Die Überfalle vor der afrikanischen Küste haben bittere Folgen: Versicherungsprämien steigen, Personal ist schwer zu finden, teure Umwege werden nötig.

Hamburg. Die Meldungen von Überfällen reißen nicht ab: Seeräuber entern Schiffe an ihren Ankerplätzen oder auch bei sieben Windstärken auf hoher See. Sie feuern mit Panzerfäusten. Sie stehlen an Bord die Schiffsausrüstung oder nehmen den Kapitän und mehrere Offiziere als Geiseln. Mit Stahlstangen und langen Messern bewaffnet lassen sie sich dann das Bargeld an Bord und die Habseligkeiten der Besatzungen aushändigen. So lassen sich allein Vorfälle aus den vergangenen zehn Tagen beschreiben, wie sie das Internationale Maritime Büro in London aufgezeichnet hat, das zur Internationalen Handelskammer (ICC) zählt. Und bei all diesen Attacken kamen die Seeleute noch recht glimpflich davon.

Anders bei dem Frachter "Hansa Stavanger". Hier zieht sich die Entführung der 24-köpfigen Besatzung seit April hin. Das Schiff liegt jetzt an der somalischen Küste in der Bucht von Harardere fest und der Kapitän flehte zuletzt verzweifelt um Hilfe: "Ich habe keinen Einfluss mehr auf meine Crew, alle sind psychisch am Ende", hieß es laut "Spiegel" in einer Meldung an die Hamburger Reederei Leonhardt & Blumberg. Mehr als drei Monate Angst, Hitze und eine Piratenbande, die nicht nur bewaffnet ist, sondern durch Drogen unberechenbar. Es muss die Hölle sein an Bord.

Solche oder ähnliche Erfahrungen hat nach einer Umfrage der Beratungsgesellschaft PricewaterhouseCoopers (PwC) inzwischen jede fünfte deutsche Reederei gemacht - die Mehrzahl von ihnen vor Somalia. Kein Wunder: Denn allein in den ersten drei Monaten des Jahres fanden 61 der 102 Angriffe dort oder im angrenzenden Golf von Aden statt. Die Zahl der Attacken hat sich damit bis Ende März im Vergleich zu den 53 im Vorjahr fast verdoppelt. Vorläufige Bilanz: Weltweit 178 Geiselnahmen, neun Verletzte, fünf Verschleppte und zwei Tote.

Um dem gegenzusteuern, rüsten nun viele der Unternehmen auf. Die Maßnahmen reichen von Stacheldraht an Bord über Überlegungen im Ernstfall ein Kanonenboot einzusetzen bis zu einer Reederei, die russische Soldaten als Wachen engagiert hat. Trotz allem haben aber 20 Prozent der befragten 101 Firmen mit 76 000 Beschäftigten "Schwierigkeiten für bestimmte Passagen Personal zu bekommen", sagte gestern Claus Brandt, der Leiter des maritimen PwC-Kompetenzcenters.

Die Konsequenz aus der verschlechterten Sicherheitslage: Für 52 Prozent der Firmen haben sich die Versicherungsprämien erhöht, zumeist um 20 bis 30 Prozent. 21 Prozent der Reedereien nehmen teure Umwege etwa rund um das Kap der Guten Hoffnung Richtung Asien in Kauf. Denn auf Streitigkeiten mit den oft schwer bewaffneten Räubern sollen sich die Besatzungen auf keinen Fall einlassen. Vielmehr sollen sie sich im Ernstfall zurückziehen und passiv bleiben. "Der Umweg bedeutet aber zehn bis 15 Tage zusätzliche Fahrzeit, die nicht vergütet werden", sagte PwC-Experte Brandt.

Eine Konsequenz aus den Bedrohungen ist für knapp zehn Prozent der von PwC befragten Unternehmen, eine Lösegeldversicherung abzuschließen. Mehr als 60 Prozent der Unternehmen sind dabei aber sicher, dass sämtliche zusätzliche Kosten auf keinen Fall an die Kunden weitergereicht werden können.

So führen die Piratenangriffe nicht nur zu menschlichen Tragödien sondern auch dazu, dass sich die wirtschaftlichen Schwierigkeiten der Reedereien verschärfen. Denn zwei von drei Schifffahrtsfirmen sind auch von der Krise besonders stark betroffen, wie die PwC-Umfrage ergab. "Es ist durchaus möglich, dass künftig weitere Reedereien Geld von ihren Gesellschaftern oder vom Staat brauchen", so Brandt.

Als Lösung für das Piratenproblem setzen sich fast alle Unternehmen für ein internationales Vorgehen ein. "Dazu könnte Hilfe bei der Verfolgung von Piraten oder auch für Somalia selbst gehören", so das Fazit von PwC. Mit Abwehrmaßnahmen an Bord würden letztlich nicht die Ursachen der Piraterie bekämpft.

Den Seeleuten auf der "Hansa Stavanger" bleibt derweil die Hoffnung, dass auch sie mit dem Leben davonkommen. "Bisher ist noch keine einzige Geisel in der Region Somalia von Piraten umgebracht worden", sagt ein Sprecher des Verbandes Deutscher Reeder. Die sechs seit Anfang 2008 betroffenen deutschen Frachter wurden mitsamt ihren Seeleuten freigekauft. Nur so wird auch die "Stavanger" wieder Fahrt aufnehmen können.