Die Weltwirtschaftskrise zieht ihre Kreise: Nach der Wadan-Pleite beantragt auch die Bremer Hegemann-Gruppe Bürgschaften für Stralsund und Wolgast. Der Konkurrenz geht es nicht viel besser.

Hamburg. Fast alle deutschen Handelsschiff-Werften leiden mittlerweile massiv unter der Weltwirtschaftskrise. Die Bremer Hegemann-Gruppe, die zwei Werften in Stralsund und in Wolgast betreibt, hat beim Land Mecklenburg-Vorpommern eine weitere Bürgschaft über neun Millionen Euro beantragt. Der Bürgschaftsausschuss der Landesregierung werde darüber in der kommenden Woche entscheiden, sagte eine Sprecherin des Finanzministeriums in Schwerin gestern dem Abendblatt. Auf den beiden Werften arbeiten mehr als 2000 Menschen. Die Hegemann-Gruppe nahm nicht Stellung.

Erst in der vergangenen Woche hatte Wadan Yards für seine zwei Werften in Wismar und Rostock-Warnemünde mit 2700 Mitarbeitern Insolvenz angemeldet. Die Hintergründe des Falles sind undurchsichtig. Die Werften gehören Investoren aus Russland und Südkorea.

Sehr deutlich wird infolge der Krise hingegen, dass die deutschen Werften aus dem Geschäft mit Containerschiffen nun wohl endgültig hinausgedrängt werden. "Der Einbruch beim Bau von Handelsschiffen, den die deutschen Werften jetzt erleiden, ist unwiderruflich. Die kleinen und mittelgroßen Handelsschiffe wurden ja auch deshalb noch zahlreich in Deutschland gebaut, weil es dafür in Asien nicht genügend Bauplätze gab. Das ist nun vorbei", sagte Herbert Aly, Chef der Hamburger Werft Blohm + Voss, dem Abendblatt. "In Asien wächst die Werftkapazität bis 2012 voraussichtlich noch einmal um bis zu 50 Prozent. Wenn der Markt für Neubauten wieder anspringt, wird er zunächst die asiatischen Werften füllen."

Rund 24 000 Menschen arbeiten direkt auf den deutschen Werften, inklusive der Zulieferindustrie gibt der Schiffbau in Deutschland mehr als 100 000 Menschen Arbeit. Auch die Zulieferindustrie fordert staatliche Finanzhilfen, um die Krise zu überstehen. "Wir hoffen, dass man die vielen Zulieferer nicht vergisst", sagte Jürgen Eberlein, Geschäftsführer der Mecklenburger Metallguss, gestern in Waren. Für zwei an die Wadan-Werften bereits gelieferte Schiffspropeller und zwei im Bau stünden Zahlungen aus: "Ob wir dafür Geld bekommen, wissen wir nicht."

Die globale Rezession zwingt den deutschen Schiffbau erneut in eine Strukturkrise, die schon in den 1970er-Jahren begonnen hatte. Die weltweit dominierende Schiffbau-Nation ist heutzutage Südkorea, gefolgt von China und Japan. Die einst breit organisierte deutsche Werftindustrie wurde in Nischen mit technologisch besonders anspruchsvollen Schiffen abgedrängt, etwa den Bau von Kreuzfahrtschiffen, von Superyachten oder von Spezial-Versorgungsschiffen. Auch im Militärschiffbau blieben Kapazitäten bestehen, vor allem bei Blohm + Voss und deren Schwesterwerft HDW in Kiel, die beide zu ThyssenKrupp gehören.

Der Boom des Welthandels und die enorme Nachfrage nach Handelsschiffen brachte aber vor allem den Werften in Ostdeutschland in den vergangenen Jahren wieder zahlreiche Aufträge für kleinere und mittelgroße Containerschiffe bis zu einer Stellplatzkapazität von rund 4000 Containereinheiten (TEU). Dieses Geschäft dürfte nun endgültig verloren sein. Von Anfang 2008 bis zum ersten Quartal dieses Jahres seien auf den deutschen Werften 48 Schiffe storniert worden, 17 Prozent des gesamten Auftragsbestandes, sagte Werner Lundt, Hauptgeschäftsführer des Verbandes für Schiffbau und Meerestechnik (VSM) in Hamburg. Allein im ersten Quartal 2009 seien Aufträge für rund 940 Millionen Euro verloren gegangen: "Nur noch wenige Containerschiffe sind im Bau."

Nach Lundts Einschätzung leiden die deutschen Werften auch unter den Folgen ihren besonders kundenfreundlichen Geschäftspraktiken. Bei den asiatischen Werften sei es üblich, dass die Reedereien 20 bis 30 Prozent des Schiffspreises anzahlten, in Deutschland höchstens ein Prozent, sagte Lundt. Eine Reederei werde es nicht riskieren, 30 Prozent Anzahlung zu verlieren - ein Prozent hingegen fiele im Vergleich dazu kaum ins Gewicht.

Intensiv haben die deutschen Werften in den vergangenen Jahren neue Nischen im Schiffbau gesucht und besetzt, das bekannteste Beispiel dafür ist die Papenburger Meyer-Werft, heutzutage einer von drei großen Anbietern von Kreuzfahrtschiffen. "Eine stärkere Spezialisierung der deutschen Werften war ja schon längst im Gange, zum Beispiel bei der Flensburger Schiffbau Gesellschaft, die technologisch anspruchsvolle Roll-on-roll-off-Schiffe und Fähren baut", sagte Sönke Fanslow, Vorstand beim Hamburger Schifffahrtsunternehmen Hansa Treuhand, dem Abendblatt.

"Angesichts der Weltwirtschaftskrise fehlt jetzt allerdings vielerorts die Zeit für eine Neuausrichtung." Hansa Treuhand selbst habe sein letztes Containerschiff von einer deutschen Werft bereits im Jahr 2000 bekommen. "Seither lassen wir auf asiatischen Werften bauen", sagte Fanslow.

Doppelhüllen-Tanker von der Kieler Lindenau-Werft, Fähren aus Flensburg, Kreuzfahrtschiffe aus Papenburg - das Programm der deutschen Werften ist trotz Spezialisierung nach wie vor breit. Entscheidend ist allerdings, wann der Welthandel wieder anzieht, bis wann der Schiffmarkt die Überkapazitäten verdaut hat. "Die deutschen Werften bauen technologisch hoch qualitative Schiffe. Die Frage ist nur, ob diese Qualität von den Auftraggebern auch nachgefragt wird", sagte der Hamburger Rechtsanwalt und Insolvenzverwalter Jan H. Wilhelm dem Abendblatt. Er betreut unter anderem die Kieler Lindenau-Werft, die im vergangenen September Insolvenz angemeldet hat. "Die Umstrukturierung dort läuft hervorragend, entscheidend ist aber am Ende die Auftragslage", sagte Wilhelm. "Die Werft bemüht sich, Anschlussaufträge zu akquirieren. Das muss gelingen, um neue Perspektiven zu entwickeln.