Gute Lebensqualität, Infrastruktur, Mitarbeiter und Forschung schätzen internationale Entscheider am meisten an Deutschland. Unsere Schwäche: die hohen Arbeitskosten.

Hamburg. Deutschland braucht sich auch in der Krise nicht zu verstecken. Im Gegenteil. Trotz kräftiger Bremsspuren in der Wirtschaft kann die Bundesrepublik ihren Platz als attraktivster Standort in Westeuropa unter Managern verteidigen. Weltweit rangiert die Bundesrepublik auf Platz sechs - nach China, den USA, Indien, Russland und Brasilien. Dies hat eine Studie der Wirtschaftsprüfungsgesellschaft Ernst & Young ergeben, für die Entscheider aus 809 internationalen Unternehmen befragt wurden.

Als Stärken des Standortes werden von der überwiegenden Mehrheit die Lebensqualität, die gute Infrastruktur, die Qualität der Hochschulen und Forschung sowie die Qualifikation der Arbeitnehmer genannt. Hoch geschätzt sind auch das soziale Klima, die Kultur, die Attraktivität des Binnenmarktes, der Unternehmergeist sowie das stabile Rechtssystem (siehe Tabelle). Als Schwächen Deutschlands kritisieren 45 Prozent die mangelnde Flexibilität des Arbeitsrechtes, die hohen Arbeitskosten (41 Pozent) sowie die Unternehmenssteuerbelastung (34 Prozent).

Wenngleich die deutsche Wirtschaft aufgrund ihrer Exportabhängigkeit besonders stark von den Folgen der weltweiten Flaute getroffen wird, bleibt das Vertrauen in die Kraft des Landes groß. Die Mehrheit der befragten Führungskräfte - und zwar 86 Prozent - ist zuversichtlich, dass Deutschland die Krise erfolgreich bewältigen kann. 43 Prozent glauben sogar, dass Deutschland unter allen europäischen Ländern die besten Voraussetzungen habe, wieder aus dem Tief herauszukommen. Dass Großbritannien oder Frankreich besonders gut mit der Krise umgehen können, davon ist dagegen nur jeder zehnte Manager überzeugt.

"Möglicherweise genießt Deutschland bei ausländischen Unternehmen ein so hohes Vertrauen, weil der Standort gezeigt hat, dass er schwierige Situationen erfolgreich meistern kann", sagt Peter Englisch, Partner bei Ernst & Young. So habe das Land die deutsche Vereinigung mit ihren erheblichen ökonomischen Belastungen gut bewältigt. Auch die jüngste Fitnesskur mit dem Abbau des Haushaltsdefizits und der Senkung der Lohnstückkosten sei beispielhaft.

Auch Wirtschaftsforscher bewerten die Chancen Deutschlands durchaus positiv. "Die Wettbewerbsfähigkeit ist hierzulande sehr gut. Durch die Lohnzurückhaltung in den vergangenen Jahren sowie die Entlastungen bei den Sozialabgaben ist Deutschland relativ gut aufgestellt", sagt der Konjunkturchef des Kieler Instituts für Weltwirtschaft, Joachim Scheide, dem Abendblatt. Die Bundesrepublik sei für einen neuen Aufschwung nach der Krise gut gerüstet. Auch der Konjunkturchef vom Hamburgischen WeltWirtschaftsInstituts (HWWI), Michael Bräuninger, sieht Deutschland strukturell gut aufgestellt, wenngleich das Land durch die weltweite Konjunkturflaute aufgrund seiner Exportorientierung derzeit besonders getroffen werde. "Doch Deutschland hat gute Chancen, nach der Krise wieder zu wachsen", so Bräuninger.

Insgesamt hat die Attraktivität der Gesamtregion Westeuropa in der Managerbefragung deutlich zugelegt, während die Sympathien für Schwellenländer wie China, Indien und Russland sanken. 40 Prozent der befragten Manager nennen Westeuropa derzeit als attraktivsten Investitionsstandort der Welt. Danach folgen Mittel- und Osteuropa (39 Prozent), China (33 Prozent), Kanada und USA (25 Prozent) sowie Indien (20 Prozent). Auf mittlere Sicht werden nach Einschätzung von Ernst & Young jedoch China, Indien und die übrigen Schwellenländer wieder deutlich an Attraktivität gewinnen, so Englisch: "Vor allem China und Indien bieten das, was Investoren suchen: Große unerschlossene Märkte und damit erhebliche Wachstumspotenziale. Da können die etablierten großen Industrienationen wie die USA und Deutschland schlichtweg nicht mithalten."