Berlin. Barbara Auer findet die #MeToo-Debatte wichtig. Die Frauen, die im Fall Dieter Wedel an die Öffentlichkeit gingen, nimmt sie in Schutz.

Es ist ihre Natürlichkeit, die sie von vielen Schauspielerinnen abhebt: Barbara Auer (59), die in Filmen von Star-Regisseuren wie Alexander Kluge mitspielte, kann feine Charaktere zeichnen – aber sie kann auch eindrucksvoll bodennah sein.

Ein Beispiel dafür ist ihre Rolle in der Krimi-Reihe „Nachtschicht“. In „Fremder Feind“ (21. Februar, ARD) spielt sie die Mutter eines Jungen, der zur Bundeswehr geht und nach Afghanistan geschickt wird.

Ein schwieriges Thema für Eltern.

Barbara Auer: Ja, ich kann Karen, die Mutter, gut verstehen. Ihre Angst und ihre Wut. Wenn man ein Kind großzieht, vermittelt man ihm natürlich auch die eigenen Werte und den eigenen Blick auf die Welt.

Sie sind auch Mutter von Söhnen. War die Bundeswehr mal Thema bei Ihren Kindern?

Auer: Nein, nie. Der Jüngste geht noch zur Schule. Und der Große ist längst erwachsen, für ihn war Bundeswehr kein Thema, er hat Zivildienst gemacht.

Der Filmsohn wendet sich gegen seine Eltern. Dabei gelten Jugendliche heute ja eher als angepasst.

Auer: Ja, ich habe das Gefühl, dass wir in unserer Jugend mehr rebelliert haben. Das lag aber auch daran, dass es noch Autoritäten gab, die man infrage stellen und gegen die man angehen konnte. Es gab Feindbilder. Sowohl in der Elterngeneration, die wir als spießig empfanden, als auch im gesellschaftlichen System. Heute ist das Eltern-Kind-Verhältnis oft eher freundschaftlich.

Das finden Sie nicht so gut?

Barbara Auer bei den Filmfestspielen in Venedig.
Barbara Auer bei den Filmfestspielen in Venedig. © imago/Manfred Segerer | Manfred Segerer

Auer: Natürlich ist es sehr wichtig, dass Eltern und Kinder einen direkten, liebevollen und offenen Kontakt miteinander haben, aber ich finde es falsch, Freund oder Freundin für die Kinder sein zu wollen. Eltern sind Mutter und Vater. Das ist etwas anderes. Kinder brauchen jemanden, der einerseits manchmal Grenzen setzt und sie andererseits auffängt, wenn sie Mist gebaut haben.

Die Jugend Ihrer Kinder ist also eine ganz andere als ihre?

Auer: Ja, sicher. Aber das können wir den Jugendlichen doch nicht vorwerfen. Wir sind ja auch andere Eltern. Wir versuchen, unseren Kindern alles zu ermöglichen und sie vor allem zu beschützen. Früher waren wir uns als Kinder viel mehr selbst überlassen. Wir mussten häufiger alleine zurechtkommen. Aber ich finde zum Beispiel, dass Jugendliche heute extrem gut informiert sind. Sie wissen viel. Nicht nur durch soziale Netzwerke, sondern auch, weil sie mehr reisen als wir früher. Und sie haben durchaus auch eine eigene Meinung, sind nicht mehr so naiv, wie wir vielleicht damals waren. Gleichzeitig haben sie scheinbar unüberschaubar viele Möglichkeiten.

Sie werden im nächsten Jahr 60 Jahre alt. Ist es richtig, dass Drehbücher für Frauen in Ihrem Alter weniger werden?

Auer: Das stimmt, ja. Ich habe da aber in den letzten Jahren Glück gehabt. Ich bekomme reizvollere Angebote als noch vor zehn Jahren. Die Charaktere sind brüchiger und vielschichtiger.

Merken Sie, wenn Sie arbeiten, dass Sie nicht mehr so vital sind wie etwa mit 40?

Auer: Natürlich, besonders bei Nachtdrehs. Aber dann merke ich auch wieder, dass ich, wie die meisten Schauspieler, doch ganz gut konditioniert bin. Selbst die berüchtigten Nachtdrehs der „Nachtschicht“, die wirklich sehr anstrengend sind, stecke ich noch ganz gut weg.

Es klingt auch nach Disziplin.

Auer: Wir Schauspieler sind diszipliniert und können auch über Grenzen gehen. Man lässt sich nicht so schnell krankschreiben. Wir gehen höchstens zum Arzt und sagen: Geben Sie mir bitte etwas, damit ich arbeiten kann. Wir wissen ja, dass ein Ausfall zulasten der Kollegen geht und was eine ausgefallene Vorstellung oder ein Drehtag kosten. Also reißt man sich zusammen.

Wie anstrengend.

Auer: Ja und nein. Es ist anstrengend, aber es motiviert natürlich auch, alles zu geben. Man bleibt beweglich, körperlich und geistig.

Inwieweit müssen sich Schauspielerinnen einem Schönheitsideal stellen? Über Sie wurde ja immer geschrieben „unverschämt schön“, „hochattraktiv“.

Auer: Ich kann damit ehrlich gesagt nichts anfangen. Ich habe das auch nie so empfunden. Deshalb hab ich mich fast darauf gefreut, älter zu werden, weil dann dieses „Gott, ist die hübsch“ wegfällt. Dass dann Begriffe auftauchen wie „gut gehalten“, geht einem auch auf die Nerven. Aber letztendlich ist es mir egal.

Trauen Sie sich, ungeschminkt zu drehen?

Auer: Ja, sicher. In dem Schweizer Film „Vakuum“ beispielsweise, den wir kürzlich auf dem Ophüls-Festival vorgestellt haben. Natürlich muss man erst mal schlucken, wenn man sich dann groß und ungeschützt auf der Leinwand sieht. Aber dann fand ich das sehr spannend.

Und privat? Schminken Sie sich, wenn Sie rausgehen?

Auer: Nö, nur ein bisschen Mascara; für die Augen.

Sind Sie auch in der #MeToo-Debatte involviert?

Auer: Nicht involviert. Aber ich finde die Debatte wichtig und überfällig. Die Frage ist doch, warum das so lange funktionieren konnte? Wo doch so viele wussten, dass Herr Wedel Frauen schlecht behandelte oder übergriffig wurde. Ich finde es sehr mutig von diesen Frauen, nach so vielen Jahren damit an die Öffentlichkeit zu gehen. Und ich finde es perfide, ihre Glaubwürdigkeit anzuzweifeln, weil sie es erst jetzt, ermutigt durch die #MeToo-Debatte, tun.

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    Hätten diese Frauen eher aussteigen sollen?

    Auer: Wie sollten sie? Da gab es ein ganz klares Abhängigkeitsverhältnis, bei dem der Regisseur am längeren Hebel sitzt. Die Strukturen beim Film und im Theater sind sehr hierarchisch. Außerdem waren die Frauen sehr jung, wie sollten sie sich da erwehren? Und das Schlimmste: Sie waren allein damit, obwohl es offensichtlich doch viele mitbekommen haben.

    Wenn Sie zurückdenken – können Sie jetzt alles viel besser als früher, oder gibt es Situationen, die Ihnen bis heute schwerfallen?

    Auer: Na ja, das, was wir beide jetzt gerade tun. Ein Interview zu führen, konnte ich nie gut und mag es auch nicht besonders. Es kommt mir seltsam vor, über mich selbst zu reden, und ich habe nichts zu sagen, was von anderen nicht auch schon gesagt worden wäre.