Ministerium hat auf die extreme Verlängerung der Konzession für die Bohrinsel im Wattenmeer Einfluss genommen

Kiel. Bei der Fördererlaubnis für die umstrittene Bohrinsel "Mittelplate" ist offenbar gemauschelt worden. Nach Informationen des Abendblatts sorgte das Kieler Wirtschaftsministerium dafür, dass die zuständige Behörde in Hannover die Konzession nicht wie geplant bis 2022 verlängerte, sondern gleich bis 2041. Begründet wurde die Megafrist intern mit der Sorge vor wachsenden Öko-Protesten.

"Die Geschichte hat einen ganz üblen Beigeschmack", sagte die umweltpolitische Sprecherin der Grünen im Landtag, Marlies Fritzen. Sie will Wirtschaftsminister Jost de Jager (CDU) in der nächsten Woche in den Umweltausschuss des Landtags zitieren und ihm "einige unangenehme Fragen" stellen.

Ein Sprecher de Jagers bestätigte derweil auf Nachfrage des Abendblatts, dass das Ministerium erfolgreich Einfluss auf die Entscheidung des niedersächsischen Landesamtes für Bergbau, Energie und Geologie (LBEG) genommen hat.

Begonnen hatte der Krimi um Deutschlands größte Ölförderanlage im April. Nach internen Unterlagen kam das LBEG zu dem Ergebnis, dass die vom "Mittelplate"-Betreiber RWE/Dea beantragte Förderverlängerung um 30 Jahre nicht angemessen sei. Begründung: Der Konzern gehe selbst davon aus, dass die bekannten Ölreserven in gut zehn Jahren ausgebeutet seien. Sollte es weitere Vorkommen geben, müsste RWE/Dea vor 2022 eine erneute Konzessionsverlängerung beantragen.

Diese Einschätzung des LBEG ließ im Kieler Wirtschaftsressort die Alarmglocken schrillen. Die Abteilung für Technologie und Energie unter dem selbstbewussten Leiter Gustav S. sendete eine klare Order zurück. Das Landesamt solle den beantragten Verlängerungszeitraum "ohne Abzug" genehmigen. In dem Schreiben wird zudem angedeutet, dass eine langfristige Fördererlaubnis dem Ministerium in einigen Jahren den Streit um eine weitere Konzessionsverlängerung ersparen könnte. Es könne nicht ausgeschlossen werden, dass die Umweltseite "mehr und mehr industrieavers" werde.

Für Fritzen besteht der Verdacht, dass die Regierung die fachlich gebotene Genehmigung aus politischen Gründen kassierte. "Das wäre ein Skandal." Fakt ist, dass das brisante Schreiben aus dem Kieler Ministerium auch in Hannover Wellen schlug. Als dort ein Antrag auf Akteneinsicht einging, wurde Kiel umgehend informiert. Tenor: Die Sache sei unproblematisch, wenn da nicht das Schreiben aus der Energie-Abteilung wäre, das für Aufsehen sorgen könnte.

Damit nicht genug. Das LBEG hat offenbar überlegt, ob man das Schreiben aus der Genehmigungsakte entfernen kann. Etwas später meldete sich das LBEG erneut in Kiel, diesmal mit dem Hinweis, dass die Behörde im Zuge des Akteneinsichtsbegehrens bisher nur harmlose Unterlagen herausgerückt habe und der Fall damit möglicherweise erledigt sei. "Ich verstehe das so, dass die Behörde die Bürger bewusst für dumm verkaufen will", sagt Fritzen.

Auch Minister de Jager selbst steht unter Beschuss. Er hatte am 21. Mai im Landtag erklärt, dass eine Konzessionsverlängerung bis 2041 "vorgesehen" sei. Zu diesem Zeitpunkt war der Antrag aber längst genehmigt. Der Bescheid des LBEG, der nicht veröffentlicht wurde, stammt vom 11. Mai.

De Jager ist die Falschinformation des Parlaments peinlich. "Der Minister wusste nichts von dem Bescheid", versicherte sein Sprecher. Er habe die Information "büroablaufbedingt" vor der Sitzung des Landtags nicht erhalten.

Die Grünen-Abgeordnete Fritzen kann das nur schwer glauben. "Es kann eigentlich nicht sein, dass ein Minister nicht weiß, was in seinem Haus geschieht."