Hamburg. Herbert Knaup ist ab Dienstag in der neuen Staffel „Die Kanzlei“ zu sehen. Wir haben mit ihm über die Serie und Krawatten gesprochen.

Sein Vater war Schlosser. Und Jazz-Musiker, nebenberuflich. Also keine große Nummer, was Geld, Macht und Ruhm anbelangt. Und trotzdem: Dem Schauspieler Herbert Knaup fällt als Erstes ein stolzer Satz ein auf die Frage, was er vom Vater gelernt hat: „Du bist ein Knaup! Dir kann gar nichts passieren.“ Das habe der zu ihm gesagt. Gute Mitgift, so ein Selbstbewusstsein, oder? Natürlich. Aber ganz ohne Sensibilitäten und Unsicherheit gehe es trotzdem nicht. Schon gar nicht bei Künstlern.

Knaup sitzt im Konferenzzimmer eines Hotels in Hamburg und erzählt von sich. In diesem Moment jedenfalls ist der Künstler ein gelassener Mann. Bringt den Familienhund mit zum Interview. Seine Frau hat wichtige Sitzungen, sie kann die Jessy heute nicht bei sich haben. Die schwarze Mischlingshündin schnuppert kurz und legt sich neben die Tür, während Knaup redet, fast schon plaudert. Am Ende wird der 62-jährige Schauspieler sich selbst kritisieren für seine Schachtelsätze – aber was machen Schachtelsätze, wenn mit ihnen viel gesagt wird?

Erst spät traf ihn die Erkenntnis, dass das Leben endlich ist

Dass er sich unsterblich fühlte, bis er Mitte 50 war, zum Beispiel. Dass ihm, dem jüngsten von vier Geschwistern aus dem von Bergen eingezäunten Sonthofen im Allgäu, irgendwann doch aufging: Das Leben ist endlich. „Das hat mich schon erschrocken“, sagt er. Und wie schnell die Zeit vergeht, wenn man älter wird! „Wo sind sie eigentlich geblieben, diese 62 Jahre?“, fragt er sich und beschreibt damit ein Gefühl, das Menschen in einem gewissen Alter beschleicht. Dabei ist die Antwort klar: Im Leben sind sie geblieben. In der Liebe und der Arbeit. Bei ihm: Theater ab 1978. Film und Fernsehen ab den 90ern.

Sabine Postel als Isa von Brede und Herbert Knaup als Markus Gellert in „Die Kanzlei“.
Sabine Postel als Isa von Brede und Herbert Knaup als Markus Gellert in „Die Kanzlei“. © dpa | Georg Wendt

1994 bekommt er den bayerischen Filmpreis für seine Rolle in Dominik Grafs „Die Sieger“. 1999 den deutschen Filmpreis für die beste Nebenrolle in „Lola rennt“. Goldene Kamera 2005. Preise zu bekommen, was bedeutet ihm das? „Das freut einen schon, klar“, sagt er, „dass ein Gremium entscheidet: Wow, diese Darstellung war eine tolle Leistung.“ Es schmeichle ihm in seinem künstlerischen Sein. Gleichzeitig sieht er das Zufällige darin: Von drei Nominierten, werde es einer, dabei seien die anderen genauso gut. Zufälle faszinieren ihn. Etwa der, dass er als Kommissar Kluftinger seit 2009 in seinem allgäuischen Heimatdialekt spielt. Als Schauspielschüler hatte er sich den mühsam abtrainiert.

Sohn mit der Fernsehproduzentin Christiane Lehrmann

Am Dienstag startet die neue Staffel „Die Kanzlei“ (ARD, 20.15 Uhr). Auch ein Zufall, aber ein tragischer: Eingesprungen war Knaup vorerst nur vorübergehend für Dieter Pfaff, den „Dicken“, der krebskrank war. Der dann starb. Aus der Vertretung, aus diesem redseligen, über seine Verhältnisse lebenden Anwalt Markus Gellert ist eine feste Rolle geworden. Weil das Publikum ihn mag, weil das Spiel mit Sabine Postel funktioniert. Es gibt eben auch Gründe, warum einem etwas „zufällt“ – davon ist Knaup überzeugt.

Er mag seine Figur, den Anwalt, aber sie ist ihm auch fremd. Privat würde er nie Krawatte tragen. Wie die gebunden werden, das musste er für diese Rolle lernen. Auch im Beziehungsleben sei er anders als der Gellert. „Ich komm eher von der treuen Fraktion“, sagt er.

Als ganz junger Mann war er mit Ellen von Unwerth, Model und später Modefotografin, zusammen. In den 90ern mit Schauspielerin Natalia Wörner. Er hat einen Sohn aus einer früheren Beziehung und einen zweiten mit seiner Frau, der Fernsehproduzentin Christiane Lehrmann. Seit 2006 sind sie verheiratet. Samuel ist zehn. Die Welt mit dessen Augen zu sehen, hilft dem Vater, das Kind in sich nicht zu vergessen. Nicht zu erwachsen zu werden: Das ist ihm wichtig.

Erfahrung auch als Avon-Berater: Damit half er als Kind der Mutter

Von seiner Mutter hat Knaup auch etwas gelernt. Wie man auf Menschen zu- und eingeht, beispielsweise. Zu den Jobs, die sie hatte, gehörte der der Avon-Beraterin. Und der Jüngste, damals fünfte, sechste Klasse, kam mit. „Ich saß neben ihr auf dem Sofa und habe Bestell­zettel ausgefüllt. Meine Mutter hatte nur Volksschule, sie dachte, sie schreibe nicht schnell genug.“ Sie habe immer Schwätzchen auf der Straße gehalten mit Bekannten, aber auch Fremde angesprochen. „Fahren Sie zufällig nach Fischen? Könnten Sie mich mitnehmen?“ Senioren-Trampen. Sie konnte mit den Leuten.

Jessy liegt immer noch geduldig da, als Knaups Agent versucht, hereinzukommen und Bescheid zu geben: Die Zeit ist um. Aber die vornehme Konferenzraumtür lässt sich nur von innen öffnen. Knaup steht kurz auf und meldet nach draußen: Es dauere noch ein paar Minuten. Dann nochmal zwei. Der Mann will in Ruhe zu Ende erzählen. Er testet die Grenzen seines Terminplans aus. Macht ja nichts: Er ist ein Knaup. Ihm kann nichts passieren.

• Dienstag, 6. November, 20.15 Uhr, ARD: „Die Kanzlei“