Potenzieller Investor verlangt weitere Zugeständnisse. Die Gewerkschaft spricht von Blankoscheck für Kündigungen bei Karstadt.

Hamburg. Die Krisenstimmung zerrt an den Nerven. Immer wieder fragen besorgte Karstadt-Kunden die Verkäufer nach Neuigkeiten. Immer wieder lautet die Antwort: "Wir wissen auch nichts." Seit Monaten herrsche in den Filialen eine "gespannt abwartende Atmosphäre", berichtet der Harburger Betriebsrat Michael Richter. "Der eine zeigt die Sorge um den Job mehr, der andere weniger - aber verrückt machen sich alle."

Es ist ja auch zum Verrücktwerden. Die Rettung der insolventen Warenhauskette scheint wie eine Fahrt mit einem morschen Schiff, in das immer wieder Wasser eindringt. Das größte Leck: Der Investor Triton beharrt auf weiteren Zugeständnissen seitens der Beschäftigten - über die 150 Millionen Euro hinaus, die im Sanierungstarifvertrag bis 2011 festgeschrieben sind. "Wenn kein konstruktives Engagement auf Arbeitnehmerseite erkennbar wird, ist unser Konzept zur Sanierung hinfällig", sagte Triton-Sprecher Max Hohenberg. Der Investor will verlustbringende Sortimente mit 5000 Beschäftigten an Fremdfirmen abgeben, Stellen abbauen, die Gehälter fünf Jahre länger senken als geplant, ein Provisionsmodell einführen. Auf der anderen Seite locken Investitionen von 428 Millionen Euro in fünf Jahren - und damit eine Zukunft für die Traditionskette, die seit fast einem Jahrzehnt kriselt.

Dennoch bleibt die Gewerkschaft Ver.di , die für die Arbeitnehmer am Verhandlungstisch sitzt, hart. "Triton möchte einen Blankoscheck für betriebsbedingte Kündigungen", sagte Ver.di-Sprecherin Cornelia Haß dem Abendblatt. "Beim Thema Beschäftigungssicherung können wir aber keine Abstriche machen." Zudem hätten die Beschäftigten seit 2004 bereits auf Gehälter in Höhe von 488 Millionen Euro verzichtet, um ihre Jobs zu retten.

Zwar versicherten beide Seiten dem Abendblatt, man wolle sich Gesprächsangeboten nicht verschließen - ein weiteres Treffen ist aber nicht geplant. In den Karstadt-Häusern wird bereits Kritik an Ver.dis hartem Kurs laut. "Viele würden weitere Einschnitte hinnehmen, so lange wir nur unsere Jobs behalten", sagt ein Beschäftigter. Ein kleiner Trost: Laut Insolvenzverwaltung gibt es mittlerweile zwei weitere Interessenten, die aber noch kein Angebot vorgelegt haben.

Lange kann sich Karstadt ohne Kompromisse nicht mehr über Wasser halten. Die Zeit drängt: Der Sanierungsplan von Insolvenzverwalter Klaus Hubert Görg sieht bis zum 28. Mai eine Unterschrift unter den Kaufvertrag vor, damit das Amtsgericht Essen am 31. Mai den Insolvenzplan beschließen kann.

Dieser wichtige Schritt zum Fortbestand der Warenhäuser als Kette hängt aber auch von 94 deutschen Kommunen ab, die in diesen Tagen über einen Steuererlass für Karstadt beraten. Es handelt sich um eine Art fiktive Gewerbesteuer, die fällig wird, sollte Karstadt durch den Verzicht der Gläubiger auf dem Papier schwarze Zahlen schreiben. Stimmen weniger als 90 der klammen Kommunen dem Verzicht auf 140 Millionen Euro zu, platzt der Insolvenzplan.

Die meisten Städte haben laut Insolvenzverwalter einen positiven Bescheid signalisiert. In Dresden und 13 weiteren Städten muss allerdings noch abgestimmt werden. Duisburg hatte sogar bereits gegen den Steuererlass votiert, will aber nach einer Protestwelle erneut beraten. Die Zustimmung der Kommunen muss bis zum 25. Mai schriftlich beim Insolvenzverwalter vorliegen.

Nicht nur angesichts des engen Zeitplans bezweifeln Branchenexperten, dass die Rettung der maroden Kette als Ganzes gelingen kann. "Ich gehe nicht davon aus, dass es jetzt zum Verkauf kommt", sagt Handelsexperte Thomas Roeb dem Abendblatt. "Die langfristige Zukunftssicherung von Karstadt erfordert weitere erhebliche Zugeständnisse von Vermietern und Mitarbeitern, für die momentan die Zeit noch nicht reif zu sein scheint."

Scheitert der Verkauf und damit auch der Insolvenzplan, droht Karstadt ein massiver Jobabbau und die Schließung einzelner Häuser. Davon wären in Hamburg mehrere Stadtteile betroffen, in denen kleinere Geschäfte vom Kundenstrom in die Karstadt-Filialen profitieren. "Die Warenhäuser sind unverzichtbar - ohne sie würden die Bezirkszentren Kaufkraft und Bedeutung verlieren", sagt Ulf Kalkmann vom Hamburger Einzelhandelsverband. "Wenn Karstadt in Harburg schließt, fahren Kunden aus Niedersachsen eher nach Stade oder Winsen statt zur Mönckebergstraße. Das schwächt Hamburg." Auch kleine Geschäfte an der Osterstraße profitieren laut Kalkmann von der Eimsbütteler Filiale: "Das Haus wirkt wie ein Kundenmagnet."