Washington. Sharon Stone, die ewig verruchte Femme fatale aus „Basic Instict“, wird 60. Dass sie diesen Geburtstag erlebt, ist ein Glücksfall.
In der Selbstanalyse war Sharon Stone anderen schon immer voraus: „Mein Wille ist es, der mich berühmt gemacht hat“, sagte die 1980 in „Stardust Memories“ von Woody Allen entdeckte Schauspielerin einmal über sich, „nicht mein Talent, mein Charme oder mein Aussehen.“ Dieser Willenskraft verdankt sich, dass die aus einem Fabrikarbeiterhaushalt in Pennsylvania stammende Stone am morgigen Samstag bei bester innerer und äußerer Verfassung ihren 60. Geburtstag feiern kann.
Daran war vor nicht allzu langer Zeit kaum zu denken. Kurz nach Amerikas Terror-Nationaltragödie am 11. September 2001 durchlebte Stone ihren eigenen Mega-Albtraum. Schlaganfall. Aneurysma im Gehirn. Zehn Tage Intensivstation. Ein Leben, das am seidenen Faden hing. Stone hatte Glück und gute Ärzte. Und – abermals – Willenskraft.
Stone musste Sprechen und Lesen neu lernen
Denn nun wartete das eigentliche Martyrium. Kurzzeit- wie Langzeitgedächtnis waren ausradiert. Sprechen, lesen, einen Fuß vor den anderen setzen – alles musste die seit Langem alleinerziehende Mutter von drei Adoptivsöhnen (Roan (17), Laird (12), Quinn (11)) von null auf neu lernen. Ein Stahlbad, das zwangsläufig zu einigen Neubewertungen führt über das, was Schein ist im Leben und was nicht.
Sharon Stone und ihre besten Filme
Darum ist die vom Buddhismus inspirierte Weisheit, die Stone in ihrem neuen Film-Projekt „Mosaic“ unter der Regie von Steven Soderbergh mit feiner Zurückhaltung und immer noch strahlend blauen Augen spielt, so sympathisch. In der verschachtelten Krimi-Miniserie gibt sie die Kinderbuchautorin Olivia Lake, die eines Tages in ihrem Schickimicki-Anwesen in den Bergen von Colorado einen mysteriösen Tod durch Männerhand stirbt.
Flüchtiger Blick zwischen schlüpferlose Schenkel
Vor einem Vierteljahrhundert war es umgekehrt. In „Basic Instinct“ wird La Stone in der Rolle der sexbesessenen und Männer meuchelnden Schriftstellerin Catherine Tramell über Nacht zu einer Marke mit globaler Strahlkraft. Dem Streifen, den Paul Verhoeven auch als Verbeugung vor Alfred Hitchcock angelegt hat, verdanken wir den berühmteste Beinüberschlag der Filmgeschichte.
Während eines Verhörs bei der Polizei dürfen Ermittler und Millionen vor den Kinoleinwänden einen flüchtigen Blick zwischen ihre schlüpferlosen Schenkel werfen. Der erste wortlose Vagina-Monolog Hollywoods und die schockgefrorene Erotik, die Sharon Stone hier und bei der entschieden schwächeren Fortsetzung im Jahr 2006 zur Schau stellt, drückt der blitzgescheiten Frau – ihr IQ liegt bei über 150 – den Ruf der Femme fatale auf.
Ihre Filme spielten mehr als eine Milliarde Dollar ein
Kritiker erklären sie zur Wiedergängerin von Marilyn Monroe und Grace Kelly in einer Person. Ein heiß-kaltes Trugbild, das es als Starschnitt sehr bald in Soldatenspinde und Teenager-Zimmer schaffen sollte. Dem schauspielerischen Talent des ehemaligen Mannequins, das 70 Filme gedreht und allein in den USA 1,5 Milliarden Dollar eingespielt hat, wird die Reduzierung nicht gerecht. Vor allem in „Casino“ von Regisseur Martin Scorsese liefert sie Mitte der 1990er-Jahre als Mafioso-Gattin an der Seite von Robert de Niro ein Meisterstück der Coolness ab.
Da ist es kein Wunder, dass die mit unvergänglicher Schönheit (kein Kaffee, kein Essen aus der Dose, kaum Alkohol) gesegnete Sharon Stone gerade jetzt auf dem Siedepunkt der durch den Unhold Harvey Weinstein ausgelösten Frauen-Bewegung eine begehrte Gesprächspartnerin ist. Auch hier entzieht sie sich den herkömmlichen Mustern. Während eine Branchen-Kollegin nach der anderen „#MeToo“-Beichten in den Medien ablegt, wirbt Stone dafür, die Debatte an die Basis zu verlegen.
Stone ist nicht nach Feiern zumute
Dahin, wo Männer und Frauen sozialisiert werden: in die Schulen und Universitäten. Hier und in den Familien müsse vorgelebt werden, „was geht und was nicht“, sagt sie und warnt vor blindem Furor: „Man kann nicht alles über einen Kamm scheren.“ Über ihre eigenen Erfahrungen mit übergriffigen Film-Mächtigen geht sie hinweg. „Ich bin seit 40 Jahren in diesem Geschäft“, beschied sie kürzlich unter Zuhilfenahme eines grandios ansteckenden Lachens einem danach fragenden Reporter, „ich habe alles gesehen.“
Wie feiert so jemand Geburtstag? Bei einer Journalisten-Runde in New York kündigte Sharon Stone an, den Tag mit Nachdenken und Dankbarkeit begehen zu wollen. Und Vorfreude. Am 30. März kommt „All I Wish“ in die US-Kinos. Eine romantische Komödie, in der eine blendend gealterte Mode-Designerin unverhofft die späte Liebe erfährt.