Berlin. Am Anfang stand vor 50 Jahren ein Aufstand in New York. Zum Jubiläum haben nun rund eine Million Menschen den Christopher Street Day in Berlin gefeiert - ein Rekord.

Viel Konfetti, viel nackte Haut - und überall Regenbogenfahnen: Der Christopher Street Day (CSD) hat in Berlin nach Veranstalterangaben rund eine Million Feiernde aus aller Welt angelockt - so viele wie nie zuvor.

Am Samstag zog ein riesiger bunter Tross über die Parade-Strecke vom Kurfürstendamm bis zum Brandenburger Tor. Auch abseits der Route waren vielerorts Regenbogenfahnen gehisst.

Schon am Nachmittag zählten die Veranstalter im ersten Drittel der Parade rund 100.000 Teilnehmer - so viele, wie im vergangenen Jahr insgesamt mitgelaufen waren. Zum Vergleich: Beim ersten Berliner CSD im Juni 1979 waren es nur 450.

Riesige farbige Federn, Lack und Leder - manchmal nur knapp den Körper bedeckend -, auffällige Perücken, Federboas, High Heels: Viele Teilnehmer hatten sich besonders herausgeputzt. In den Straßen sah man lila Bärte und bunte Haare. Berlins ehemaliger Regierungschef Klaus Wowereit (SPD) feierte auf einem CSD-Wagen mit - mit schwarzer Sonnenbrille und schlichtem weißen Shirt. Auch die Gesandte der US-Botschaft in Berlin, Robin S. Quinville, zeigte sich auf der bunten Parade.

Mit einer Mikrofonpanne und rund 20 Minuten Verspätung hatte sich der Tross in Bewegung gesetzt. Am Brandenburger Tor begrüßte Berlins Regierender Bürgermeister Michael Müller (SPD) die Besucher zum "besten und größten" Christopher Street Day, den die Hauptstadt je gehabt habe. In mehreren Clubs stiegen CSD-Partys. Auch am späteren Abend sah man vielerorts in Berlin CSD-Feiernde.

Berlins Polizei, die mit 800 Einsatzkräften unterwegs war, zeigte sich zufrieden mit dem Verlauf der Parade. Es habe dort keine außergewöhnlichen Vorfälle gegeben, sagte eine Sprecherin am Sonntag.

Der Christopher Street Day erinnert jedes Jahr an Ereignisse vom 28. Juni 1969: Polizisten stürmten die New Yorker Schwulen- und Lesbenbar "Stonewall Inn" in der Christopher Street und lösten dadurch einen mehrtägigen Aufstand von Schwulen, Lesben und Transsexuellen aus. Das Motto des diesjährigen CSD lautete "Stonewall 50 - Every riot starts with your voice" (deutsch: "Jeder Aufstand beginnt mit deiner Stimme"). Damit sollten insbesondere die frühen Aktivisten der LGBTI-Bewegung gewürdigt werden. LGBTI ist die englische Abkürzung für lesbisch, schwul, bi-, trans- und intersexuell.

Mit Plakaten wie "Kein Sex mit Nazis" und "Zur Hölle mit dem Patriarchat" setzen Teilnehmer Zeichen für Gleichberechtigung und gegen Ausgrenzung. Müller unterstrich die Bedeutung des diesjährigen Mottos: "Jeder von uns kann und jeder von uns muss jeden Tag etwas tun gegen Diskriminierung und gegen Übergriffe." Es sei viel erreicht worden, aber nach wie vor gebe es Diskriminierungen gegenüber LGBTI, auch juristischer Art.

Trotz Erfolgen wie der Abschaffung des "Schwulenparagrafen" 175, der gleichgeschlechtlichen Sex unter Strafe stellte, und der Einführung der Ehe für alle werden Homosexuelle und Transgender noch immer Opfer feindseliger Angriffe. 225 Fälle, die sich auf sexuelle Orientierung bezogen, zählte allein die Berliner Polizei 2018, im Vorjahr waren es 171. Das Beratungsprojekt Maneo registrierte im vergangenen Jahr sogar 382 solcher Fälle, was einem Anstieg um ein Drittel binnen zwei Jahren entspräche, wie es in einer Mitteilung heißt.

Ganz ohne Zwischenfälle dieser Art blieb es auch am Wochenende nicht. In einem U-Bahn-Zug bedrohte und beleidigte ein Betrunkener mehrere Fahrgäste. Der 19-Jährige habe zwei Männer bepöbelt, die T-Shirts mit Regenbogenflaggen getragen hätten, teilte die Polizei unter Berufung auf Zeugenaussagen mit. Auch weitere Fahrgäste seien bedroht und mit zum Teil volksverhetzenden Parolen bepöbelt worden. Der 19-Jährige, der mit seiner ebenfalls betrunkenen Mutter unterwegs gewesen sei, habe unter anderem "Nazi-Power" gerufen.

Am Rathaus von Berlin-Köpenick versuchten außerdem zwei Jugendliche, eine dort gehisste Regenbogenfahne anzuzünden. Es entstand ein kleines Brandloch, anschließend flüchteten die beiden.