Die US-Wirtschaft, Ausgangspunkt der großen Krise, wird viele ihrer Probleme nicht los. Die Amerikaner fürchten einen Absturz des Euro.

Hamburg. Bei der Rettung des Euro hatten Europas Regierungspolitiker und Notenbanker in der zurückliegenden Woche höchst aufmerksame Souffleure. Die US-Regierung und Präsident Barack Obama persönlich haben in jüngster Zeit offenbar immer wieder interveniert, vor allem bei Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU), um die Euro-Staaten zur gemeinsamen Stützung der europäischen Währung zu drängen.

Die Amerikaner fürchten, ein Absturz des Euro werde die Weltwirtschaft noch härter treffen als die zurückliegende Rezession. "Die Euro-Zone steht vor dem Problem der Auflösung", sagte Paul Volcker, der frühere Chef der US-Notenbank Federal Reserve und heutige Berater Obamas, in London. Er hoffe, dass die kritische Lage "durch ein wirtschaftlich und politisch stärker integriertes Europa" gelöst werde.

Im Katastrophenzirkus der internationalen Wirtschaft bespielt Europa derzeit ohne Zweifel die Hauptbühne. In Vergessenheit gerät dabei, dass die Weltwirtschaftskrise in den USA seit Ende 2007 ihren Ausgang nahm, weil dort eine gewaltige Blase am Immobilienmarkt geplatzt war. Und auch deshalb, weil vor allem amerikanische Investmentbanken wie Lehman Brothers diese Blase jahrelang mit wertlosen "Wertpapieren" aufgebläht hatten.

Die amerikanische Regierung und die US-Notenbank griffen seit 2007 als Erste massiv in das Geschehen ein, sie pumpten Hunderte Milliarden Dollar an Liquidität und Konjunkturmitteln in den Markt, um einen Kollaps der US-Wirtschaft und des internationalen Finanzmarktes zu verhindern. Die Europäer folgten später mit riesigen Paketen zur Stützung ihrer eigenen Banken - und nun mit einer Rettungsaktion für den gesamten Euro-Raum.

Die USA, so scheint es, habe die Krise deutlich eher und besser überwunden als Europa. Für dieses Jahr werden jenseits des Atlantiks drei Prozent Wachstum erwartet. Allerdings haben die Vereinigten Staaten, die mit Abstand größte Volkswirtschaft der Welt, bislang keines ihrer strukturellen Probleme überwunden: eine extrem hohe Quote von 70 Prozent Konsumausgaben am Bruttoinlandsprodukt. Staatsschulden von 12,8 Billionen Dollar, das entspricht rund 94 Prozent des Bruttoinlandsprodukts - in der Euro-Zone werden es 2010 rund 84 Prozent sein. Ein Haushaltsdefizit von in diesem Jahr voraussichtlich rund 1,4 Billionen Dollar und ein wachsendes Außenhandelsdefizit vor allem mit China. Hinzu kommt eine schwindende Konkurrenzfähigkeit in vielen Industriebranchen, wie etwa der Automobilwirtschaft.

Auch die Arbeitslosigkeit von mehr als neun Prozent belastet das Land. Das Wachstum der vergangenen Quartale brachte am US-Arbeitsmarkt keine Trendwende, mehr als acht Millionen Arbeitsplätze hat die Rezession dort in den vergangenen Jahren vernichtet. "Die USA erleben einen blutleeren Aufschwung", sagt der US-Ökonom Nouriel Roubini, der vor einer Weltfinanzmarktkrise frühzeitig gewarnt hatte.

Die Amerikaner konsumieren, die Asiaten und die Europäer liefern den Nachschub, und die Chinesen bezahlen das alles, indem sie von ihrem riesigen Exportüberschuss immer wieder neue US-Staatsanleihen kaufen und damit den Basar in Schwung halten. Ob dieses Modell Zukunft hat, ist mehr als fraglich: "Ich sehe nicht, dass Amerika so bald wieder die Lokomotive der Weltwirtschaft sein wird", sagt der Hamburger Wirtschaftsprofessor Karl-Werner Hansmann. "Die Amerikaner werden ihren konsumorientierten Lebensstil nicht ändern. Zurzeit fehlt ihnen aber für den Konsum das Fundament früherer Jahre: Die Preise für Häuser sind nach wie vor niedrig, die Schulden der Privathaushalte hoch." Viele Banken misstrauen ihren Kunden und geben mittlerweile nur noch nicht-überziehbare "pre-paid"-Kreditkarten aus.

Dossier: Die Euro-Krise

In vielen Branchen haben amerikanische Unternehmen während der vergangenen Jahrzehnte ihre Konkurrenzfähigkeit verloren, mehr und mehr wurde das Land zu einem riesigen Absatzmarkt für importierte Güter. Auch die Infrastruktur verfiel. Amerikanische Strom-, aber auch Telefonnetze gelten vielerorts als völlig veraltet und unzuverlässig. Nach den großflächigen Stromausfällen im Sommer 2003 sagte Bill Richardson, in den 90er-Jahren Energieminister bei Präsident Bill Clinton: "Wir sind eine Supermacht mit dem Stromnetz eines Dritte-Welt-Landes."

Gerade diese selbst gewählte Rückständigkeit allerdings sieht Professor Thomas Straubhaar als Grundlage für einen neuen Boom. Der Leiter des Hamburgischen WeltWirtschaftsInstituts (HWWI) verbringt derzeit einen Forschungsaufenthalt an der Transatlantic Academy in Washington DC und registriert allerorten den Willen zur Erneuerung: "Der Nachholbedarf bei der amerikanischen Infrastruktur ist gewaltig. Hier besteht eine sehr große Nachfrage, die Arbeitsplätze schafft und die zu den Wachstumskräften wird, die die USA voranbringen."