Tariferhöhungen ausgesetzt. 2017 soll die Autofabrik schließen

Bochum. Von Erleichterung ist gestern früh vor Tor 1 des Bochumer Opel-Werks kaum etwas zu spüren. Die Opelaner wissen, was das Angebot des Opel-Managements, die Zafira-Fertigung bis Ende 2016 im Ruhrgebiet zu lassen, für sie bedeutet: weiterenLohnverzicht. "Die wollen nur Geld", schimpft Werner Butterweck, als er zur Frühschicht kommt. "Wir sollen schon wieder bluten", sagt der 54-jährige Montagearbeiter und erinnert an die vielen Sparrunden, mit denen die Beschäftigten ihr Werk immer wiedergerettet haben. Schon am Nachmittag wurde seine Ahnung wahr: Im Zuge der Sanierungsgespräche wurde die seit Mai fällige Tariferhöhung von 4,3 Prozent für die mehr als 20 000 Mitarbeiter bis Oktober vorerst ausgesetzt, verlautete es aus IG-Metall-Kreisen.

Doch die Gegenleistung ist nur eine Gnadenfrist, die Verlängerung des bis Ende 2014 geltenden Standortsicherungsvertrags um zwei Jahre. 2017 sollen nach den Plänen der Opel-Führung die Lichter in Bochum ausgehen. Es sei "keine weitere Produktallokation für Bochum nach Auslauf des jetzigen Zafira" vorgesehen, heißt es im Betriebswirte-Deutsch des Managements. "Vier Jahre verzichten für zwei Jahre länger arbeiten", übersetzt Harald Jahnke das in die Sprache der Beschäftigten.

"Hinhaltetaktik" lautet am Werkstor der häufigste Kommentar zu der gemeinsamen Absichtserklärung von Geschäftsleitung, Gewerkschaft und Betriebsräten. Die Zuversicht der Politiker, die für das Bochumer Opel-Werk jetzt auch eine Chance über 2016 hinaus sehen, teilen nur wenige. Wenn General Motors für die deutsche Tochter eine Wachstumsstrategie einschlage, "dann hat auch Opel Bochum eine langfristig gute Zukunft", hofft NRW-Ministerpräsidentin Hannelore Kraft (SPD).

Andreas Paul glaubt das nicht. "Wir sollen zahlen für nichts", befürchtet der 49-Jährige. Zu oft seien die Erwartungen der Belegschaft enttäuscht worden. "Da kommt nichts mehr." Das Bochumer Werk brauche neben dem Zafira ein zweites Modell, um langfristig zu überleben, hatte Betriebsratschef Rainer Einenkel immer wieder vergeblich gemahnt. Bei den Opel-Beschäftigten, die 2004 mit einem Streik Schließungspläne des GM-Managements abgewehrt hatten, macht sich Fatalismus breit.Immer mehr ist die Bochumer Belegschaft in den vergangenen Jahren geschrumpft. Nur noch 3200 Beschäftigte arbeiten direkt im Unternehmen, rund 1000 bei Partner- und Fremdfirmen. "Nicht schon wieder", sagen viele, als sie zur Schicht kommen. Es ist nicht klar, ob sie den Lohnverzicht oder die Fragen nach ihrer Stimmung meinen.

Manche können der Nachricht aus Rüsselsheim aber auch Gutes abgewinnen. "Kann man mit leben", raunt ein Arbeiter. "Zwei Jahre näher an der Rente", knurrt ein altgedienter Opelaner, als er nach der Schicht in seinen Wagen steigt. Die Einstellung zu dem Angebot des Managements ist auch eine Altersfrage, meint Gerhard Großmann, der in der Qualitätssicherung arbeitet und seit 22 Jahren bei Opel ist. "Für die Jüngeren könnte das eine Chance sein", sagt er. "Für mich ist es in vier Jahren dann wohl zu spät für einen neuen Job." Ministerpräsidentin Kraft fordert: "Die Zitterpartie für die Mitarbeiter und ihre Familien muss beendet werden." Am Werkstor gibt es nur wenig Hoffnung, dass dieser Wunsch in Erfüllung geht.

Die Bochumer Oberbürgermeisterin Ottilie Scholz (SPD) fordert eine langfristige Perspektive für das Opel-Werk in ihrer Stadt. Es gehöre zu den leistungsstärksten Automobilwerken in Europa. "Es sollte für Opel doch möglich sein, bei einer Produktoffensive mit 23 neuen Modellen, 13 neuen Motoren und Getrieben eine Nachfolgeproduktion für den Zafira nach Bochum zu vergeben." Alles andere wäre für sie "unverständlich und nicht akzeptabel".

Auch die IG Metall setzt auf das Prinzip Hoffnung, will nach anderen Konzernmodellen suchen, die in Bochum produziert werden könnten.Dagegen steht die Einschätzung von Opel-Chef Karl-Friedrich Stracke, zum Schrumpfen gezwungen zu sein: "Beieinem erwarteten Rückgang des Automobilmarktes in Europa um 20 Prozent im Vergleich zu 2007 wäre es unverantwortlich, jetzt nicht zu handeln."