Berlin. Kurz sollen sie sein, die Haare des Soldaten. Doch es gab auch andere Frisur-Zeiten beim Militär: erst Zöpfe, später Mähnen. Für letztere wurde gar ein spezielles Utensil eingeführt.

Der Wehrbeauftragte ist nicht amüsiert. 258 Eingaben zu Haaren und Bärten - nein, dieser Angelegenheit vermöge er nicht mit Humor begegnen, schreibt Fritz-Rudolf Schultz in seinem Bericht für das Jahr 1971.

Dabei hatte ihn kein Geringerer als der damalige Bundesverteidigungsminister Helmut Schmidt dazu aufgefordert. Diesem hatte Schultz auch die haarige Situation zu verdanken.

Der Trend zu "Matten" und Bärten bei Männern hatte vor der Truppe nicht halt gemacht - zum Unmut vieler Kompaniechefs. Als ein Truppendienstgericht urteilte, dass all dies Soldaten in ihrer Funktion nicht grundsätzlich beeinträchtige, sollte ein Erlass des Verteidigungsministeriums einem Kompromiss den Weg ebnen: lange Haare ja, aber um Funktionsfähigkeit und Sicherheit willen gebändigt von einem Netz.

Im 18. Jahrhundert hingegen war man in Preußen beim Militär sogar verpflichtet, Zopf zu tragen. "Die Officiers sollen, wann sie in Diensten sind, die Haare oder Paruquen mit einem Band eingeflochten haben", definierte etwa das preußische Infanterie-Reglement vom 20. Februar 1718. Auch die Soldaten niederer Dienstgrade mussten Zöpfe tragen.

Perücken seien zwar toleriert worden, doch es habe eine Präferenz für das eigene Haar gegeben, erklärt der Rechtshistoriker Sandro Wiggerich. Bei den Offizieren waren Perücken verbreiteter - auch weil die Haare ab einem gewissen Alter bei manchem nur noch spärlich wuchsen.

Woher die Motivation für die militärischen Zopf-Vorschriften kam, sei schwer zu rekonstruieren, sagt Wiggerich. "Ich kann mir nicht vorstellen, dass der König eines Morgens aufwachte und sagte: Von nun an sollen meine Soldaten Zöpfe tragen." Mutmaßlich hatten damalige gesellschaftliche Strömungen Einfluss auf die Entscheidung. Sicher ist: Der König, Friedrich Wilhelm I., legte allgemein großen Wert auf Uniformierung, wozu die einheitliche Haarpracht einen kleinen Teil beitrug.

Knapp 100 Jahre später waren die Soldatenzöpfe passé. General Gerhard von Scharnhorst begann, das preußische Heer Anfang des 19. Jahrhunderts umfassend zu modernisieren. Die abgeschnittenen Zöpfe - nur ein äußerlicher Randaspekt der Reformen - wurden zum geflügelten Wort dafür, veraltete Ideen oder verkrustete Strukturen in Reformprozessen aufzugeben: Die alten Zöpfe müssen ab!

Wäre es 1971 nach dem Wehrbeauftragten gegangen, hätte es die Erlaubnis für langes Haar bei der Truppe wohl kaum gegeben. Zwei Erlasse sollten die Sache eindeutig regeln. Doch: "In Wirklichkeit war die Lage höchst unklar", schrieb Schultz.

Bei der Volksarmee der DDR herrschte in Sachen Haartracht hingegen Klarheit: "Der männliche Armeeangehörige hat einen kurzen Haarschnitt zu tragen (Anhang 10) und zum Dienstantritt rasiert zu sein", so die Verhaltensregel 55 in der Dienstvorschrift DV 010/0/003 für den Innendienst. "Wenn erforderlich" seien neueinberufenen Soldaten die Haare zu schneiden, hieß es etwa in der Fassung von 1981.

Den langhaarigen Soldaten in Westdeutschland war es auch nicht recht zu machen. Sie beschwerten sich darüber, das Haarnetz nun unabhängig von ihrer Tätigkeit während des ganzen Dienstes tragen zu müssen. Dazu kam, dass es einige Monate lang zu wenige Netze gab. Ersatzweise mussten andere Utensilien zur Mähnen-Bändigung dienen. Schultz' schriftlicher Kommentar: "Sporthaube und Mückenschleier führten zu einem Erscheinungsbild, das für Humor und Heiterkeit nur noch wenig Anlaß bot."

Nach gut einem Jahr langer netzgebändigter Haare war wieder Schluss damit. Die wallenden Mähnen nahmen dem Eindruck des Führungspersonals nach überhand, man fürchtete ein Erodieren der Truppendisziplin. Also verordnete das Verteidigungsministerium: nicht über den Kragen, nicht über die Ohren, nicht über die Augen.

So ist es noch immer in der zentralen Dienstvorschrift A-2630/1 ("Haar- und Barterlass") geregelt - für Soldaten. Soldatinnen dürfen Zopf tragen. Gegen diese ungleiche Behandlung klagte ein Soldat, der lange Haare tragen wollte, bis zum Bundesverwaltungsgericht. Er bekam zwar nicht Recht. Doch das Gericht räumte Anfang 2019 ein, dass dem Haar- und Barterlass eine ausreichende rechtliche Grundlage fehle. Diese wurde vor einigen Wochen vom Bundeskabinett auf den Weg gebracht. Haarnetze spielen dabei keine Rolle.

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