Washington. Sein Magazin „Playboy“ war ein Skandal. Nun ist Hugh Hefner gestorben. Er war nicht nur Lebemann, sondern Kämpfer gegen Bigotterie.

„Das Leben ist zu kurz, um den Traum anderer zu leben.“ Am Tag nach dem Tod von Hugh Hefner, der am späten Mittwochabend friedlich im Kreis seiner Familie in seiner 29-Zimmer-Villa in Hollywood entschlief, entfaltet das Lebensmotto des 91-jährigen „Playboy“-Gründers erst seine ganze Kraft. Hefner entschied sich früh für den anderen Weg. Indem er Träume verkaufte, vorzugsweise die von Männern, erfüllte sich der in religiös beengten Verhältnissen in Chicago aufgewachsene Sohn eines Buchhalters und einer Hausfrau seinen ureigenen amerikanischen Traum.

Pionier. Tabubrecher. Wegbereiter der sexuellen Revolution. Macho. Party-Hengst. Lenden-Legende. Pantoffelheld. Frauenschwarm. Lustgreis – an Etiketten, die man dem studierten, hochintelligenten Psychologen (IQ 152) anheftete, hat es nie gemangelt. Dass Hefner ähnlich wie Professor Alfred Kinsey zur sexuellen Befreiung im stickigen Nachkriegsamerika beigetragen hat, daran besteht kein Zweifel. Ebenso gilt sein Engagement gegen Unterdrückung, Ausgrenzung und Benachteiligung als vorbildlich. Die „Playboy“-Stiftung übernahm bei spektakulären Prozessen, in denen es um Pressefreiheit oder bigotte Sexualgesetze ging, oft die Anwaltskosten.

Spärlich bekleidete Marilyn Monroe im ersten Heft

Der Herrscher im Häschenreich fing ganz klein an. Mit 8000 zusammengeliehenen Dollar (1000 davon von Frau Mama) schnippelte sich der gelernte Werbetexter und Kunstverständige nach einem kurzen Ausflug ins Militär 1953 mithilfe von gekauften Kalenderfotos die erste Ausgabe des „Playboy“ zurecht. Im Innenteil weibliche Ausklappware, wie man sie so noch nie gesehen hatte: die spärlich bekleidete Marilyn Monroe. Jene blonde Hollywood-Diva, neben der Hefner in den nächsten Tagen seine letzte Ruhe finden wird. Schon vor Jahren erwarb er auf dem Promi-Friedhof in Westwood die Gruft neben ihrem Grab.

In seinen besten Zeiten, um 1970, zog der „Playboy“ als publizistisches Sturmgeschütz gegen Puritanismus und Prüderie allein in den Vereinigten Staaten sieben Millionen Kunden an die Kioske. Es war die einzigartige Mischung aus hochwertiger, wenn auch stereotyper Aktfotografie (schwerpunktmäßig blond, vollbusig, glattretuschiert wie ein Babypopo), anspruchsvollen Artikeln (Norman Mailer, Jean-Paul Sartre, Kurt Vonnegut, Vladimir Nabokov), ultralangen Interviews (Jassir Arafat, Fidel Castro), zotigen Herrenwitzen, Lifestyle-Empfehlungen von Alkoholika bis Rennwagen und Ratschlägen für den Umgang mit Frauen, die dem Heft sein Alleinstellungsmerkmal verschaffte.

Internet ließ Magazin irgendwann spießig aussehen

Zu den herausragenden Nachrichten, die das Blatt produzierte, gehörte die Beichte des aus dem gottesfürchtigen Georgia stammenden Präsidenten Jimmy Carter. Er offenbarte dem „Playboy“, bei Kopfkinobesuchen mehr als einmal die Ehe gebrochen zu haben. Aus der Zeitschrift erwuchs ein weltumspannendes Imperium. Mit Restaurants, Kasinos, Hotels, Verlagen, Modeartikeln und anderen Lizenzprodukten, stets zu erkennen am „Bunny“-Logo, scheffelte der politisch den Demokraten zugehörige Hefner Millionen.

Weil das Internet die Demarkationslinie zwischen sexy und sexistisch (und pornografisch) immer mehr verschob, verlor der „Playboy“ spätestens in den 90er-Jahren dramatisch an Relevanz und Auflage. „Aus Avantgarde“, so schrieb ein Kritiker in New York, wurde mit der Zeit „oft abgestandene Spießigkeit“. Nur Hefner erfand sich dank Viagra immer wieder neu und blieb in den Schlagzeilen. Bis ins geriatrische Alter gab er den wollüstigen Lebemann im rot-seidenen Pyjama. Seine dritte Gattin Crystal war fast 60 Jahre jünger. Nach seinem Vermächtnis befragt, sagte der Vater von vier erwachsenen Kindern einmal: „Jeder würde einen Mord begehen, um so zu leben wie ich.“