Der Verkauf startet heute. Händler verzeichnen gigantische Nachfrage. Apple steigt zum teuersten Technologieunternehmen der Welt auf.

Hamburg. Apple überlässt nichts dem Zufall, so wie immer. Heute Morgen um acht Uhr beginnt auch in Deutschland der Erstverkauf des neuen Lesecomputers iPad . Die Markteinführung ist von der Zentrale des Computerkonzerns im kalifornischen Cupertino straff geplant. Die Händler dürfen nicht sagen, wie viele Geräte sie genau bekommen oder wie hoch die Zahl der Vorbestellungen ist. Auch Fotos vom iPad in Apple-Läden oder anderen Verkaufsstellen sind vor der offiziellen Premiere streng verboten, ebenso wie eigene Werbeaktionen der Händler.

Der größte deutsche Apple-Händler Gravis öffnet seine beiden Hamburger Filialen heute schon um acht statt um zehn Uhr. Man erwarte, dass dann bereits Kunden vor Ort seien, heißt es. Seit zwei Monaten bekommt Gravis täglich Anfragen nach dem neuesten Apple-Gerät, das je nach Version zwischen 499 und 799 Euro kostet. Gestern war bis auf eine Attrappe aus Pappe noch kein iPad zu sehen. Sie wurden erst nach Ladenschluss aufgebaut.

"Wir bitten um Verständnis", sagt Georg Albrecht, Sprecher von Apple-Deutschland in München. Welche Verkaufszahlen man für das Gerät erwartet, verrät der Konzern so wenig wie die Höhe der Vorbestellungen in Deutschland.

Geheimniskrämerei und perfektes Marketing heizen die Nachfrage nach dem neuen 700 Gramm leichten Flachcomputer noch einmal mächtig an. In den USA stürmten die Apple-Fans bei der Markteinführung des iPads Anfang April die Läden. Nun geht das iPad in weiteren neun Ländern, darunter Deutschland, an den Start. Und als wäre auch das von den Konzernstrategen geplant, überholte Apple am Mittwoch Microsoft und stieg mit 222 Milliarden Dollar Marktkapitalisierung zum wertvollsten Technologiekonzern der USA auf. Gestern lieferten sich die beiden an der Börse ein Kopf-an-Kopf-Rennen.

Das iPad soll Apple einen neuen Erfolgsschub bringen. Es wird ebenso als Kultgerät vermarktet wie zuvor das Internethandy iPhone, der digitale Musikabspieler iPod und in den 80er-Jahren der Personalcomputer Macintosh. Das iPad ist zum Lesen oder Abspielen von Filmen optimiert und nicht zum Bearbeiten von Dateien. Auch im Geschäft mit den neuen mobilen Lesegeräten will Apple den Maßstab setzen. Verlage wie Axel Springer, der auch das Abendblatt herausgibt, oder der Spiegel-Verlag setzen große Hoffnungen auf das iPad. Neue, auf das Gerät zugeschnittene digitale Angebote sollen das Geschäft mit bezahlpflichtigen Internetinhalten in Schwung bringen.

Für den deutschen Markt erwartet der Fachverband Bitkom in diesem Jahr einen Absatz von rund 500 000 der sogenannten Tablet-PC, getrieben vor allem durch das iPad. "Tablet-PC gibt es schon seit Jahren, jetzt rollen sie den Computermarkt auf", sagt Bitkom-Hauptgeschäftsführer Bernhard Rohleder. Nach einer repräsentativen Umfrage von Bitkom mit Forsa erwägen drei Millionen Deutsche die Anschaffung eines Tabletcomputers. Auch die Apple-Konkurrenten Dell und Hewlett-Packard wollen solche Geräte anbieten.

Der Hamburger Apple-Händler Firstbite in Winterhude verzeichnet starke Nachfrage. Seit der Vorstellung des iPads in Amerika gehen täglich Reservierungen ein. "Wir haben Tausende Vorbestellungen von Kunden und bereits Tausende iPads bei Apple bestellt", sagt Geschäftsführer Gerrit Urban.

Doch er geht davon aus, dass ihm am ersten Verkaufstag in Deutschland maximal 20 bis 30 Geräte geliefert werden. "Alle Geräte, die wir am Freitag verkaufen werden, sind seit Wochen vorbestellt und vergriffen. Damit sind wir praktisch fünf Minuten nach Ladenöffnung ausverkauft." Wann Firstbite die nächste Lieferung erhält, sei unklar. Auch nicht, wie viele Geräte der Händler dann bekommt. Selbst die iPads für den ersten Verkaufstag waren am Vortag noch nicht angeliefert worden.

Auch der Apple-Händler Macro Computersysteme in Eimsbüttel will heute seine Vorbestellungen abarbeiten. "Wir werden aber auch rund 50 Geräte für den freien Verkauf haben", sagte Geschäftsführer Dirk Schaumann.

Experten gehen davon aus, dass in Hamburg nur einige Tausend Geräte zum Verkauf zur Verfügung stehen. Bei Media Markt und Saturn gibt man sich gelassen: "Wir rechnen mit einem großen Interesse, aber das in geordneten Bahnen", sagt eine Unternehmenssprecherin. Die Geräte sind schon seit Tagen im Markt und kommen heute in den Verkauf. Als sicher gilt in Branchenkreisen, dass das Unternehmen gern mehr Geräte bekommen hätte. Wie lange diejenigen auf Lager reichen, wollte die Sprecherin nicht abschätzen. Wie viele Geräte ein Kunde erwerben kann, bleibt den Geschäftsführern überlassen. Ob das ein oder drei iPads sind, muss jeder Händler selbst entscheiden.

Nicht alle Händler sind gut auf Apple zu sprechen. "Wir können heute kein einziges iPad verkaufen, obwohl wir viele Anfragen hatten", sagt ein autorisierter Hamburger Händler. "Wir wissen auch nicht, wann wir erstmals Geräte verkaufen können." Bevorzugt würden die großen Ketten und spezielle Händler von Apple wie Gravis. "Damit muss man sich abfinden", klagt der Händler. "Selbst wenn ein neues Gerät herauskommt, erfahren wir das nicht von Apple, sondern aus den Medien."

Bei den Kunden hingegen wächst die Ungeduld, endlich an den begehrten Flachcomputer heranzukommen. Schon seit Mittwoch gehen bei Rudolf Zima SMS-Botschaften von seinem Sohn Patrick ein. Der Vater, auf Urlaub in Hamburg, solle in jedem Fall ein iPad mit nach Österreich bringen. Beim Händler Gravis in der Innenstadt musste sich Zima gestern jedoch noch gedulden und vorerst mit einem iPad aus Pappe vorlieb nehmen. "Ich werde morgen deutlich vor der Ladenöffnung hier sein", versprach Zima. "Und dann nehme ich in jedem Fall ein iPad mit."