Hamburg . Hardy Krüger entkam mehr als einmal dem Tod und kämpft noch immer gegen den Hass. Am Donnerstag wird der Schauspieler 90 Jahre alt.

Im Frühjahr 1945 liegt ein junger Mann im Unterholz. Er weiß nicht viel vom Leben, aber viel vom Töten. Doch als die Gesichter der amerikanischen Soldaten im Fadenkreuz seiner Waffe erscheinen, zögert der 16-Jährige. Ein Soldat nach dem anderen zieht vorbei, nichts ahnend.

Was für die GIs das Leben bedeutet, bedeutet für den jungen SS-Soldaten den Tod. Nach nur 40 Minuten Prozess fällt das SS-Standgericht sein Urteil: Eberhard August Franz Ewald Krüger wird mit dem Tode durch Erschießen bestraft.

73 Jahre später sitzt dieser Eberhard Krüger in einer Villa an der Hamburger Alster und spricht über sein Leben, sein Überleben. Alle Welt kennt ihn als Hardy Krüger. Am Donnerstag wird er 90 Jahre alt. Nicht viele schaffen das – und bei Hardy Krüger grenzt es an ein Wunder. „Ich muss dem Schicksal dankbar sein“, sagt er im Gespräch mit dieser Redaktion.

Krüger wird Schüler auf der NS-Ordensburg Sonthofen

1928 in Berlin geboren, wird Hardy Krüger als Kind zum Nazi. Hitler steht zu Hause in Bronze auf dem Klavier, die Eltern sind Mitglieder der Partei. 1941 dann der Ritterschlag: Krüger wird Schüler auf der Ordensburg Sonthofen, einer nationalsozialistischen Kaderschmiede. „Hitlers Söhne“ werden die Jungs genannt. Doch der Drill, der Gehorsam und das Männerbündische sind nichts für den sensiblen und schmächtigen Jungen.

