OECD hebt Wachstumsprognose für 31 Staaten an. Euro-Länder sollen 2010 um 1,2 Prozent wachsen, Deutschland um 1,9 Prozent

Hamburg. Die aktuelle Lage ist offenbar deutlich besser als die allgemeine Stimmung. Während deutsche Verbraucher angesichts steigender Staatsschulden immer sorgenvoller in die Zukunft blicken, hat die Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit (OECD) ihre Prognose für die Entwicklung in den Industrieländern deutlich angehoben. Die Wirtschaft kommt weltweit schneller als erwartet aus dem tiefsten Konjunkturtal der Nachkriegsgeschichte, schreibt die OECD in ihrem aktuellen Wirtschaftsausblick, der gestern in Paris vorgelegt wurde.

Für die 31 OECD-Länder erwarten die Ökonomen für dieses Jahr ein Wachstum von real 2,7 Prozent, für 2011 sogar einen Anstieg von 2,8 Prozent. Im November hatten die Experten lediglich ein Wachstum von 1,9 Prozent für 2010 prognostiziert.

Entgegen den Ängsten vieler Menschen, die einen kräftigen Inflationsschub im Zuge des staatlichen Schuldenabbaus befürchten, sagt die OECD stabile Preise voraus. Auf dem Arbeitsmarkt ist weltweit dagegen noch keine Entspannung in Sicht. Der Aufschwung gehe am Arbeitsmarkt vorbei und werde zudem von der akuten Euro- und Schuldenkrise gefährdet. Allein in den vergangenen zwei Jahren ist die Zahl der Arbeitslosen in den OECD-Ländern um 16 Millionen gestiegen - und hat mit einer Quote von durchschnittlich 8,5 Prozent ihren Höchststand erreicht.

Schwellenländer bringen Welthandel in Schwung

Der Welthandel kommt vor allem durch die steigende Nachfrage der Schwellenländer in Schwung. Starkes Wachstum erwartet die OECD vor allem für China und Indien, aber auch für Brasilien. Sie tragen maßgeblich dazu bei, andere Länder aus der Rezession zu ziehen, sagte OECD-Generalsekretär Angel Gurria bei der Präsentation der Studie. So kann China in diesem Jahr wieder mit stolzen 11,1 Prozent und 2011 mit 9,7 Prozent Wachstum rechnen. Indien treibt mit 8,3 und 8,5 Prozent ebenfalls das Schwungrad an. Für Brasilien geht die OECD in diesem Jahr von 6,5 Prozent, für Russland immerhin von 5,5 Prozent Wachstum aus.

Selbst für die USA wird nach dem tiefen Wirtschaftseinbruch für dieses und nächstes Jahr wieder mit einem Wachstum von 3,2 Prozent gerechnet. Auch Japan erwartet nach einem Vorjahreseinbruch um 5,2 Prozent eine Erholung von drei Prozent.

Dagegen nehmen sich die Zuwachsraten für die Euro-Länder mit 1,2 Prozent für dieses Jahr eher bescheiden aus. Deutschland kann wiederum dank anziehender Exporte im laufenden Jahr mit 1,9 Prozent und 2011 sogar mit 2,1 Prozent Wachstum rechnen. Das reiche aber nicht aus, um den Einbruch um 4,9 Prozent im Jahr 2009 wettzumachen, heben die OECD-Experten hervor. Der private Konsum dürfte in diesem Jahr sogar schrumpfen. Die Arbeitslosigkeit werde - gemessen an den Standards der Internationalen Arbeitsorganisation ILO - 2010 um 0,2 Prozentpunkte auf 7,6 Prozent steigen und 2011 sogar acht Prozent erreichen.

HWWI will ebenfalls Konjunkturprognose anheben

Auch das Hamburgische WeltWirtschaftsInstitut (HWWI) geht davon aus, demnächst seine Wachstumsprognose für Deutschland leicht anzuheben. Bisher erwartet das HWWI für dieses Jahr ein Wachstum von 1,5 Prozent, für 2011 zwei Prozent. Auch aus der Hamburger Industrie kommen wieder positive Signale. Die Umsätze der 222 größeren Industriebetriebe in der Hansestadt kletterten im ersten Quartal um 26 Prozent auf knapp 16 Milliarden Euro, teilte das Statistische Amt mit. Maßgeblich dafür ist allerdings ein Umsatzsprung von mehr als 40 Prozent bei der mineralölverarbeitenden Industrie, die mehr als die Hälfte der Gesamtbranche ausmacht. In der Hamburger Industrie arbeiten 74 500 Beschäftigte, das sind 2,4 Prozent weniger als vor einem Jahr.

Die hohe Staatsverschuldung bezeichnet die OECD unterdessen als ein "ernstes Risiko". Die Experten mahnen die Staaten deshalb zur Haushaltsdisziplin. Laufende Konjunkturprogramme müssten spätestens 2011 auslaufen. Auch nach Einschätzung der Bundesbank bedroht die Euro-Krise den Aufschwung. Schuldensünder seien gefordert, "eine glaubwürdige Konsolidierungsstrategie entschlossen umzusetzen und in ein gesamtwirtschaftliches Reformpaket einzubetten", heißt es im aktuellen Monatsbericht. "Vertrauen in stabile und verlässliche Rahmenbedingungen in der EU sind nicht zuletzt eine wichtige Basis für die Absicherung der Erholung der Weltwirtschaft."