Portugal erhält 78 Milliarden Euro von der EU und vom IWF - gegen harte Sparauflagen

Hamburg. Portugals Bevölkerung muss für das EU-Hilfspaket einen hohen Preis zahlen: Wegen des harten Sparkurses, den die Regierung in Lissabon als Gegenleistung für die Finanzhilfen steuern muss, dürften dem Land zwei Jahre Rezession bevorstehen. "Dieses Szenario halten wir für realistisch", sagt Matthias Thiel, Volkswirt beim Hamburger Privatbankhaus M.M. Warburg & CO. "Alle binnenwirtschaftlichen Daten dürften sich teilweise dramatisch verschlechtern." Schon Ende 2010 lag die Arbeitslosenquote bei recht hohen 11,1 Prozent.

Portugals Regierung wolle unter anderem die Kfz-Steuer und die Vermögenssteuer anheben sowie die Ausgaben für Gesundheit und Bildung zusammenstreichen, hieß es in Lissabon. Nach Angaben des geschäftsführenden Ministerpräsidenten José Sócrates hat man sich mit der Europäischen Union und dem Internationalen Währungsfonds (IWF) auf ein Rettungspaket von 78 Milliarden Euro verständigt. Zum Vergleich: Griechenland erhielt im Mai 2010 ein Hilfspaket von 110 Milliarden Euro, Irland wurden im November 85 Milliarden Euro zugesagt.

Wie viel Deutschland zu den Portugal-Hilfen beisteuert, steht noch nicht fest. Der Betrag hänge von Details ab, bei denen es noch keine Einigung gebe, sagte Regierungssprecher Steffen Seibert. Berechnungen von Experten zufolge dürfte es um Bürgschaften von sieben bis acht Milliarden Euro gehen, direkte Zahlungen fließen dabei nicht.

Das Paket steht allerdings unter dem Vorbehalt, dass es von den Euro-Finanzministern am 16. Mai einstimmig gebilligt wird - und dies könnte an Finnland scheitern: Die rechtspopulistische Partei Wahre Finnen, die bei der Parlamentswahl vor zwei Wochen 19 Prozent der Stimmen errang und voraussichtlich der neuen Regierung angehören wird, hat wiederholt angekündigt, das Euro-Rettungspaket blockieren zu wollen.

Sollte es zustande kommen, kann Portugal nach Berechnungen der Commerzbank mit dem Geld bis Mitte 2014 die bis dahin anfallenden Defizite decken und seinen Zahlungsverpflichtungen nachkommen. "Weil aber die Staatsschulden immer an der Wirtschaftsleistung gemessen werden und das Bruttoinlandsprodukt (BIP) zunächst zurückgehen dürfte, wird sich zumindest kurzfristig das Schuldenproblem sogar noch verschärfen", erklärt Thiel. "Aber so hart die Schrumpfkur für die Betroffenen auch ist, mittelfristig gesehen führt daran kein Weg vorbei", meint der Warburg-Ökonom.

Denn Portugals Wirtschaft habe im zurückliegenden Jahrzehnt stark an Wettbewerbsfähigkeit verloren, sagt Commerzbank-Volkswirt Christoph Weil: "Früher hat man in solchen Fällen einfach die Währung abgewertet und hatte dann wieder für ein paar Jahre Luft, aber das geht ja nicht mehr." Auf der anderen Seite habe Portugal die Chancen, die sich durch die Euro-Einführung boten, nicht hinreichend genutzt, so Thiel. Dies müsse jetzt nachgeholt werden.

Die mit dem Hilfspaket für Lissabon verbundenen Zielvorgaben für das Defizit sind jedoch nicht so hart wie die Vorgaben, auf die sich Athen verpflichten musste: Nachdem die Neuverschuldung im Jahr 2010 noch bei 9,1 Prozent des portugiesischen BIPs lag, soll der Fehlbetrag in diesem Jahr auf 5,9 Prozent sinken - zuvor hatte die Regierung sogar ein Defizit von nur 4,6 Prozent angestrebt. "Man hat gewisse Lehren aus der Griechenland-Hilfe gezogen", sagt Weil. Dort hatten die harten Einschnitte zu Massenprotesten geführt.

Im Vergleich zu Griechenland hat Portugal nach Einschätzung von Weil aber ohnehin eine bessere Ausgangsposition, weil der Schuldenstand Ende 2010 nur 93 Prozent des BIPs betrug, nicht 143 Prozent wie bei den Griechen.

Hinzu kommt: Portugal sitzt auf einem Goldschatz von gut 382 Tonnen mit einem aktuellen Wert von bis zu zwölf Milliarden Euro. Gemessen an der Wirtschaftskraft ist das mehr als in jedem anderen Euro-Land. Laut IWF gehört Portugal sogar zu den 15 größten Goldbesitzern der Welt. Aufgebaut wurden diese Reserven hauptsächlich in den Jahren der Diktatur Antonio de Oliveira Salazars (1932-1968). Doch dürfte es nicht so einfach sein, zumindest einen Teil des Schatzes zur Schuldentilgung zu verwenden. Denn für die Verwaltung des Goldes ist die Notenbank zuständig, und deren Gouverneur Carlos Costa hat bislang keine Bereitschaft erkennen lassen, der Regierung mit einem teilweisen oder gänzlichen Verkauf der Goldreserven auszuhelfen.