Berlin. Toni Collette, die im gefeierten „Hereditary“ zu sehen ist, mag keine Gruselfilme. Sier erklärt, warum sie sie trotzdem darin spielt.

Es ist bald 25 Jahre her, dass Toni Collette über Nacht bekannt wurde. Damals spielte die Australierin die Titelrolle im Überraschungserfolg „Muriels Hochzeit“ und verzauberte das Publikum auf der ganzen Welt. Wenig später gelang ihr mit „The Sixth Sense“ der Sprung nach Hollywood. Seither zählt sie zu den wandlungsfä­higsten Darstellerinnen. Aktuell ist sie im Horrorfilm des Jahres „Hereditary“ zu sehen. Und das, obwohl sie den Film erst gar nicht machen wollte. Wir haben die 45-Jährige in London getroffen.

Miss Collette, Sie sagten kürzlich, die Rolle in „Hereditary“ sei die vielleicht anstrengendste Ihres Lebens gewesen. Hatten Sie Ihre Zusage mal bereut?

Toni Collette: Nein. Die Arbeit an diesem Film hat mich wirklich fix und fertig gemacht. Aber diese Herausforderung war auch enorm erfüllend. Auf geradezu perverse Weise befriedigend. Als Schauspieler sucht man ja händeringend nach solch ungewöhnlichen und seltenen Gelegenheiten, an die eigenen Grenzen zu gehen.

Worin lag die Anstrengung denn konkret?

Collette: Ohne zu viel zu verraten: Ich spiele da eine ziemlich traumatisierte Frau, die mit diversen Schicksalsschlägen fertigwerden muss. Und das Problem mit wahrhaftigen Emotionen ist, dass man nicht nur so tun kann, als würde man sie spüren. Man muss schon, so gut es geht, hineingehen in diese Gefühle. Das schlaucht enorm.

Gibt es in solchen Momenten Methoden, mit denen man die eigene Psyche schützt?

Collette: Das muss man von Fall zu Fall sehen. Hier war ich ganz froh, dass meine Familie mich nicht wie sonst zu den Dreharbeiten begleitet hat. In der Einöde von Utah war ich ganz für mich. Aber an den Wochenenden flog ich so oft wie möglich nach Hause, um meine Kinder zu sehen. Diese völlig getrennten Welten, das war ganz wichtig.

Wussten Sie bei „Hereditary“ auf Anhieb, das ist ein Film, den Sie drehen wollen?

Collette: Sagen wir es mal so: Um ein Haar hätte ich das Drehbuch nie gelesen.

Warum das denn? Weil Sie kein Fan von Horrorfilmen sind?

Eine Szene aus „Hereditary“.
Eine Szene aus „Hereditary“. © dpa | -

Collette: Das bin ich tatsächlich nicht. Ich fürchte mich nicht gern. Und Schreckensmomente verfolgen mich viel länger, als mir lieb ist. Aber nein, das war nicht der Grund. Ich hatte meinen Agenten die dezidierte Ansage gemacht, dass ich eine Weile lang nur noch leichte Kost spielen will. Bloß nichts Aufwühlendes, das an die Nieren geht.

Das hat ja gut geklappt.

Collette: Tja, eines Tages bekam ich eine E-Mail: Ich weiß, was du gesagt hast, aber dieses Skript musst du dir angucken. Ich war damals für Dreharbeiten in Paris, konnte trotz Müdigkeit nicht einschlafen, draußen vor dem Fenster war der Verkehr extrem laut. Meine Laune war echt mies. Also sagte ich mir: Was soll’s? Ich lese mal rein. Ein paar Seiten später nahm ich den Lärm kaum noch wahr und war hellwach. Die Geschichte war so originell, dass ich sofort in ihren Bann gezogen wurde. Weil sie viel mehr ist als Horror, ein sehr schmerzhafter und irgendwie auch wunderschöner Blick auf das Thema Trauer.

Haben Sie eigentlich schon einmal eine übersinnliche Erfahrung gemacht?

Collette: Natürlich nicht annähernd so etwas, wie wir in unserem Film zeigen. Aber ich erinnere mich noch an die Dreharbeiten zu „The Sixth Sense“. Da habe ich tatsächlich Seltsames erlebt. Wochenlang bin ich nachts ohne erkennbaren Grund aufgewacht – und es war immer die gleiche Uhrzeit. Jede Nacht! Das hat mich total irritiert. Als sei das eine seltsame Botschaft aus einer anderen Sphäre. Nur dass ich die dummerweise nicht verstanden habe.

Sind Sie nostalgisch, was Ihre älteren Filme angeht?

Collette: Im Allgemeinen halte ich es für gesünder, im Moment zu leben, als zurückzublicken. Aber natürlich bleiben viele Erinnerungen hängen. „Muriels Hochzeit“ oder „Velvet Goldmine“ etwa waren in den ­90ern Filme, die mir unglaubliche Chancen eröffnet haben. Da war es ein Risiko, mich zu besetzen. Ich war weder bekannt noch die naheliegende Wahl. Das hat mir unglaublich viel bedeutet.