Berlin. Auf der Internet-Konferenz „re:publica“ geht es auch um die Arbeit der Zukunft. Es gibt viele Fragen – und nicht auf jede eine Antwort.

Die Digitalisierung wird die Arbeitswelt in einem Ausmaß verändern, das nur mit der Entwicklung der ersten industriellen Revolution vergleichbar ist. Wie im 19. Jahrhundert wird die Arbeitskraft des Menschen immer öfter ersetzt, diesmal durch Automaten, Software oder Roboter. Wie damals dürften damit viele Jobs verloren gehen. 60 Prozent der Arbeitsplätze in Deutschland seien in Gefahr, lautete etwa die These der Deutschlandchefin des US-Softwarekonzerns Microsoft, Sabine Bendiek, zum Auftakt der zehnten „re:publica“-Konferenz in Berlin.

Allerdings ist dieser Gedanke stark umstritten: Die Prognosen gehen weit auseinander. Klaus Dörre, Soziologie-Professor der Universität Jena, sagt auf der Konferenz zur digitalen Gesellschaft: „Nicht alles, was technisch möglich erscheint, wird auch gemacht.“

Lastwagen ohne Fahrer?

Was bei der Digitalisierung der Arbeitswelt tatsächlich auf die Gesellschaft zukommt, lässt sich oft nur erahnen. Werden die Fabriken noch mehr entvölkert? Laufen die Bänder von Volkswagen und Daimler bald ausschließlich mit Robotern? Und sitzen in Lastwagen bald keine Fahrer mehr?

Auch Bereiche der Wirtschaft, in denen Rationalisierungen heute unwahrscheinlich erscheinen, könnten betroffen sein. Im Gesundheitswesen etwa nehmen manche Firmen und Wissenschaftler an, dass viele Patienten bald nicht mehr zum Arzt gehen, sondern ihre Behandlung von Computern per Internet zugewiesen bekommen. An den Universitäten ersetzen automatisierte Onlinekurse vielleicht die Vorlesungen der Professoren für ihre Studenten. „Die Arbeit verändert sich, und der Trend wird sich beschleunigen“, so Microsoft-Managerin Bendiek.

Auswirkungen lassen sich nicht abschätzen

Die konkreten Auswirkungen lassen sich jedoch noch nicht abschätzen. Wird die Arbeitslosigkeit zunehmen oder sinken? Da helfen nur klassische Wirtschaftstheorien: Einerseits werde der technische Fortschritt Arbeitsplätze kosten, weil dank besserer Technik weniger Menschen mehr Produkte fertigen. Andererseits entwickeln die Menschen neue Bedürfnisse, es entstehen neue Märkte – und mehr Wohlstand ermöglicht mehr Konsum. Dieses Wachstum schaffte zusätzliche Stellen.

Und die Zukunft ist gestaltbar. Unter anderem deshalb warnt Soziologe Klaus Dörre vor Dramatisierung und Fatalismus. Er bezweifelt die These, dass die Hälfte der Arbeitsplätze in Industrieländern gefährdet seien. „Wir haben Optionen. Die meisten Bürger lehnen es vermutlich ab, dass sie im Altenheim von Robotern versorgt werden.“ Sabine Pfeiffer, Soziologie-Professorin an der Uni Hohenheim, sieht das ähnlich. Drei Viertel der Beschäftigten in Deutschland seien durch Ausbildung und Arbeitspraxis in der Lage, die Digitalisierung zu bewältigen.

Trotzdem muss man sich darauf einstellen, dass die Technik die Arbeitswelt verändern wird. Bundesarbeitsministerin Andrea Nahles (SPD) geht am Dienstag bei der „re:publica“ der Frage nach, in welcher digitalen Arbeitswelt die Gesellschaft leben will. Ihr Ministerium beschäftigt sich intensiv mit dem Wandel der Beschäftigungsverhältnisse („Arbeit 4.0“). Ein Ergebnis: Millionen Stellen würden nicht verschwinden, sondern sich verändern. Und es gebe Millionen Arbeitnehmer, die diesem Wandel gewachsen seien.

Gewerkschaftsnahe Stiftung klagt: „Moderne Sklaverei“

Dieser Befund passt zu dem, was Microsoft-Managerin Bendiek sagt. Sie sei überzeugt, dass es immer große Chancen für die Menschen geben werde und die Arbeit immer interessanter werden wird. Die gewerkschaftsnahe Hans-Böckler-Stiftung warnt jedoch vor Schönfärberei. Für manche Bereiche der digitalen Arbeitswelt sei eher der Begriff „moderne Sklaverei“ angebracht.

Damit könnten etwa Fahrer des Taxidienstes Uber gemeint sein, die 13 Stunden am Tag unterwegs seien, und doch nur das Nötigste verdienten. Oder Bürger, die sich steigende Mieten nur noch leisten können, wenn sie Zimmer über die Onlineplattform Airbnb untervermieten. Solche Arbeitsformen oder prekäre Jobs in der traditionellen Industrie werfen laut Ministerin Nahles die Frage nach der Notwendigkeit neuer sozialer Sicherung auf.