Berlin . Rupert Everett ist als Oscar Wilde im Kino zu sehen. Zuvor war es ruhig geworden um den Briten. Gründe dafür er erzählt im Interview.

In den 90ern gehörte Rupert Everett neben Hugh Grant oder Colin Firth zu den großen Stars des britischen Kinos, für seine Rolle in der Julia-Roberts-Komödie „Die Hochzeit meines besten Freundes“ wurde er für den Golden Globe nominiert. Everett spielte in Historienfilmen wie „Shakespeare in Love“ und „Ein perfekter Ehmann“. Dann wurde es ruhiger.

Er schrieb Bücher, drehte TV-Serien – und erfüllte sich seinen Herzenswunsch: Zehn Jahre dauerte es, bis sein Film über den Schriftsteller Oscar Wilde fertig wurde. In „The Happy Prince“ (seit Donnerstag im Kino) führte der 58-Jährige Regie und übernahm die Hauptrolle.

Warum hat es fast zehn Jahre gedauert, bis Sie „The Happy Prince“ endlich ins Kino bringen konnten?

Rupert Everett: Es wurde im Lauf der Zeit zu einer Sache auf Leben und Tod. Ich schickte mein Drehbuch einst voller Zuversicht zu Scott Rudin, einem sehr erfolgreichen US-Produzenten. Schon am nächsten Tag rief er zurück und sagte: „Ich liebe das Script, lass uns den Film machen!“ Das war einer der glücklichsten Tage in meinem Leben. Ich dachte: „So einfach ist das!“

Aber …

Everett: … aber am nächsten Tag rief er mich wieder an und sagte, dass er unbedingt Philip Seymour Hoffman als Oscar Wilde haben wollte. Damit zerplatzte mein Lebenstraum. Denn für mich war es absolut wichtig, Wilde selbst zu spielen. Und zwar nicht so sehr aus Eitelkeit, sondern aus Leidenschaft. Ich habe damals meinen Vater über lange Zeit beim Sterben begleitet und wurde so Zeuge seines allmählichen Verfalls. Das hat mich wahnsinnig bewegt. Wenn das Gehirn langsam abschaltet, dann hat das auch Auswirkungen auf die Wahrnehmungsfähigkeit dieser Person: Sie weiß nicht mehr, was nah und was fern ist. Diesen sehr morbiden Aspekt wollte ich unbedingt in den Szenen um Wildes Gefangenschaft zeigen.

Schließlich kam Hilfe aus Deutschland.

Mit 58 Jahren hat Rupert Everett zum ersten Mal Regie geführt.
Mit 58 Jahren hat Rupert Everett zum ersten Mal Regie geführt. © imago/Independent Photo Agency | imago stock

Everett: Gott sei Dank! Als sich der deutsche Produzent Jörg Schulze für das Projekt starkmachte, kam endlich Bewegung in die Sache.

Wilde wurde am Ende seines Lebens sehr religiös. Er konvertierte zum Katholizismus und hat sich sogar mit Jesus verglichen. Sie wurden auch katholisch erzogen. Wie stehen Sie denn heute zum christlichen Glauben?

Everett: Ich würde mich zwar nie mit Jesus vergleichen, aber ich bin sehr katholisch aufgewachsen. Ich war Ministrant, habe im Kirchenchor gesungen und bin schon vor meiner Erstkommunion regelmäßig zur Beichte gegangen. Allerdings fühlte ich mich immer sehr, sehr sündig.

Sündig? Warum?

Everett: Nun, Sie wissen wahrscheinlich, dass ich schwul bin. Und ich war bezogen auf Sexualität wohl ein Frühentwickler. Also hatte ich schon als Teenager heftige Sex-Affären mit anderen Schuljungen. Und ich wusste sehr wohl, dass das eine Sünde war. Bei der wöchentlichen Beichte musste ich das also dem Priester gestehen. Das traute ich mich nicht wirklich, also sagte ich: „Ich war vulgär.“ Aber um auf Ihre Frage zurückzukommen: Ich bin auch heute noch ein sehr schuldbewusster Katholik.

Hat es Ihrer Karriere eher geschadet oder genützt, als Sie Ihre Homosexualität öffentlich machten?

Everett: Weder, noch, glaube ich. Ich kann darauf nur schwer antworten, weil ich ja nicht wirklich weiß, wie es gewesen wäre, wenn ich meine Veranlagung nicht öffentlich gemacht hätte. Ein russischer Schauspieler jedenfalls sollte sich besser bedeckt halten. Seltsamerweise habe ich das Gefühl, dass es in Deutschland auch nicht so gut ankommt. Fakt ist aber auch, dass sich in Sachen Homosexualität seit Oscar Wildes Zeit sehr viel zum Positiven verändert hat.

Wie stehen Sie generell zu Veränderungen?

Everett: Die Welt dreht sich immer schneller, und ich will nicht den Anschluss verlieren. Mein neues Mantra ist: „Lösche alles aus und beginne jeden Tag, als wäre es dein erster!“