Porsche auf einen Porsche Panamera umsteigen?

Christian Wulff:

Es bleibt beim A8. So ironisch wie Ihre Frage ist, sage ich: Eine große Auswahl hätte ich auch bisher schon gehabt. Zwischen Lamborghini, Bugatti oder Bentley. Ihre Frage offenbart leider eine Fehlvorstellung über das Gehalt eines Ministerpräsidenten.

Abendblatt:

Sind Sie der Gewinner der Fusion zwischen Porsche und VW?

Wulff:

Die Gewinner sind die Beschäftigten und die Standorte. VW-Aufsichtsratschef Ferdinand Piëch ist ein Sieger und ich vielleicht auch. Meine Position hat sich durchgesetzt, dass es zwischen Porsche und VW fair zugeht.

Abendblatt:

Hatten Sie nach seinem Rücktritt schon Kontakt zu Ex-Porsche-Chef Wendelin Wiedeking?

Wulff:

Nein. Aber das wird sich sicher ergeben. Ich habe ein gutes Verhältnis zu ihm, es gab stets sehr viele Übereinstimmungen. Nur in einer Frage hatten wir einen Dissens: Ich habe bei der VW/Porsche-Problematik für Zusammenarbeit plädiert und er für ein Entweder-Oder. Wiedeking hatte nicht die Fähigkeit zum Kompromiss.

Abendblatt:

Wird es im Zuge der Fusion von VW mit Porsche zum Stellenabbau kommen?

Wulff:

Im Gegenteil. Das Geschäft ist nur dann sinnvoll, wenn eins und eins drei ergibt. Ich hoffe, dass durch die Fusion von VW und Porsche zusätzliche Arbeitsplätze entstehen. Denn von derzeit gut sechs Millionen Fahrzeugen im Jahr wollen wir unsere Produktion auf bis zu neun Millionen steigern.

Abendblatt:

Wird die Porsche-Zentrale weiter in Stuttgart bleiben?

Wulff:

Die Zentrale der Porsche AG bleibt in Stuttgart. Es ist wichtig, dass der Sportwagenbauer eine hohe Autonomie behält, ansonsten wäre der Mythos Porsche gefährdet.

Abendblatt:

Die VW-Aktie befand sich durch die Porsche-Spekulationen an der Börse auf Achterbahnfahrt. Jetzt gibt es den Verdacht der Kursmanipulation durch Porsche und den Vorwurf der Weitergabe von Insiderwissen. Wie beurteilen Sie die Ermittlungen gegen Ex-Porsche-Chef Wiedeking?

Wulff:

Ich habe keine Anhaltspunkte für Verstöße. Wiedekings Aussagen habe ich als glaubhaft empfunden, wonach er Schach gespielt hat, aber die Züge nicht im Vorhinein offenbaren wollte.

Abendblatt:

Kann der Staat tatenlos zusehen, dass die Börse zum Spielkasino wird?

Wulff:

Nein, es muss eine größere Transparenz bei Optionsgeschäften, beim Anbahnen von Übernahmen und schärfere Regeln für Hedgefonds geben.

Abendblatt:

Niedersachsen hätte seine VW-Aktien auch zum Kurs von mehr als 1000 Euro verkaufen und damit den Landeshaushalt sanieren können.

Wulff:

Dass wir das nicht gemacht haben, zeigt unsere Unbestechlichkeit. Es geht uns nicht vorrangig um die Rendite, sondern darum, dass bei VW nachhaltig und erfolgreich gearbeitet werden kann. Wir haben eine Verantwortung für die 85 000 Arbeitsplätze bei VW in Niedersachsen. Veräußerungserlöse würden ohnehin ganz wesentlich der VW-Stiftung zufließen, die aus den Dividenden die Hochschulen in Niedersachsen fördert.

Abendblatt:

Was halten Sie von der Idee eines Volksporsche - ein Flitzer für wenig Geld?

Wulff:

Ein Volksporsche wäre eine Katastrophe. Allein der Begriff ist grässlich und tut mir weh. Porsche muss Porsche bleiben und VW geht seinen eigenen Weg.

Abendblatt:

Wäre es sinnvoll, die Synergien von VW mit Porsche auszuweiten?

