Essen. . Sabine Postel hört nach über 20 Jahren als „Tatort“-Kommissarin auf. Die Entwicklung der ARD-Reihe sieht die Schauspielerin kritisch.

Miesepetrig, dafür aber hartnäckig und mit jeder Menge Lebenserfahrung: Seit mehr als 20 Jahren ist Sabine Postel als „Tatort“-Kommissarin Inga Lürsen in Bremen im Einsatz und zählt damit zu den dienstältesten Kommissaren der ARD-Reihe. Am kommenden Sonntag um 20.15 Uhr löst die 63-Jährige aus dem niedersächsischen Neustadt ihren neuen Fall – gemeinsam mit Kommissar Nils Stedefreund (Oliver Mommsen) muss Lürsen in der Folge „Im toten Winkel“ klären, warum ein Rentner seine demenzkranke Ehefrau getötet hat. Es ist einer der letzten Krimis mit dem beliebten Duo, das 2019 aufhören will.

Neulich haben Sie Ihren Abschied von der Rolle angekündigt. Ist Ihnen die Figur etwa langweilig geworden?

Sabine Postel: Überhaupt nicht. Ich habe nur irgendwann gemerkt: Ich habe überhaupt keine Zeit, andere Angebote anzunehmen, die mich interessieren. Ich drehe für die Serie „Die Kanzlei“ jedes Jahr sechs Monate am Stück, dazu kommen zwei „Tatorte“, das sind auch noch mal drei Monate. Ich weiß, das ist Jammern auf hohem Niveau, aber ich bin fit, ich bin gesund, ich bin regelrecht arbeitswütig – und solange das so ist, möchte ich auch noch andere Rollen spielen.

Dabei ist es doch für Frauen ab einem gewissen Alter gar nicht so leicht, überhaupt noch Rollen zu finden.

Postel: Ab 45, 50 werden die Rollen weniger bei den Frauen, und das finde ich betrüblich. Ich selber befinde mich aber zum Glück in einer privilegierten Ausnahmesituation, und dafür bin ich sehr dankbar.

Tut Ihnen der Abschied vom „Tatort“ nach all den Jahren gar nicht leid?

Postel: Natürlich bin ich ein bisschen traurig, aber die Entscheidung war richtig. Oliver Mommsen wollte ebenfalls aufhören, und das war für uns der Moment zu sagen: Wir gehen, wenn es am schönsten ist.

Inga Lürsen war beim Start eine der ersten Ermittlerinnen in der Geschichte des „Tatorts“. Sind Sie zufrieden damit, wie sich die Figur entwickelt hat?

Postel: Die Figur hat sich gut entwickelt über die Jahre. Inga Lürsen war am Anfang ganz anders. Wenn ich manchmal Wiederholungen früherer Fälle sehe, denke ich: „Du liebe Zeit.“ Sie ist gereift in ihrem Job, natürlich noch einsamer geworden. Man hat ihr zwischendurch ein paar Liebhaber gegeben, die dann aber schnell das Zeitliche gesegnet haben. Ansonsten ist sie ein trauriger Don Quijote, sie glaubt an das Gute im Menschen und kämpft mit ihrer 68er-Vergangenheit für Gerechtigkeit. Das macht sie sehr liebenswert, finde ich, und deshalb ist sie auch so beliebt.

Für den Abschied hat der Sender ein furioses Finale angekündigt. Wird Lürsen sterben?

Postel: Momentan habe ich noch keine Ahnung, wie der letzte Fall aussehen wird, ob Stedefreund und Lürsen beide in die Luft fliegen oder nur einer.

Wie bewerten Sie die generelle Entwicklung der Krimireihe „Tatort“ in den vergangenen Jahren?

Postel: Ich verfolge das intensiv und muss sagen: Manches verändert sich zum Guten, manches zum Schlechten. Ich freue mich, dass die „Tatorte“ immer noch ein hohes Niveau haben, sowohl was die Bücher angeht als auch von der Besetzung. Schlecht finde ich, dass mittlerweile generell zu viele Krimis gezeigt werden und dass das auch inflationär wird. Man blickt ja allmählich nicht mehr durch, und damit meine ich nicht nur den „Tatort“, sondern auch die ganzen Vorabendkrimis und so weiter. Ich merke, dass da bei mir und vielen Leuten, die ich kenne, eine Übersättigung eintritt.

Ist der „Tatort“ heute kein Ritterschlag mehr?

Postel: Von Ritterschlag kann man nicht mehr reden. Das liegt auch daran, dass jede Stadt einen eigenen „Tatort“ haben möchte – dadurch verwässert das. Außerdem wurden zuletzt viele Teams ausgetauscht oder verändert. Die Zuschauer haben deshalb zunehmend Schwierigkeiten, an Ermittlerfiguren anzudocken. Ich glaube, darum bedauern auch so viele, dass wir aufhören. Es ist doch schön, Charaktere zu sehen, mit denen man gealtert ist.