Hamburger Ökonomen warnen vor Austritt Griechenlands aus der Euro-Zone. Ifo-Chef Sinn spricht dagegen von “kleinerem Übel“.

Hamburg. Rätselraten um Griechenland: Noch immer ist nicht klar, worüber die Finanzminister mehrerer Euro-Länder am Freitagabend in Luxemburg tatsächlich gesprochen haben. Ein möglicher Austritt Athens aus der Währungsunion sei auf dem Treffen, an dem unter anderem Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble (CDU), der Präsident der Europäischen Zentralbank (EZB), Jean-Claude Trichet, und EU-Währungskommissar Olli Rehn teilgenommen hätten, jedenfalls entgegen anderslautenden Gerüchten nicht diskutiert worden, beteuerte der Euro-Gruppen-Chef Jean-Claude Juncker: "Wir wollen nicht, dass der Euro-Raum ohne Grund explodiert." Auch einen Schuldenschnitt hätten die Minister aus Deutschland, Spanien, Italien und Griechenland abgelehnt.

Der griechische Ministerpräsident Giorgos Papandreou bezeichnete am Wochenende die Spekulationen über eine mögliche Abschaffung des Euro in seinem Land als "fast schon kriminell". Papandreou fügte an: "Kein solches Szenario wurde jemals diskutiert, nicht einmal inoffiziell." Ohnehin ist in Fachkreisen umstritten, welche Folgen ein solcher Schritt hätte. Das Abendblatt gibt einen Überblick.

Welche Nachteile hätte ein Abschied vom Euro für Griechenland?

Würde Griechenland eine neue Währung - etwa die Drachme - einführen, würde diese gegenüber dem Euro drastisch abwerten. Experten rechnen damit, dass sie um 50 bis 80 Prozent weniger wert wäre als der Euro. Diese Abwertung würde die Importe, darunter Rohstoffe wie Erdöl, kräftig verteuern.

Dramatische Folgen hätte ein Ausstieg aus dem Euro für die griechischen Banken. Sobald sich abzeichnete, dass die Drachme wieder eingeführt werden solle, "würden die Griechen ihre Ersparnisse in Euro von den Banken abheben", sagte der Hamburger Wirtschaftsprofessor Karl-Werner Hansmann dem Abendblatt. Denn die Menschen würden nicht darauf warten, dass ihre Guthaben automatisch auf die wesentlich weniger werthaltige neue Währung umgestellt werden. Ein solcher "Bankrun" jedoch würde das griechische Finanzsystem zusammenbrechen lassen, so Hansmann. Damit bräuchte die Regierung in Athen sofort viele weitere Milliarden zur Stützung der Banken. Um zu verhindern, dass Euro-Bestände massenhaft auf Geldhäuser im Ausland übertragen werden, müsste Griechenland zudem Kapitalverkehrskontrollen einführen - ein problematischer Schritt.

Gegen den Euro-Austritt spricht aber vor allem, dass damit das Schuldenproblem nicht gelöst wäre: "Griechenlands Schulden würden weiterhin auf den Euro lauten, damit wäre es für Athen nach der Umstellung auf eine viel schwächere Währung extrem schwierig, diese Schulden zu bedienen", sagte Michael Bräuninger, Konjunkturchef des Hamburgischen WeltWirtschaftsInstituts (HWWI), dem Abendblatt. "Selbst wenn der Austritt mit einem Schuldenschnitt um 50 Prozent verbunden wäre, hätte man bei einer Abwertung der neuen Währung um ebenfalls 50 Prozent überhaupt nichts gewonnen."

Was würde ein Austritt Griechenlands für Europa und für Deutschland bedeuten?

Nach Auffassung von Bräuninger ist es geradezu "leichtfertig", ein solches Szenario herbeizureden: "Sollte Griechenland die Währungsunion verlassen, hätte das schwerwiegende Folgen nicht nur für Europa. Das Risiko einer neuen Banken- und Wirtschaftskrise wäre hoch." Die weltweiten Verbindlichkeiten aller griechischen Schuldner betragen nach Berechnungen der griechischen Notenbank mehr als 400 Milliarden Euro, davon entfallen rund 330 Milliarden Euro auf Staatsanleihen. Fiele ein erheblicher Teil davon aus, würde dies auch deutsche Versicherungen und Banken schwer belasten.

Zudem müsste ein wesentlicher Teil der mehr als 50 Milliarden Euro, die Griechenland schon aus dem Rettungspaket der EU und des IWF erhalten hat, abgeschrieben werden. Gleiches gilt für die vielen Milliarden an griechischen Staatsanleihen, die die EZB aufgekauft hat. Allein der von Deutschland finanzierte Anteil daran liegt bei 27 Prozent.

Ein weiteres Argument gegen einen Euro-Austritt Griechenlands nennt Holger Schmieding, Chefvolkswirt des Bankhauses Berenberg: "Im Hinblick auf die Ansteckungsrisiken der Schuldenkrise wäre dies der schlimmste denkbare Fall." Damit würde sich der Druck auf andere hoch verschuldete Euro-Länder noch verstärken. Schmieding hält es für "extrem unwahrscheinlich", dass Griechenland oder ein anderer Staat dem Euro den Rücken kehrt.

Was hätte Griechenland von einem Austritt aus dem Euro?

Um künftig ohne immer neue Staatsdefizite auskommen zu können, muss Griechenlands Wirtschaft wieder auf einen Wachstumskurs einschwenken - doch dafür muss sie deutlich wettbewerbsfähiger werden. Halte Athen an der Gemeinschaftswährung fest, müsse das Land die Löhne und Preise um 20 bis 30 Prozent kürzen, argumentiert der Chef des Münchner Wirtschaftsforschungsinstituts Ifo, Hans-Werner Sinn. Es drohe ein Massensterben der Firmen. Damit könne Griechenland an den Rand des Bürgerkriegs geraten.

"Der Austritt aus dem Euro wäre das kleinere Übel", sagte Sinn der "Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung". Denn mit einer deutlich schwächeren Währung würden sich die Exporte Griechenlands auf dem Weltmarkt verbilligen, die Unternehmen hätten erheblich bessere Geschäftschancen. Tatsächlich befürwortet immerhin ein Drittel der Griechen einen Ausstieg des Landes aus dem - mit harten Sparauflagen verbundenen - milliardenschweren Kreditprogramm von Europäischer Union (EU) und Internationalem Währungsfonds (IWF), selbst wenn man dafür einen Staatsbankrott in Kauf nehmen müsse, wie eine am Sonntag veröffentlichte Umfrage ergab.

Wie wird es in der Griechenland-Krise wahrscheinlich weitergehen?

"Bisher hat man darauf gesetzt, dass die Griechen sich im Jahr 2012 wieder selbst am Markt finanzieren können", sagte Hansmann. "Jetzt wird klar, dass sie das nicht schaffen werden." Er geht - wie viele andere Experten - davon aus, dass neue Finanzhilfen notwendig werden und darüber hinaus eine "sanfte" Umschuldung durch Verlängerung der Laufzeit von Anleihen bevorsteht.