Georg Funke hat die Hypo Real Estate in die Krise gewirtschaftet. Nun will er Gehaltsnachzahlungen einklagen. Geschädigte Aktionäre sind empört

München. Ulrike Struzek appelliert an den Anstand des Bankers. "Was er fordert, das ist absurd", findet die streitbare Ex-Aktionärin der Münchner Skandalbank Hypo Real Estate (HRE). "Er" ist der ehemalige HRE-Chef Georg Funke, die personifizierte Bankenkrise. Sein Institut ist verstaatlicht, mit in der Spitze 102 Milliarden Euro Steuerzahlergeld vor dem Untergang gerettet. Die Münchner Staatsanwaltschaft ermittelt gegen ihn und andere Ex-Banker wegen Untreue. Gegen die HRE laufen Schadenersatzklagen in Milliardenhöhe.

Nun geht es in Sachen Funke und seine Mitstreiter vor den Kadi. Am heutigen Donnerstag vor dem Landgericht München sind Funke und seine Ex-Kollegen Markus Fell und Frank Lamby aber nicht die Beklagten, sondern die Kläger.

"Er fordert 3,5 Millionen Euro Gehaltsnachzahlung für das Missmanagement seinerseits", empört sich Struzek über den ehemaligen HRE-Chef. Der solle seine Verfehlungen bekennen, statt jetzt zu klagen. Ihr Rechtsempfinden ist erkennbar verletzt. Die von Anwälten ausgetauschten Akten sind dagegen frei jeder Emotion. Einen wichtigen Grund zur Kündigung habe es nicht gegeben, behaupten die Klägeranwälte. Deswegen stehe den am Tag vor Weihnachten 2008 gekündigten Funke, Fell und Lamby das seitdem und bis zum Ende ihrer Vertragslaufzeiten entgangene Gehalt zu. Das wären in der Summe 5,5 Millionen Euro plus künftige Pensionszahlungen - allein für Funke machen sie 560.000 Euro per annum aus.

Über diese Sicht der Dinge entrüstet sich nicht nur Struzek. Wirtschaftsprofessor Joachim Schwalbach bescheinigt Funke "völligen Realitätsverlust". Nicht einmal eine Spur von Moral können Aktionärsschützer mehr erkennen. "Der Mann hat eine Bank gegen die Wand gefahren", stellte SPD-Fraktionschef Frank-Walter Steinmeier bei der Klageerhebung Funkes vor einem Jahr konsterniert fest, als er noch Vizekanzler war. Sie mache ihn wütend. Er dürfte dem politischen Berlin aus der Seele sprechen. Jetzt aber sprechen Gerichte.

Das Bankertrio hat einen sogenannten Urkundenprozess auf den Weg gebracht. Dabei werden nur Dokumente wie der Vorstandsvertrag eingebracht und keine Zeugen vernommen, erklärt ein Sprecher des Gerichts. Sinn dieses Klagewegs sei es, rasch zu Geld zu kommen, auch wenn das Urteil nur vorläufig sei. Die Kläger müssen zudem nicht selbst vor Gericht erscheinen, was Funke und Co wegen der Ressentiments gegen sie tunlichst vermeiden wollen. Erst im Falle eines Nachverfahrens und weiterer Klageinstanzen würden Sachverständige oder Zeugen einberufen.

Beklagte Partei ist die HRE. Deren Anwälte wollen beweisen, dass Funke und seine Ex-Kollegen seinerzeit zu Recht entlassen worden sind. Das könnte heikel werden. Denn die HRE muss ihren Vorständen grobes Missmanagement in den Zeiten des Absturzes der HRE nachweisen. Solche Verfehlungen, etwa in Form von irreführenden Mitteilungen über die Lage der Bank, haben streitbare Aktionäre aber zum Gegenstand ihrer Schadenersatzklagen gegen die Skandalbank gemacht. In diesen Fällen bestreitet die Bank alle Vorwürfe und sieht keine Regresspflicht.

"Es handelt sich um unterschiedliche Fragestellungen", sagt ein HRE-Sprecher und verweist für Details auf den Prozess. Ein Jurist versucht eine Erklärung. "Wenn jemand goldene Löffel klaut, hat er nicht automatisch gegen Berichtspflichten verstoßen." Die HRE wirft den früheren Managern natürlich nicht vor, Goldlöffel gestohlen zu haben. Dem Vernehmen nach wollen sie den Gekündigten Pflichtverletzungen mit Blick auf das desaströse HRE-Liquiditätsmanagement und beim Kauf der irischen Depfa-Bank nachweisen. Die gilt als Auslöser für die HRE-Talfahrt.

"Wir werden genau zuhören, wie die HRE-Anwälte argumentieren", sagt Janos Morlin. Er ist Anwalt von Ex-Aktionären, die gegen die HRE klagen. Eigentlich könne nur eines stimmen, so Morlin: Entweder hat Funke pflichtwidrig gehandelt oder nicht. War die Kündigung von Funke rechtens, müsse die HRE auch schadenersatzpflichtig sein, will Morlin damit sagen. Auch Ulrike Struzek lauert. "Vielleicht sagen die HRE-Anwälte etwas, das uns nützt", hofft sie.