Essen. Benedict Cumberbatch (45) ist derzeit in einem Western auf der Leinwand zu sehen. Im Interview spricht er über toxische Männlichkeit.

Dank Serien wie „Sherlock Holmes“ und als Marvel-Held „Dr. Strange“ gilt Benedict Cumberbatch längst als Kultdarsteller. Diesen Ruf hat sich der 45-jährige Brite auch dank seiner schauspielerischen Wandlungsfähigkeit erobert, die er aktuell im viel gepriesenen Westerndrama „Power of the Dog“ (derzeit im Kino, ab 1. Dezember auf Netflix) unter Beweis stellt.

Bei seinen Umgang mit Rollen und dem Leben helfen ihm auch seine buddhistischen Überzeugungen, Meditation und gesunder Schlaf.

Sie spielen in „Power of the Dog” einen Rancher und Cowboy, der sich mit Kühen abkämpft und sich schon mal im Dreck wälzt. Hätten Sie sich nicht einen bequemeren Dreh gewünscht?

Benedict Cumberbatch: Im Gegenteil. Ich will gerade solche Rollen, die mich aus meiner Komfortzone herausholen. Nur mit so harter Arbeit macht mir mein Job Spaß und bleibt abwechslungsreich. Und ich denke auch, dass ich auf diese Weise für das Publikum interessant bleibe.

Können Sie wirklich Kühe zusammentreiben, wenn Sie das müssten?

Ja, ich hatte für den Film sogar eine richtige Ausbildung. Und Sie werden es nicht glauben, ich kann das sogar im realen Leben anwenden. Ich war diesen Sommer mit meiner Familie am Strand unterwegs und da blockierten einige Kühe den Zugangsweg. Einige Leute trauten sich nicht an denen vorbei zugehen, und so habe ich meine Cowboy-Fähigkeiten eingesetzt. Allerdings sehr sanft – ganz anders als die Methoden im Film. Grundsätzlich bin ich der Auffassung, dass man mit Sanftheit und Güte Probleme viel besser lösen kann.

Die rauen Cowboys verkörpern ja ein Bild von Männlichkeit, das heute veraltet wirkt.

Und das ist auch gut so. Wir haben diese harten Gegensätze viel zu lange gehabt. Du willst empathisch sein und auch deine Kinder so aufziehen, damit sie die Perspektive des anderen viel besser verstehen. Jeder soll berücksichtigt werden und wir sollten unsere Unterschiede feiern. Und wenn wir dann Gemeinsamkeiten finden, macht mich das sehr glücklich. Auch interessant:Michael Douglas wird 75 – Männlichkeit als Markenzeichen

Benedict Cumberbatch
Benedict Cumberbatch © Getty Images

Doch volle Gleichberechtigung gibt es ja noch nicht...

In der Tat, das ist ein laufender Prozess. Dessen muss man sich immer bewusst sein. Es gibt immer noch sehr viel toxische Männlichkeit. Aber inzwischen sind die Leute dafür sensibilisiert, und wir haben die Verantwortung darauf hinzuweisen, wenn wir sie erleben. Wir dürfen nie vergessen, wie es früher war und müssen dafür kämpfen, dass sich die Dinge weiter ändern. Dazu gehört es auch, dass wir andere unterstützen, etwa im Rahmen der MeToo-Bewegung, wenn sie ihre Stimme gegen diese Missstände erheben. Diese Menschen haben es nicht immer einfach, denn das Patriarchat leistet noch Widerstand. Und niemand stiftet gerne Unruhe, indem er oder sie die Wahrheit sagt.

Inwieweit können Sie als Filmstar Gleichberechtigung fördern?

Ich habe eine eigene Produktionsfirma, und wir haben es uns auf die Fahnen geschrieben, dass wir gezielt mit Regisseurinnen arbeiten. Ich bin sehr glücklich, dass ich als Produzent Teil dieses Wandels sein kann. Lesen Sie hier:Mordmotiv Frauenhass: Wenn Männlichkeit tödlich ist

Sie sind Buddhist, aber den so genannten „edlen Wahrheiten“ des Buddhismus zufolge ist Leben Leiden. Das heißt, dieser Wandel müsste auch unangenehm sein.

Zunächst muss man verstehen, dass Wandel eine Grundbedingung unseres Lebens ist. Alles ist im Fluss, alles ist vergänglich, und weil wir das Leben durch unsere Sinne erfahren, nehmen wir diese Veränderungen zum Teil als Schmerz wahr. Doch Schmerz heißt nicht, dass wir Gewalt erfahren, zum Beispiel wenn wir uns verletzen. Das kann einfach nur eine Anspannung deines Körpers sein, wenn du irgendeine Veränderung erlebst. Wir können uns von diesen Spannungen befreien, indem wir erkennen, dass uns mehr verbindet als was uns trennt. Das ist nicht einfach, denn wir wachsen mit bestimmten Denkschranken auf. Die Gesellschaft definiert dich zum Beispiel über deine Hautfarbe oder dein Geschlecht. Doch wir begreifen langsam, dass das nur künstliche Grenzen sind.

Benedict Cumberbatch als wenig sympathischer Phil Burbank in „The Power of the Dog
Benedict Cumberbatch als wenig sympathischer Phil Burbank in „The Power of the Dog". © dpa

Das klingt alles recht einfach...

...aber es ist schwer umzusetzen. Sie haben völlig recht. Dessen bin ich mir voll bewusst.

Was hilft Ihnen dabei?

Meditation ist ein wunderbares Instrument, mit dem du innere Ruhe finden kannst. Du gewinnst damit Distanz zu deinen eigenen Gedanken, baust Stress ab und kannst gleichzeitig deinen Körper entspannen. Und du kommst besser mit dem ganzen Chaos und Lärm der Außenwelt klar. Das ist jetzt keine esoterische Sache, die nur cool ist, weil die Beatles sie gemacht haben. Die Wirkung von Meditation ist empirisch bewiesen. Ich mag es auch zu schlafen, aber als Vater von drei kleinen Kindern kriegst du nicht genug davon ab. Promis

Ist das auch der Weg zum Glück?

Ich finde mein Glück, indem ich nicht darüber nachdenke, was mich dahin führt. Ich will nicht danach suchen, sondern einfach jeden beliebigen Moment genießen können. Das ist die tiefgreifendste Glückserfahrung, die ich mir vorstellen kann. Mehr zum Thema:Warum die Finnen die glücklichsten Menschen auf Erden sind