Gerade die Mittelständler geraten durch niedrige Mieten für ihre Frachter unter Druck. Die möglicherweise rettende Idee: eine Umlage für stillliegende Schiffe.

Hamburg. Die Idee ist aus der Not geboren: Mit einem Solidarpakt sollen sich mittelständische Reeder gegen die Auswirkungen der Schifffahrtskrise wappnen und so ihr Überleben sichern. Das jedenfalls schlägt Hermann Neemann vor, einer der beiden Inhaber der Steuerberatungsgesellschaft Anchor in Haren an der Ems. Von dort aus betreut Neemann allein mehr als 20 Reeder, die über 300 Schiffe - sogenannte Feeder - für Fahrten über Nord- und Ostsee an die Linienschifffahrt verchartern. "Die Hälfte von ihnen", schätzt der Schifffahrtsexperte, "ist in ihrer Existenz bedroht."

Die Lage ist ernst. "Wenn jetzt eine Charter ausläuft, werden die Schiffe kaum mehr zu einer Rate übernommen, die die Betriebskosten deckt", sagt Hans-Heinrich Nöll, der Hauptgeschäftsführer des Verbands Deutscher Reeder (VDR). Die 4000 Dollar, die derzeit pro Tag für einen Frachter mit Platz für 1000 Standardcontainer (TEU) gezahlt werden, reichen gerade für Personal, Verpflegung, technische Unterhaltung, Versicherung und Wartung. Zins und Tilgung für die Schiffe, die zumeist von Anlegern über Fonds und Schifffahrtsbanken finanziert werden, können davon aber nicht bezahlt werden.

Da soll nun Neemanns Vorschlag helfen: Er will Reeder aus Deutschland, den Niederlanden und Dänemark und damit die Hauptbeteiligten in der Schifffahrt auf Nord- und Ostsee zusammenbringen. Für jedes ihrer Schiffe sollen sie je nach Tragfähigkeit eine bestimmte Summe an eine Auffanggesellschaft zahlen. Diese wiederum stützt dann Frachter, die keine Beschäftigung haben, indem sie den Reedern die Kosten während des Stillstands und die Zinsen für die Banken erstattet. "Wir rechnen mit 80 000 Euro pro Jahr für ein durchschnittliches Schiff", sagt Neemann. Geplant ist bis zu 500 Frachter mit bis zu 1400 TEU aufzunehmen, die die Waren aus Übersee in Europa weiterverteilen.

"Kein Interesse an Zwangsversteigerungen"

Die erhoffte Folge: Die Frachter würden nicht mehr zu Dumpingpreisen auf den Markt drängen. Dadurch würde das Angebot knapper und die Charterraten könnten anziehen. "Die Initiative ist auf jeden Fall eine Möglichkeit, den Markt zu beeinflussen", sagt Burkhard Lemper, Direktor beim Bremer Institut für Seeverkehrswirtschaft und Logistik (ISL). Schon einmal hatten deutsche Reeder 2001/2002 über ähnliche Kompensationen für aufliegende Schiffe nachgedacht, den Vorschlag wegen der damals wieder anziehenden Konjunktur aber nicht realisiert.

Das hielt Diplom-Finanzwirt Neemann nicht davon ab, seine Idee zu propagieren. Auch in der Küstenschifffahrts-Kommission des VDR wurde sie vorgestellt. Das lag nahe. Denn 140 der 340 deutschen Schifffahrtsunternehmen bieten 600 Zubringerfrachter an.

Bisher gibt es kein eindeutiges Votum aus der Branche. "Ich habe noch keinen schriftlichen Rücklauf, aber verbal auch noch keine Absagen", sagt Neemann. VDR-Hauptgeschäftsführer Nöll geht jedoch davon aus, dass "die Banken eine solche Lösung wohlwollend akzeptieren werden". Sie sichert ihnen zumindest einen geringen Ertrag. Dasselbe dürfte für die Anleger und auch die Emissionshäuser gelten, über deren Fonds Eigenkapital in Schiffsneubauten fließt. "Keiner von ihnen dürfte jedenfalls ein Interesse an Zwangsversteigerungen haben", sagt Nöll.

Bei der Deutschen Schiffsbank, einer Tochter der Commerzbank, liegt das Konzept inzwischen genauso vor wie bei der HSH Nordbank. "Wir begrüßen die Grundidee. Die Reeder stehen massiv unter Druck", sagt Felicia Brüller, die Sprecherin der Schiffsbank. Entschieden sei jedoch noch nichts. Steuerberater Neemann jedenfalls ist von seinem Modell überzeugt. "Die Notsituation ist groß, und die Reeder brauchen Hilfe, um die Krise zu überstehen."