Das ist Weltstar Hardy Krüger

Mit Filmen wie „Einer kam durch“ war Hardy Krüger nach dem Krieg einer der wenigen deutschen Weltstars. Wir zeigen Bilder aus seinem Leben.
Mit Filmen wie „Einer kam durch“ war Hardy Krüger nach dem Krieg einer der wenigen deutschen Weltstars. Wir zeigen Bilder aus seinem Leben. © imago/United Archives | imago stock&people
Heute feiert Krüger auch als Buchautor Erfolge.
Heute feiert Krüger auch als Buchautor Erfolge. © A.Laible | Andreas Laible
Am 12. April 1928 wurde der Schauspieler und Schriftsteller als Eberhard August Franz Ewald Krüger im Berliner Stadtteil Wedding geboren. Diese Aufnahme zeigt ihn mit seiner Mutter Auguste.
Am 12. April 1928 wurde der Schauspieler und Schriftsteller als Eberhard August Franz Ewald Krüger im Berliner Stadtteil Wedding geboren. Diese Aufnahme zeigt ihn mit seiner Mutter Auguste. © PRIVAT | PRIVAT
Sein Vater Max war ein Hitler-gläubiger Ingenieur.
Sein Vater Max war ein Hitler-gläubiger Ingenieur. © PRIVAT | PRIVAT
Hardy mit seiner Schwester Ilse und dem Vater.
Hardy mit seiner Schwester Ilse und dem Vater. © PRIVAT | PRIVAT
Von seinen Eltern „zum Nazi erzogen
Von seinen Eltern „zum Nazi erzogen", wie er selbst sagte, kam er 1941 auf die Adolf-Hitler-Schule der „Ordensburg Sonthofen". © PRIVAT | PRIVAT
Hardy Krüger (vorne M.) bei seinem ersten Filmauftritt 1943 im Alter von 15 Jahren im NS-Propagandafilm „Junge Adler
Hardy Krüger (vorne M.) bei seinem ersten Filmauftritt 1943 im Alter von 15 Jahren im NS-Propagandafilm „Junge Adler". Durch Ufa-Star Hans Söhnker („Große Freiheit Nr. 7“) bekam er die Augen für das Regime geöffnet. Im März 1945 wurde er als 16-Jähriger in die SS-Panzerdivision „Nibelungen“ eingezogen. Und zum Tode verurteilt, weil er sich geweigert hatte, auf Amerikaner zu schießen. Nur dank eines gnädigen Offiziers entkam der Teenager der Vollstreckung. © © epd-bild / akg-images | akg-images GmbH
Nach dem Krieg begann Krügers schauspielerische Laufbahn. Weil ihm deutsche Filme damals oft zu seicht erschienen, ging er nach Paris, London und Hollywood.
Nach dem Krieg begann Krügers schauspielerische Laufbahn. Weil ihm deutsche Filme damals oft zu seicht erschienen, ging er nach Paris, London und Hollywood. © imago/United Archives | imago stock&people
„Einer kam durch“ („The One That Got Away“), hieß der englische Kriegsfilm, mit dem Krüger 1957 als deutscher Fliegeroffizier und Kriegsgefangener Franz von Werra der internationale Durchbruch gelang und dessen Titel beispielhaft für seine Karriere stehen kann.
„Einer kam durch“ („The One That Got Away“), hieß der englische Kriegsfilm, mit dem Krüger 1957 als deutscher Fliegeroffizier und Kriegsgefangener Franz von Werra der internationale Durchbruch gelang und dessen Titel beispielhaft für seine Karriere stehen kann. © imago stock&people | imago stock&people
Romy Schneider und Hardy Krüger beim Tanzen auf dem Filmball im Berliner Hilton-Hotel im Februar 1959.
Romy Schneider und Hardy Krüger beim Tanzen auf dem Filmball im Berliner Hilton-Hotel im Februar 1959. © dpa | Günter Bratke
Krüger als Hörspielsprecher an einem Mikrofon in Hamburg in den 1950er-Jahren.
Krüger als Hörspielsprecher an einem Mikrofon in Hamburg in den 1950er-Jahren. © imago/United Archives | imago stock&people
Seine Rollen habe er immer sehr sorgfältig ausgewählt, um dem Ausland in guten Filmen das Bild von „guten Deutschen“ zu zeigen. Wie etwa in der französischen Produktion „Taxi nach Tobruk“ (1960) neben Lino Ventura und Charles Aznavour.
Seine Rollen habe er immer sehr sorgfältig ausgewählt, um dem Ausland in guten Filmen das Bild von „guten Deutschen“ zu zeigen. Wie etwa in der französischen Produktion „Taxi nach Tobruk“ (1960) neben Lino Ventura und Charles Aznavour. © © epd-bild / akg-images | akg-images GmbH
