Berlin. Mit seinem Regie-Debüt „Wildes Herz“ setzt „Polizeiruf“-Star Charly Hübner ein Signal gegen rechte Kräfte in Mecklenburg-Vorpommern.

Heimat, lange war das in Deutschland ein nahezu verpöntes Wort für Rückwärtsgewandte, die in folkloristischen Traditionen verharren, mutmaßlich um sich abzuschotten. Inzwischen wird öffentlich viel über den Begriff und seine komplizierte Bedeutung nachgedacht. Zeitgeist-Magazine wie „Neon“ fragen auf ihren Titeln, ob Heimat nun ein Ort ist oder doch eher ein Gefühl.

Wie so viele, die sie verlassen haben, hat auch Schauspieler Charly Hübner (45) ein gespaltenes Verhältnis zur Heimat. Der Wahl-Hamburger, den meisten bekannt als Rostocker „Polizeiruf“-Ermittler Alexander Bukow, wuchs als Gastronomensohn bei Neustrelitz in Mecklenburg-Vorpommern auf. Zur Wende war er 17 Jahre alt, Anfang der 90er verließ er sein Bundesland, auch wegen der rechten Gewalt.

„Wildes Herz“ ist ein Porträt über Jan Gorkow

Er sei auch weggegangen, „weil es mir auf den Sack ging, ständig in Trouble zu geraten“, sagt er unserer Redaktion. „Es gab kein Schulfest, ohne dass wir überfallen worden wären. Manchmal habe ich im Theater geschlafen, weil die mir aufgelauert haben. Ich war so müde von dieser blöden Gewalt.“

Nun, 25 Jahre später, hat er einen Film gedreht über einen, der ge­blieben ist. „Wildes Herz“ (aktuell im Kino) ist Hübners Regie-Langfilmdebüt und ein Porträt über Jan Gorkow (31), genannt Monchi, Sänger der Punkgruppe Feine ­Sahne Fischfilet. Der lehnt sich mit seiner Band lautstark gegen rechts auf und bekämpft alles, was dazu führt, dass das schöne Mecklenburg-Vorpommern manchmal so einen hässlichen Ruf hat. „Genau diese Zerrissenheit, diese paradiesische Landschaft, dieses Rechts-Pro­blem, wollte ich aufzeigen“, erklärt Hübner die Idee zu seinem Film.

Der Film soll Mecklenburg-Vorpommern verteidigen

Hübner traf Monchi bei Dreharbeiten in Rostock und erkannte in ihm direkt jemanden, „dessen Ambivalenz sichtbar ist“. Er bewundere Leute wie ihn, die ihre Heimat nicht aufgeben wollen und verteidigen.

