Essen. Die prollige Chantal in „Fack ju Göhte“ war Jella Haases Paraderolle. Aber sie kann auch anders. Das zeigt sie nun in neuen Rollen.

Eine neue Frisur steht im Leben einer Frau für einen neuen Lebensabschnitt, so weit das Klischee. Jella Haase (25) hat sich von ihren langen Haaren getrennt – nur kurze Zeit, nachdem sie im Kino zum letzten Mal als prollige Chantal in „Fack ju Göhte“ zu sehen war. Ihr erster Film nach Chantal ist die Tragikomödie „Vielmachglas“ (aktuell im Kino). Darin spielt die Berlinerin die zaghafte Marleen, die sich bei den Eltern lieber in ihren Büchern verkriecht, statt die Welt zu entdecken. Wir trafen die 25-Jährige zum Gespräch.

Sie haben sich gerade die Haare abgeschnitten. Wie viel Wagemut mussten Sie dafür aufbringen?

Jella Haase: Viel! Ich habe ein Lebensmotto: Ich glaube an das Glück der Mutigen. Das habe ich mal in einer Zeitschrift im Urlaub in Portugal gelesen. Ich finde, da ist etwas dran: Um glücklich zu sein, bedarf es einer Portion Mut. Das hört sich so kalenderspruchmäßig an, aber genau so ist es. Ich habe mir schon ganz lange kurze Haare gewünscht und jetzt habe ich mich getraut.

Mit Matthias Schweighöfer spielen Sie in „Vielmachglas“ ein ungleiches Geschwisterpaar – der Abenteurer und der Bücherwurm. Mit wem können Sie sich mehr identifizieren?

Haase: Ich bin eher der große Bruder, der in die Welt rausgeht. Marleen ist aber auch ein Spiegel unserer Gesellschaft. Ich glaube, dass es viele junge Leute gibt, die sich angesichts des Überangebots nicht entscheiden können, was sie mit ihrem Leben machen sollen und dann lieber gar nichts machen. Es gibt ja einen großen Druck, sich verwirklichen zu müssen und möglichst nur ganz tolle Sachen zu machen. Und das muss auch alles ganz schnell gehen, am liebsten in zwölf Jahren Abi, dann direkt studieren, da kommt doch die Möglichkeit sich auszuprobieren total abhanden.

Sie haben sich diese Zeit genommen?

Haase: Bei mir war das ein bisschen anders, weil ich ja sehr früh wusste, was ich machen möchte. Das war auf der einen Seite ein Glück. Auf der anderen Seite hatte ich am Anfang immer Angst, dass ich andere Dinge verpasse, wenn ich drehe. Ich wollte mich nicht 24 Stunden am Tag mit der Schauspielerei beschäftigen. Ich konnte das noch nicht als Privileg fassen. Heute lasse ich mich anders auf den Job ein.

Wann sind Sie von zu Hause ausgezogen?

Haase: Mit 20, glaube ich. Damals war ich sogar aber noch in der Schule. Ich habe ja ein Jahr wiederholt. Ich bin aber sehr häufig bei meinen Eltern, sie wohnen direkt bei mir um die Ecke, und wir sind sehr eng. Wir haben jeden Tag Kontakt. Meine Schwester wohnt noch zu Hause, und ich übernachte häufig dort.

Ihre Schwester ist jünger?

Haase: Ja. Und wir stehen uns sehr nah. Wir sind gute Geschwister. Früher haben wir uns sehr gezofft, heute lerne ich viel von ihr. Sie gibt mir ganz viel. Und wir haben aber den gleichen Humor. Ich glaube, wir sind für andere sehr anstrengend. Wir sind aber auch extrem unterschiedlich. Meine Schwester ist sehr strukturiert, ich bin eher wuselig. Sie macht eine Ausbildung zur Tierarzthelferin. Vielleicht fährt man damit sogar besser. Der Beruf Schauspieler ist ja auch sehr aufreibend. Man schöpft alles aus sich selber und bringt sein Innerstes nach außen. Immer mit seinen Gefühlen zu arbeiten, das ist doch auch eine Art Perversion. Aber vielleicht ist das eben Kunst. Ich frage mich aber auch ganz oft: Was mache ich hier eigentlich?

In welchen Situationen?

Haase: Ich habe gerade einen Film mit Max von der Groeben und Clemens Schick gedreht. Meine Rolle wird entführt. Ich musste mich also jeden Tag mit dem Gefühl der Todesangst auseinandersetzen. Sich da immer wieder reinzubegeben, das hat mich extrem erschöpft.

Viele Künstler sagen aber auch, sie hätten gar keine Wahl, weil es eben Berufung und nicht Beruf ist.

Haase: Das stimmt natürlich. Ich hatte auch schon ganz früh diesen Spieltrieb in mir. Aber es gibt eben auch sehr viele Künstler. Um zu bestehen, muss man sich immer weiterentwickeln – und eben mutig sein.