In etwa 75 Filmen spielte er die Hauptrolle, darunter in „Alibi“ (1955), „Liane – Das Mädchen aus dem Urwald“ (1956) mit Marion Michael, „Der Fuchs von Paris“ (1957), „Banktresor 713“ (1957), „Der Rest ist Schweigen“ (1959), „Die Wildgänse kommen“ (1978) oder „Hatari“ (1960) mit John Wayne (r.).
In etwa 75 Filmen spielte er die Hauptrolle, darunter in „Alibi“ (1955), „Liane – Das Mädchen aus dem Urwald“ (1956) mit Marion Michael, „Der Fuchs von Paris“ (1957), „Banktresor 713“ (1957), „Der Rest ist Schweigen“ (1959), „Die Wildgänse kommen“ (1978) oder „Hatari“ (1960) mit John Wayne (r.). © imago/United Archives | imago stock&people
Krüger drehte zudem mit Schauspielgrößen wie James Stewart (M.) in „Der Flug des Phoenix“ (1965).
Krüger drehte zudem mit Schauspielgrößen wie James Stewart (M.) in „Der Flug des Phoenix“ (1965). © picture alliance / Keystone | dpa Picture-Alliance / Keystone
Krüger als General Ludwig in einer Filmszene aus dem Streifen „Die Brücke von Arnheim“.
Krüger als General Ludwig in einer Filmszene aus dem Streifen „Die Brücke von Arnheim“. © dpa | dpa-Film
Hardy Krüger mit seiner ersten Frau Renate Densow und ihrer gemeinsamen Tochter Christiane im Oktober 1957 in London.
Hardy Krüger mit seiner ersten Frau Renate Densow und ihrer gemeinsamen Tochter Christiane im Oktober 1957 in London. © dpa | UPI
Der „blonde Hardy“ mit seiner zweiten Ehefrau Francesca Marazzi und den gemeinsamen Kindern Hardy Krüger junior (l., *1968) und Malaika (*1967). Das Foto entstand 1970 auf dem Gelände von Krügers Farm Momella-Game-Lodge in Tansania am Fuße des Kilimandscharo.
Der „blonde Hardy“ mit seiner zweiten Ehefrau Francesca Marazzi und den gemeinsamen Kindern Hardy Krüger junior (l., *1968) und Malaika (*1967). Das Foto entstand 1970 auf dem Gelände von Krügers Farm Momella-Game-Lodge in Tansania am Fuße des Kilimandscharo. © dpa | Horst Ossinger
Vater und Sohn.
Vater und Sohn. © dpa | Jens Kalaene
1978 heiratet er in seine dritte Ehefrau, die US-Amerikanerin Anita Park.
1978 heiratet er in seine dritte Ehefrau, die US-Amerikanerin Anita Park. © PRIVAT | PRIVAT
Das Paar lebt in Kalifornien und in Hamburg.
Das Paar lebt in Kalifornien und in Hamburg. © imago stock&people | imago stock&people
„Seitdem die ersten Hakenkreuze an der Kölner Synagoge am Heiligabend 1959 aufgetaucht sind, habe ich mich gegen Neonazis engagiert“. 2009 bekommt Krüger das Große Verdienstkreuz der Bundesrepublik Deutschland vom damaligen Berliner Bürgermeister Klaus Wowereit verliehen.
„Seitdem die ersten Hakenkreuze an der Kölner Synagoge am Heiligabend 1959 aufgetaucht sind, habe ich mich gegen Neonazis engagiert“. 2009 bekommt Krüger das Große Verdienstkreuz der Bundesrepublik Deutschland vom damaligen Berliner Bürgermeister Klaus Wowereit verliehen. © imago stock&people | imago stock&people
Krüger hat mehrere Bücher geschrieben. In seinem neuen literarischen Werk „Ein Buch von Tod und Liebe“ geht es um den Zweiten Weltkrieg sowie seine wohl daraus resultierende Sehnsucht nach Freiheit und Freundschaft, Abenteuer und Liebe.
Krüger hat mehrere Bücher geschrieben. In seinem neuen literarischen Werk „Ein Buch von Tod und Liebe“ geht es um den Zweiten Weltkrieg sowie seine wohl daraus resultierende Sehnsucht nach Freiheit und Freundschaft, Abenteuer und Liebe. © PR | PR
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Da kommt das Angebot: Die Ufa dreht einen Propagandafilm mit Nachwuchsdarstellern – „Junge Adler“. Krüger nimmt an. Und während er vor der Kamera den treuen Nazi gibt, bricht hinter der Kamera seine Welt zusammen. Der Schauspieler Hans Söhnker, der selbst Juden zur Flucht verhilft, nimmt sich Krüger an, berichtet von den Lagern und den Verbrechen. Krüger glaubt ihm – vor dem Krieg rettet ihn das aber natürlich nicht.