Goldene Kamera 2018: Das sind die Gewinner

Die Goldene Kamera 2018 gehört zu den prestigeträchtigsten Preisverleihungen des Landes. Wir zeigen die Gewinner des Abends: Schauspielerin Christiane Hörbiger wird für ihr Spiel von Jung und Alt geliebt. Bereits zwei Goldene Kameras hat sie bekommen: 1988 für ihre Rollen in „Das andere Leben“ und „Das Erbe der Guldenburgs“ sowie 2001 als „Beste Schauspielerin in einer Serie“. Nun folgt die dritte Ehrung für ihr Lebenswerk.
Die Goldene Kamera 2018 gehört zu den prestigeträchtigsten Preisverleihungen des Landes. Wir zeigen die Gewinner des Abends: Schauspielerin Christiane Hörbiger wird für ihr Spiel von Jung und Alt geliebt. Bereits zwei Goldene Kameras hat sie bekommen: 1988 für ihre Rollen in „Das andere Leben“ und „Das Erbe der Guldenburgs“ sowie 2001 als „Beste Schauspielerin in einer Serie“. Nun folgt die dritte Ehrung für ihr Lebenswerk. © imago/Andre Poling | Andre Poling
Über 70 Filme hat Liam Neeson gedreht – von Steven Spielbergs Holocaust-Drama „Schindlers Liste“ bis zum Action-Reißer „96 Hours“. Die Kino-Ikone wird für diese Leistung für sein „Lebenswerk International“ mit der Goldenen Kamera, die von der Funke Mediengruppe verliehen wird, ausgezeichnet.
Über 70 Filme hat Liam Neeson gedreht – von Steven Spielbergs Holocaust-Drama „Schindlers Liste“ bis zum Action-Reißer „96 Hours“. Die Kino-Ikone wird für diese Leistung für sein „Lebenswerk International“ mit der Goldenen Kamera, die von der Funke Mediengruppe verliehen wird, ausgezeichnet. © Getty Images | Clemens Bilan
Naomi Watts wird mit der Goldenen Kamera als „beste Schauspielerin International“ ausgezeichnet. Im vergangenen Jahr startete Watts mit gleich zwei Rollen im Serienbusiness durch: Sie spielte in der Fortsetzung der TV-Serie „Twin Peaks“ mit und stand für die Netflix-Serie „Gypsy“ vor der Kamera. Auch im Kino konnte man Naomi Watts bewundern. In „Schloss aus Glas“ überzeugte sie ebenso wie in „The Book of Henry“. „Sie ist ganz sicher eine der wandlungsfähigsten Stars in der ersten Riege Hollywoods“, lobt die Redaktion der Goldenen Kamera.
Naomi Watts wird mit der Goldenen Kamera als „beste Schauspielerin International“ ausgezeichnet. Im vergangenen Jahr startete Watts mit gleich zwei Rollen im Serienbusiness durch: Sie spielte in der Fortsetzung der TV-Serie „Twin Peaks“ mit und stand für die Netflix-Serie „Gypsy“ vor der Kamera. Auch im Kino konnte man Naomi Watts bewundern. In „Schloss aus Glas“ überzeugte sie ebenso wie in „The Book of Henry“. „Sie ist ganz sicher eine der wandlungsfähigsten Stars in der ersten Riege Hollywoods“, lobt die Redaktion der Goldenen Kamera. © Getty Images | Noam Galai
In „Sing meinen Song“ lädt ein prominenter Musiker seine Kollegen ein, untereinander ihre Songs zu tauschen. Eine Liebeserklärung an die Musik und ihre Künstler, findet die Jury und zeichnet die Show mit einer Goldenen Kamera aus.
In „Sing meinen Song“ lädt ein prominenter Musiker seine Kollegen ein, untereinander ihre Songs zu tauschen. Eine Liebeserklärung an die Musik und ihre Künstler, findet die Jury und zeichnet die Show mit einer Goldenen Kamera aus. © VOX / Markus Hertrich | VOX / Markus Hertrich
Schauspieler Ewan McGregor bekommt die Goldene Kamera in der Kategorie „Bester Schauspieler International“. „Ewan McGregor beherrscht Mainstream ebenso wie Independent. Gutaussehend, charismatisch, wandlungsfähig – diese Worte fallen immer wieder. Grandios seine Rollenwahl, die ihn nie hat in eine Schublade rutschen lassen“, begründet die Jury ihre Wahl.
Schauspieler Ewan McGregor bekommt die Goldene Kamera in der Kategorie „Bester Schauspieler International“. „Ewan McGregor beherrscht Mainstream ebenso wie Independent. Gutaussehend, charismatisch, wandlungsfähig – diese Worte fallen immer wieder. Grandios seine Rollenwahl, die ihn nie hat in eine Schublade rutschen lassen“, begründet die Jury ihre Wahl. © imago/UPI Photo | JIM RUYMEN
Schauspieler Volker Bruch (als Kommissar Gereon Rath) in einer Szene der Serie „Babylon Berlin“. Er erhält die Goldene Kamera in der Kategorie „Bester deutscher Schauspieler“.
Schauspieler Volker Bruch (als Kommissar Gereon Rath) in einer Szene der Serie „Babylon Berlin“. Er erhält die Goldene Kamera in der Kategorie „Bester deutscher Schauspieler“. © dpa | Frédéric Batier
Schauspieler Louis Hofmann bekam den Nachwuchspreis der Goldenen Kamera verliehen. Der 20-Jährige überzeugte mit seiner Rolle in der ersten deutschen Netflix-Serie „Dark“.
Schauspieler Louis Hofmann bekam den Nachwuchspreis der Goldenen Kamera verliehen. Der 20-Jährige überzeugte mit seiner Rolle in der ersten deutschen Netflix-Serie „Dark“. © dpa | Julia Terjung
Petra Schmidt-Schaller gewann die Auszeichnung als „Beste deutsche Schauspielerin“. Für die 37-Jährige nahm ihr Vater, der Schauspieler Andreas Schmidt-Schaller, die Auszeichnung entgegen.
Petra Schmidt-Schaller gewann die Auszeichnung als „Beste deutsche Schauspielerin“. Für die 37-Jährige nahm ihr Vater, der Schauspieler Andreas Schmidt-Schaller, die Auszeichnung entgegen. © Sat.1/Christiane Pausch | Sat.1/Christiane Pausch
Die Goldene Kamera in der Kategorie „Bester deutscher Film“ erhielt die Komödie „Jürgen – Heute wird gelebt“. Hier im Bild die beiden Schauspieler: Heinz Strunk (hinten) und Charly Hübner.
Die Goldene Kamera in der Kategorie „Bester deutscher Film“ erhielt die Komödie „Jürgen – Heute wird gelebt“. Hier im Bild die beiden Schauspieler: Heinz Strunk (hinten) und Charly Hübner. © WDR/Georges Pauly | WDR/Georges Pauly
Eine Filmszene aus „4 Blocks“: Die Serie bekam die Goldene Kamera als „Bester deutscher Mehrteiler/Miniserie“.  In der Serie hält ein krimineller Araber-Clan Berlin mit Drogengeschäften und Schutzgelderpressung in Schach.
Eine Filmszene aus „4 Blocks“: Die Serie bekam die Goldene Kamera als „Bester deutscher Mehrteiler/Miniserie“. In der Serie hält ein krimineller Araber-Clan Berlin mit Drogengeschäften und Schutzgelderpressung in Schach. © dpa | -
Horst Lichter erhielt die Goldene Kamera in der Kategorie „Publikumswahl: Bestes Dokutainment-Format“ für sich und sein Team der Sendung „Bares für Rares“ (ZDF) .
Horst Lichter erhielt die Goldene Kamera in der Kategorie „Publikumswahl: Bestes Dokutainment-Format“ für sich und sein Team der Sendung „Bares für Rares“ (ZDF) . © dpa | Christian Charisius
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Indirekt mitverantwortlich für seinen Film sei auch die Bochumer Familie seiner Frau gewesen, der Schauspielerin Lina Beckmann. Dort habe man ihm einmal gesagt, man würde niemals nach Mecklenburg-Vorpommern fahren, „wegen der Nazis“. Das habe ihn „total getroffen“. Seine Dokumentation sei nun seine Art, für die Region einzustehen.

