Das Hamburger Abendblatt war zu Besuch auf der Bohrinsel Mittelplate in der Nordsee, wo auch eine Frau Zwölf-Stunden-Schichten führt.

Hamburg. 15 Uhr, mitten in der Nordsee auf der Bohrinsel Mittelplate. Daniela Preuss hat ausgeschlafen. Zwölf Stunden hatte sie in der Nacht zuvor gearbeitet, in der Messwarte darauf geachtet, dass der Betrieb auf Deutschlands einziger Ölbohrinsel auf hoher See reibungslos läuft. Die 29-Jährige ist zwar nicht die einzige Frau auf der Hightech-Plattform, aber sie ist die einzige mit Führungsverantwortung. Als Schichtführerin ist Daniela Preuss auch für die Planung des Personaleinsatzes in ihrem Team verantwortlich. Die Arbeit in einer Männerdomäne stört sie nicht. "Die Kollegen hier sind im Umgang pflegeleicht", sagt sie.

Wer auf die Insel Mittelplate will, die mitten in der Nordsee liegt, muss Zeit mitbringen. Inklusive der Wartezeit vor der Schleuse am Hafenausgang in Cuxhaven bedeutet dies zwei Stunden Transfer mit dem Schiff. Nach Erreichen der Anlage heißt es: Handys und Kameras aus. Denn Geräte, die nur im geringsten Verdacht stehen, dass sie einen Funkenschlag auslösen, sind auf der fußballfeldgroßen Insel verboten. Für den Abendblatt-Fotografen gab es eine Ausnahme. Er durfte Bilder machen, musste aber dabei immer ein Gasspürgerät bei sich tragen. Das kleine Ding, das wie ein digitales Aufnahmegerät aussieht, schlägt Alarm, wenn sich in der Nähe Gas bildet, und hilft so, eine Katastrophe zu verhindern. Und schwere Unglücke gab es auf der Insel, die 1987 in Betrieb genommen wurde, noch nie. Der Hubschrauberlandeplatz, der nur dazu da ist, Verletzte ins Krankenhaus zu transportieren, ist die meiste Zeit leer. "Natürlich kommt es vor, dass sich mal ein Arbeiter einen Finger quetscht oder Ähnliches", sagt Fördermeister Dirk Jalas. Das sei aber schon das Dramatischste. 90 Beschäftigte arbeiten in zwei Schichten mit jeweils zwölf Stunden und übernachten ständig auf der Insel. Hinzu kommen täglich nochmals rund 30 Mitarbeiter von Fremdfirmen, die abends wieder zurück aufs Festland gebracht werden.

Mehr als 25 Millionen Tonnen Erdöl wurden seit Bestehen aus einer Lagerstätte geholt, die bis zu 3000 Meter unter dem Meeresboden liegt. "Gerade wurde unsere Konzession bis zum Jahr 2041 verlängert. Wir hoffen, nochmals die gleiche Menge fördern zu können", sagt Thomas Kainer, Betriebsleiter des in Friedrichskoog beheimateten Mittelplate-Konsortiums, das von dem Hamburger Unternehmen RWE Dea geführt wird. Doch die Verlängerung der Konzession war umstritten. Umweltschützer hatten erfolglos darum gerungen, dass die Bohrerlaubnis nur häppchenweise erweitert wird. Doch das Mittelplate-Konsortium, an dem RWE Dea und Wintershall zu jeweils 50 Prozent beteiligt sind, konnte damit punkten, dass die Bohrinsel noch keinen Schaden verursacht hat und sich das Konsortium um den Umweltschutz im Wattenmeer bemüht. Die 79 Millionen Euro Konzessionsabgabe, die das Land Schleswig-Holstein allein im vergangenen Jahr kassierte, dürften die Entscheidung zur Verlängerung der Erlaubnis zudem erleichtert haben.

Es ist ein Kampf um die letzten Reserven. Schließlich ist Öl endlich, und die Quelle versiegt irgendwann. Um diesen Zeitpunkt hinauszuzögern, hat das Unternehmen im vergangenen September erstmals aus einem schon existierenden Bohrloch zwei gemacht. "Wir haben in der Tiefe eine Abzweigung realisiert, also neben dem ursprünglichen Bohrpfad einen zweiten eingerichtet, der mit dem Mutterloch verbunden ist", erklärt Betriebsleiter Kainer. Damit kann ein größerer Teil des Feldes mit nur einem Bohrlochansatzpunkt angezapft werden. Dies hört sich relativ einfach an. Doch die sogenannte Multilateralbohrung ist in mehreren Tausend Meter Tiefe eine technologische Herausforderung. Das Öl wird über eine Pipeline nach Friedrichskoog gebracht. Von dort aus geht es in die Raffinerie in Heide.

Manche Besucher sind enttäuscht, wenn sie das erste Mal die Anlage betreten. Kein schwarzer Ölstrahl, keine Muskelmänner, die das sprudelnde schwarze Gold bändigen müssen. Wenn man es nicht besser wüsste, könnte man sich auf der Insel auch wie in einem Industrieareal fühlen. Die Plattform ist sauber, weder Müll noch Abwasser gelangen in das umliegende Meer. "Ab- und auch Regenwasser transportieren wir zurück an Land, um es dort aufzubereiten", sagt Fördermeister Jalas. Auch die Reste der einen Tonne Nahrungsmittel, die ein Schiff pro Woche zur Insel bringt, gehen zurück an Land. Selbstverständlich werden auch unzählige Liter Getränke für die Beschäftigten angeliefert, aber kein Alkohol. Der ist strikt verboten. Und Zigaretten dürfen nur in einem Raucherzimmer gequalmt werden.

Eine Milliarde Euro haben RWE Dea und Wintershall bisher in die Insel investiert. Weitere rund 64 Millionen Euro werden jetzt wegen eines Wanderpriels mit dem klangvollen Namen Trischenflinge ausgegeben. Der Wasserstrom bewegt sich auf die Mittelplatte zu. Der Kolkschutz, also eine Befestigung aus Steinen und Mörtel, die die Mittelplate komplett umschließt, musste deshalb an der Südflanke der Insel verstärkt werden.

Daniela Preuss und ihre Kollegen bleiben 14 Tage auf der Insel und arbeiten täglich zwölf Stunden. Danach gibt es 14 freie Tage, die die Schichtführerin mit ihrem Freund, einem Lehrer, in Heide verbringt. Dann hat sie Zeit zum Reiten auf ihren beiden Pferden und für lange Spaziergänge. Die Frau hat sich längst daran gewöhnt, die Erste eines Lehrgangs zu sein. Zu Hause in Dithmarschen war sie die Einzige ihrer Ausbildungsgruppe, die Mechatronikerin gelernt hat. Danach war sie die erste Frau auf der Bohrmeisterschule in Celle, und bald wird sie sich zur Fördermeisterin ausbilden lassen. "Natürlich nur, wenn das Unternehmen einen weiteren Fördermeister braucht", sagt sie bescheiden. Aus der Zentrale von RWE Dea in Hamburgs City-Nord ist zu hören, dass dies bald sein soll. Auch dann wird Daniela Preuss wieder mal die erste Frau ihres Fachs sein.

Und sie wird keinen Mitbewohner mehr haben. Bislang teilt sie sich ihre Koje mit einem doppelstöckigen Bett mit einem Kollegen. Einer schläft tagsüber, der andere in der Nacht. Als Fördermeisterin wird sie immer Rufbereitschaft haben und wird deshalb bald den Vorzug eines Einzelzimmers genießen können.