Das Todesurteil gegen den 16-Jährigen wird nicht vollstreckt

Im März 45 ist jener Krieg zwar verloren, das Sterben aber noch nicht beendet. Aus 16-Jährigen wird die Waffen-SS-Division „Nibelungen“ aufgebaut. Von 120 fallen im ersten Gefecht 82. Krüger überlebt. Schließlich jener Einsatz als Spähtrupp im Unterholz mit anschließendem Todesurteil.

Doch statt ihn zu erschießen, setzt ein SS-Offizier den aufmüpfigen Krüger als Meldegänger zwischen den Fronten ein. „Er wollte es dem lieben Gott überlassen, ob ich überlebe“, erzählt Krüger. Er überlebt – und desertiert. Tagelang schleicht er durch die bayerischen Wälder, bis ein US-Soldat mit gezogener Waffe vor ihm steht. Der schießt nicht, und Krüger ergibt sich.

Aus der anschließenden Haft flieht Krüger und läuft nach Hause. Dort angekommen, muss er sich ein neues Leben aufbauen. „Durch die Schicksalsschläge habe ich eine unglaubliche Lust am Leben bekommen“, erklärt er. Dank alter Ufa-Kontakte spielt er kleine Rollen in Fernsehproduktionen. Doch die heile Filmwelt der frühen Bundesrepublik erträgt er nicht.

Den jungen Schauspieler zieht es ins Ausland

Hardy Krüger als Kameramann Thoren in „Liane aus dem Urwald“ (1956).
Hardy Krüger als Kameramann Thoren in „Liane aus dem Urwald“ (1956). © imago/United Archives | imago stock&people

Krüger geht nach Paris, später nach London. Der britische Überraschungserfolg „Einer kam durch“ macht ihn 1957 zum Star. Er dreht mit John Wayne („Hatari“, 1962), James Stewart („Der Flug des Phönix“,1965) und Sean Connery („Die Brücke von Arnheim“, 1977).

Krüger heiratet dreimal, wird Vater dreier Kinder, lebt in Afrika, Kalifornien und Hamburg, fliegt im eigenen Flugzeug um die Welt und schreibt Bestseller wie „Eine Farm in Afrika“. Ein Hunger aufs Leben durch die Jugend mit dem Tod.

Erst in den 80er-Jahren wird es ruhiger um ihn. Für den NDR dreht er die erfolgreiche Reihe „Weltenbummler“ und konzentriert sich aufs Schreiben. „Geschichtenerzähler“ nennt er sich selbst.

In Schulen erzählt Krüger heute von Hitler, den Nazis und dem Tod

Und er erzählt vor allem von früher. Aber nicht aus Eitelkeit, sondern aus Sorge. Aus Sorge um sein Land, sagt Krüger. Hass, Fremdenfeindlichkeit und Politikverdrossenheit – das will er nicht hinnehmen. So geht er auch im hohen Alter noch in Schulen und erzählt, wie das war mit Hitler, den Nazis und dem Tod.

Gerade hat er wieder ein Buch geschrieben: „Ein Buch von Tod und Liebe“ (Hoffmann & Campe). Er will aufklären, aufrütteln, aufregen. Manch anderer hätte sich vielleicht längst zurückgezogen. Er könnte ebenso gut das Leben mit seiner Frau Anita, mit der er seit 40 Jahren verheiratet ist, genießen – im Winter in Kalifornien, im Sommer in Hamburg.

Und er könnte sich freuen, bis hierhin gekommen zu sein. Der kleine Eberhard, der in den Krieg geschickt wurde, um zu töten – oder getötet zu werden.

Wie viele Leben hat Hardy Krüger? Er wagt es nicht, nicht zählen

Wenn man sagt, eine Katze habe sieben Leben. Wie viele Leben hat Hardy Krüger? „Ich habe nicht den Mut zu zählen“, antwortet er und lacht mit seinen noch immer funkelnden blauen Augen. Er hat allen Grund dazu, denn es ist ja noch nicht vorbei. Noch mal vor die Kamera? Noch mal einen Film drehen? „Wenn das richtige Angebot kommt, bin ich sofort da.“