Tagebuchschreiben half Hübner aus einem Loch

Eine Region, die Hübner einst für das nahe und doch ferne Berlin eintauschte. „Im Nachhinein das Beste, was einem jungen Menschen passieren konnte in den 90er-Jahren“, sagt er.

Er studierte Schauspiel, wurde Theater-Star, hatte rund 35 große Rollen. Mit 30 Jahren kamen dann Sinnkrise, Erschöpfung, Krankheit. Die Ärzte verschrieben ihm Kortison gegen Hautausschläge. Was ihm aber half, war das Tagebuchschreiben. Auf diese Weise sortierte Hübner sich neu. Er bewarb sich mit einem selbst gedrehten Mini-„Tatort“ bei Agenturen – und schaffte eine zweite Karriere als Fernseh- und Kinoschauspieler, etwa als Stasi-Offizier im Oscar-prämierten Film „Das Leben der Anderen“ (2006) von Florian Henckel von Donnersmarck.

Für die Rolle eines Psychopathen bekam er die Goldene Kamera

Das Filmstar-Aussehen eines Til Schweiger oder Moritz Bleibtreu besaß er nie, dafür bescheinigte ihm jetzt das ARD-Kulturmagazin den „Sex-Appeal, den Mick Jagger vor 40 Jahren hatte“. Besser noch: Der Zuschauer vergisst den Schauspieler hinter der Figur, wenn Hübner spielt. Sein Aussehen hilft dabei, in Rollen scheinbar ganz normaler Menschen zu schlüpfen – wie in die eines hilfsbereiten Mieters, der sich in dem Thriller „Unter Nachbarn“ als Psychopath entpuppt. Dafür bekam er 2013 die Goldene Kamera. Komisches Talent zeigte er beispielsweise als Sketch-Partner von Anke Engelke in der Reihe „Ladykracher“.

Die Herkunft holte ihn dann wieder mit seiner bisher berühmtesten Rolle ein: Seit 2010 sorgt Hübner als eigenwilliger Rostocker Kommissar Alexander Bukow im ARD-„Polizeiruf 110“ gemeinsam mit Anneke Kim Sarnau als Kommissarin Katrin König für Lokalkolorit.

Mit Heimatgefühl verbindet er nur seine Familie

Was aber ist nun Heimat für Hübner? Mecklenburg-Vorpommern, sagt er. Auch wenn er dort nach wie vor angefeindet wird. So habe der Landesverband der AfD versucht, Fördergelder zurückzufordern, die er von der Filmkommission für „Wildes Herz“ erhalten hat.

Doch für ihn stehe sein Bundesland eben auch für „seine Landschaft, seine bodenständigen Menschen“. Mit dem Begriff „Heimatgefühl“ allerdings verbinde der Vater einer Tochter eher seine Familie, das Nest also, „wo das unruhige Wesen in mir zur Ruhe kommt“. Auch wenn er dabei gern laut Musik hört.