Berlin/Perl-Nennig. Christian Bau gilt in der Spitzengastronomie als unangepasst. Jetzt kürte ihn der Restaurantführer Gault-Millau zum Koch des Jahres.

Einmal, vor Jahren, hatte sich jemand einen sehr üblen Scherz mit Christian Bau (46) erlaubt. Ein Herr, der sich als Michelin-Inspektor vorstellte, rief bei dem Dreisternekoch an. Er sagte: „Sie werden Ihren dritten Stern verlieren.“ Christian Bau, der gerade erst sein Restaurantkonzept gelockert hatte, tat das ganze Wochenende kein Auge zu, bis sich der Anruf am Montagmorgen als schlechter Witz entpuppte. Schlaflose Nächte eines Sternekochs, der jetzt vom Restaurantführer Gault&Millau zum Koch des Jahres gekürt wurde. Und somit hat Christian Bau für seine Spitzenküche alle renommierten Preisen der Branche gewonnen.

„Glauben Sie mir, ich habe viele unruhige Stunden“, erzählt er nach der Preisverleihung in München dieser Redaktion. Es ist sein größter Erfolg nach fast 20 Jahren als Küchenchef auf „Schloss Berg“ im saarländischen Perl-Nennig, zwölf Jahre nach dem dritten Michelin-Stern, nach Höchstbewertungen in fast allen Gourmetführern. Er freue sich riesig, sagt er, und spricht, nicht ganz zu Unrecht, von einer „Liebe auf den zweiten Blick“.

Japanische Küche mit französischer Kochkunst verbunden

Denn seine kosmopolitischen Gerichte, seine lockere Art, die Gäste trotz Haute Cuisine auf der Karte auch schon mal in Jeans und Turnschuhen willkommen zu heißen, machten den Küchenmeister aus Offenburg bei Freiburg (Baden- Württemberg) lange zum Exoten. Vor gut zehn Jahren entdeckte er die japanische Küche für sich, die er fortan in seinen Menüs mit der klassischen französischen Kochkunst verband.

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    Bevor er mit 26 Jahren Küchenchef auf „Schloss Berg“ wurde, arbeitete er als Souschef von Spitzenkoch Harald Wohlfahrt. Das „Schloss“ kochte er mit seinem 22-köpfigen Team im Jahr 2005 zum dritten Stern. Doch die klassische Küche, die er gelernt hatte, langweilte ihn bald. „Wir hatten einen Champagner- und einen Käsewagen, Petits Fours als Dessert. Aus den Boxen unseres Restaurants tönte Luciano Pavarotti, unsere Kellner trugen Fliegen und Sakko.“ Doch Bau hatte es satt. Genug davon, in Lackschuhen, weißer Küchenjacke und Bundfaltenhose den „Grüßaugust zu spielen“. Der Küchenchef fühlte sich wie eine „Marionette des Systems“. Eine Veränderung sollte her. Möglichst radikal, trennscharf von der Konkurrenz.

    Tierische Fette wie Butter und Sahne weitestgehend verbannt

    Mit seiner Frau Yildiz Bau (46), der Serviceleiterin seines Restaurants, stellte Christian Bau in wenigen Monaten den kompletten Betrieb um. „Wir waren das erste Haus mit drei Sternen, das die weißen Tischdecken runtergenommen hat. Die Musikauswahl wurde moderner, die Ansprache persönlicher.“ Ein Schritt, der ihm nicht nur Lob, sondern auch heftige Reaktionen von Gästen und Gastronomiekritikern einbrachte. Doch Bau ließ sich nicht beirren. Seine Küche ist bis heute von japanischen Elementen dominiert. Tierische Fette wie Butter und Sahne hat er weitestgehend verbannt, Dashi-Brühen und asiatische Zitrusfrüchte in den Mittelpunkt gestellt. Dazu knüpfte er ein Netz aus hochklassigen Kleinstproduzenten aus aller Welt.

    Die Gault&Millau-Kritiker überzeugte er unter anderem mit Langoustine, gegrillt über Holzkohle von japanischer Steineiche und mit einem Hauch süßer Miso glasiert. Außerdem gab es Reh mit Aubergine, winzigen gerösteten Zwiebeln und Innereienpraline, dazu eine „geradezu kühn erscheinende Sauerbratensauce“, heißt es in der Jurybewertung.

    Für seine Familie kocht er Pilzrahmgulasch mit Spätzle

    Und eine Gänseleberterrine, überzogen mit Gelee von Arabica-Kaffee und obenauf eine vergoldete geröstete Haselnuss, „anbei etwas Sauerkirsche sowie geeiste Perlen aus Gänseleber“. Dafür erhielt das Lokal „Victor’s Fine Dining by Christian Bau“ 19,5 von 20 möglichen Punkten. Ideen für seine Menükreationen hatte sich der Spitzenkoch zuvor auf Asienreisen mit seiner Frau und den beiden gemeinsamen Töchtern geholt. „Wir haben eigentlich keine Hobbys, aber wir reisen sehr viel“, erzählt Bau.

    Die japanische Küche habe ihn in ihrer Stringenz und Schönheit am meisten gefallen. „Wie ich jetzt koche, ist, was ich in Wahrheit liebe.“ Seine Maxime: „Die besten Produkte in meine Küche holen.“ Und wenn der beste Rosmarin in der Provence wachse, komme er eben von dort. Nur zu Hause lässt Christian Bau etwas mehr Lockerheit zu. Was gibt es bei dem Sternekoch sonntags auf Wunsch der Familie? Christian Bau überlegt nur kurz: Pilzrahmgulasch mit selbst gemachten Spätzle. „Das wird dann meistens verlangt.“