Wulff:

Schon heute haben wir in manchen VW etwas Porsche und in vielen Porsche viel von VW.

Abendblatt:

Sollte diese Zusammenarbeit ausgebaut werden?

Wulff:

Ja. Es ist nicht sinnvoll, dass beide Unternehmen unabhängig voneinander zum Beispiel neue Zigarettenanzünder oder Airbags erfinden.

Abendblatt:

Halten Sie Hilfsaktionen für den Konkurrenten Opel für sinnvoll oder für Wettbewerbsverzerrung?

Wulff:

Ich verstehe den Kampf um Opel, weil die deutschen Standorte im GM-Konzern die meisten Patente entwickelt haben. Es lohnt sich für die hervorragenden Produktionsstätten und Mitarbeiter zu kämpfen. Ich habe mich aber bei dieser Frage herauszuhalten und vertraue auf meine Kollegen in den betroffenen Bundesländern. Ich konzentriere mich auf die Firmen in Niedersachsen. So habe ich mich im Fall von Hapag-Lloyd für einen Kredit der staatlichen KfW eingesetzt, da die Zentrale des Gesellschafters TUI in Hannover sitzt.

Abendblatt:

Der Staat hat die privaten Unternehmen in den vergangenen Monaten mit zig Milliarden Euro unterstützt. Muss damit nicht bald Schluss sein?

Wulff:

Die Instrumente waren sehr wirkungsvoll und wurden international anerkannt. Der Toyota-Chef hat mir gegenüber die Abwrackprämie als internationalen Maßstab bezeichnet. Auch die Kurzarbeitregelungen sind sinnvoll, um Arbeitslosigkeit zu vermeiden. Für die Zeit nach der Krise braucht der Staat aber eine Exit-Strategie.

Abendblatt:

Wann wird die Konjunktur wieder anziehen?

Wulff:

Ich hoffe im nächsten Jahr. Es müssen so bald wie möglich wieder die Regeln der sozialen Marktwirtschaft gelten. Es muss erneut ein Entstehen und Untergehen von Unternehmen stattfinden. Denn wir brauchen die Auslese der besten Firmen, um weltweit erfolgreich zu sein. Allerdings werden uns die Folgen der Finanzkrise noch die nächsten 50 bis 100 Jahre begleiten. Schließlich haben viele Banken toxische Papiere mit Laufzeiten von mehreren Jahrzehnten.

Abendblatt:

Sollten die Landesbanken im Norden fusionieren?

Wulff:

Wir sind offen für eine Konzentration bei den Landesbanken. Eine große norddeutsche Landesbank hat sicher ihren Reiz. Allerdings muss die HSH Nordbank vor einer Fusion ihre Geschäfte in Ordnung bringen. Dann könnte ich mir einen Zusammenschluss der NordLB mit der HSH Nordbank vorstellen.

Abendblatt:

Wo wäre der Hauptsitz dieses Instituts?

Wulff:

In Hannover. Schließlich hat die NordLB in den vergangenen Jahren äußerst erfolgreich gearbeitet. Die Manager sind eben nicht unkalkulierbare Risiken wie die Kollegen der HSH Nordbank eingegangen.

Abendblatt:

Wie sieht für Sie eine Lösung im Übernahmestreit zwischen den Autozulieferern Continental und Schaeffler aus?

Wulff:

Zu einer Fusion von Conti mit Schaeffler gibt es aus meiner Sicht keine realistische Alternative. Eine Rückabwicklung des Geschäfts halte ich für nicht möglich. Zudem hat es schon eine Faszination, wenn durch den Zusammenschluss nach Bosch der zweitgrößte Autozulieferer weltweit entsteht.

Abendblatt:

Der VFL Wolfsburg ist Deutscher Meister, der Sitz des Autogiganten VW/Porsche ist ebenfalls Wolfsburg. Ist es nicht an der Zeit, Wolfsburg zur Landeshauptstadt zu machen?

Wulff:

Niedersachsen ist gerade in seiner Vielfalt großartig. 1954 war Hannover Deutscher Meister, 1967 Braunschweig und 2009 ist es Wolfsburg. Wir werden deshalb nicht die Landeshauptstadt verlegen...