Rund 300 Netzbetreiber setzen sich vor Gericht gegen die Behörde durch und dürfen höhere Entgelte verlangen. Doch noch ist eine Rechtsbeschwerde möglich

Hamburg. Vielleicht haben in den Chefetagen der Gas- und Stromnetzbetreiber gestern die Sektkorken geknallt, aber nach außen hin gab man sich ganz zugeknöpft: "Wir prüfen das Urteil", sagte ein Sprecher von E.on Hanse. Ganz so, als hätte das Oberlandesgericht (OLG) Düsseldorf nicht über die Netzentgelte entschieden, die ein wesentlicher Bestandteil des Strompreis sind, sondern über irgendein Detail in den Allgemeinen Geschäftsbedingungen. In ihrem Urteil haben die Düsseldorfer Richter der Bundesnetzagentur vorgeworfen, dass sie gravierende Fehler bei der Berechnung des Wertes der deutschen Strom- und Gasnetze gemacht hat. So seien Produktivitätsfortschritte beim Neubau von Netzen zu hoch und Lohnsteigerungen zu niedrig angesetzt worden. Geklagt hatten rund 300 Gas- und Stromnetzbetreiber gegen die Bundesnetzagentur, die die Netzentgelte festlegt. Folge dieser Fehlkalkulation: Die Betreiber können höhere Entgelte verlangen, die auch den Strom teurer machen würden.

"Wenn diese Kosten steigen würden, müssten wir sie an den Verbraucher weitergeben, denn einen Puffer in unserer Kalkulation gibt es nicht", sagt Carsten Roth von Hamburg Energie. Bis Ende des Jahres garantiert der Versorger stabile Strompreise. Die Netzentgelte werden jeweils im Oktober für das Folgejahr festgelegt. Obwohl Vattenfall ein großer Netzbetreiber ist, gehörte das Unternehmen nach eigenen Angaben nicht zu den Beschwerdeführern. Auswirkungen für die Stromkunden sehe man zunächst nicht, hieß es. Wie teuer es für die Verbraucher wird, steht noch nicht fest.

Doch neben den Kosten für Netzausbau und der Umlage zur Förderung der erneuerbaren Energien drohen jetzt weitere Zusatzkosten, wenn die Auffassung des OLG bestätigt wird. Die Bundesnetzagentur hat die Möglichkeit, Rechtsbeschwerde beim Bundesgerichtshof einzulegen. "Wir warten auf die schriftliche Urteilsbegründung und werden dann über unser weiteres Vorgehen entscheiden", sagte ein Sprecher der Behörde dem Abendblatt.

Die Richter machten deutlich, dass das Urteil alle Gas- und Stromnetzbetreiber betrifft und auch Auswirkungen für kommende Preisfestlegungen hat. "Das Urteil hat auch für künftige Kalkulationen Bedeutung, wenn die bisherigen Annahmen nicht korrekt waren", sagt Frank Brachvogel, Sprecher des Bundesverbandes Energie- und Wasserwirtschaft. Zu den konkreten Auswirkungen müsste aber die Urteilsbegründung abgewartet werden.

Pro Jahr und je Netzbetreiber könnten die Auswirkungen der neuen Berechnungsweise bis zu mehrere Millionen Euro betragen, teilte das Gericht mit. Wie hoch der Gesamtbetrag ausfallen würde, blieb aber zunächst offen. Schätzungen, es könne sich um einen Milliardenbetrag handeln, wollten weder das Gericht noch die Bundesnetzagentur kommentieren. Ohnehin würde eine eventuelle Nachzahlung wohl über mehrere Jahre verteilt werden.