Köln. Die Schauspielerin und Sängerin Anna Loos ist derzeit mit der Band Silly auf Tournee. Ein Gespräch über Alltag, Politik und Bananen.

Anna Loos ist eine Frau der klaren Ansage. 20 Minuten hätten wir für unser Gespräch über Sillys Deutschland-Tour mit dem neuen Album „Wutfänger“. Punkt. Ganz klar, der Tag der 45-jährigen Schauspielerin, Sängerin und Mutter ist durchorganisiert. Bandkollege Ritchie Barton sitzt neben ihr und lässt sie machen. Die Band ist derzeit auf Tour, am heutigen Samstag spielt sie im Kölner E-Werk.

Als ich den Song „Wutfänger“ hörte, ging es mir so, dass ich sofort „Wutbürger“ assoziierte. Wie politisch will Silly sein mit den Songs?

Anna Loos: Mit Wutbürger hat „Wutfänger“ nun gar nichts zu tun. Ein Wutfänger ist jemand, der die Wut fängt. Es geht um Extremismus – und der existiert schon seit vielen Jahrzehnten. Ich wehre mich dagegen, eine Bedienungsanleitung zu den Songs zu geben. In jedem Kopf passiert etwas anderes, aus jedem Liebesbrief macht ja auch jeder etwas anderes.

Ritchie Barton: Die Songs sollen die Fantasie des Zuhörers beflügeln.

Den Großteil der Texte haben Sie geschrieben. Wie stelle ich mir das vor, eine Anna Loos zu Hause am Küchentisch, die schreibt?

Loos: Ja, am Küchentisch sitze ich auch mal. Wir arbeiten eng zusammen, das haben wir bei „Alles Rot“ schon versucht. Doch dann habe ich gesagt, bei meinem ersten Album konzentriere ich mich lieber auf das Singen.

Ich habe im Keller ein kleines Studio, da sitzen wir oft die Nächte durch. Bei gutem Wetter geht es auch mal auf die Terrasse, mal ins Wohnzimmer. Oder wir sitzen bei Ritchie zu Hause am Klavier. Am Ende landen wir natürlich im Studio, dort wird produziert.

Wie schaffen Sie den Spagat zwischen Schauspielerei, dem Musikmachen und der Familie? Zumal Ihr Ehemann Jan Josef Liefers auch oft unterwegs sein dürfte?

Loos: Manchmal leidet das eine unter dem anderen, klar, meistens leidet allerdings mein Schlaf. Aber meine Mutter hat es auch geschafft, sie kommt aus dem Osten, war Oberschwester, hatte zwei Kinder, ein Haus und einen Haushalt.

Mein Vater hat viel gearbeitet. Ich sehe die Familie als Kleinunternehmen, das man organisieren muss. Und ich bin gut organisiert. Ohne unsere Eltern würde es wohl nicht gehen. Wenn wir beide weg sind, und nicht immer kann man nach Hause kommen, – dann müssen meine Eltern ran fürs Herz.

Im neuen Album klingen viele heiße Themen an wie Krieg, Missgunst, Geld, Abschied.

Loos: Es ist nicht so, dass wir uns konkrete Themen für das Album vornehmen. Wir verbringen viel Zeit mit reden. Wir haben alle Kinder, auch kleine Kinder, haben den täglichen Alltagswahnsinn um uns herum und schauen uns die Welt an. Mittlerweile ist die Band wie eine Familie, wir reden über das, was uns beschäftigt, werten das aus, fragen, was der andere denkt. So kristallisieren sich unsere Themen heraus.

Wie stark wird Politik denn bei Ihnen zu Hause diskutiert?

Loos: Schon sehr stark. Bei uns allen. Unsere Kinder gehen auf die internationale Schule, dort ist die ganze Welt versammelt. Wir sind anders aufgewachsen. In der DDR gab es das Problem, dass wir nicht reisen durften, Bananen gab es auch nicht.

Heute haben die Kinder ganz andere Probleme. Dieser Satz „Es wird niemals Krieg geben in unserem Europa“ ist heute nicht mehr selbstverständlich. Natürlich gab es damals diese extreme Kalte-Krieg-Phase, da war es kipplig.

Silly ist für viele die Ostrockband. Dabei spielt Silly mit 20 Jahren länger im Westen als im Osten.

Loos: Ach, es stört nicht. Ich liebe den Osten, ich liebe Brandenburg, große Teile der Familie leben da noch. Ich bin sehr heimatverbunden. Die Zeit in der DDR hat uns auch im positiven Sinn geprägt. Im Gegensatz zum heutigen Optimierungswahn schaffen wir es manchmal, uns zurückzulehnen und zu fragen: Was brauchst du tatsächlich zum Leben? Was bedeutet dieser luxuriöse Überfluss? Darüber muss man doch mal nachdenken. Ich bezeichne mich als Wossi, ich habe 17 Jahre im Osten gelebt, den Rest in Gesamtdeutschland.