Sie war die „Geierwally“, dann Umweltaktivistin und Politikerin: Barbara Rütting feiert ihren 90. Geburtstag – und ist immer noch fit.

In ihrem jüngsten Coup ging es um eine Kuh. Die Kuh namens „Elli“ war von ihrem Bauernhof in Niedersachsen ausgebüxt und hatte in einem Wald Schutz gesucht, um nicht geschlachtet zu werden. Barbara Rütting war in ihrem Element: Gemeinsam mit einer Mitstreiterin hatte sie erst eine Sammelaktion per Facebook gestartet, dann das Tier einfangen und es auf einem Gnadenhof bei Kassel einquartieren lassen.

Ellis Rettung war Gesprächsthema. Und Rütting hatte wieder einmal als Tierschützerin Schlagzeilen gemacht. Dass sie Schauspielerin ist, kommt ihr bei ihren öffentlichwirksamen Auftritten entgegen.

Sie will immer noch die Welt verbessern

Barbara Rütting, die in Filmen wie „Die letzte Brücke“ (1954) oder „Geierwally“ (1956) von den Zuschauern gefeiert wurde, setzt sich seit Jahrzehnten für die Umwelt ein – gegen Atom, für den Frieden und für besseres Klima sowieso.

Wer ihr begegnet, erlebt eine energiegeladene Person, die immer noch die Welt verbessern will: „Ich bin bereit, mein Leben radikal zu verändern. Fährt der Zug in die falsche Richtung, springe ich ab, auch wenn ich mir dabei sämtliche Knochen breche“, so redet eine Frau, die ihren 90. Geburtstag feiert.

Sie war dle Meisterin des sanften Augenaufschlags

Barbara Rütting als „Geierwally“ mit dem Geier Anka bei den Filmaufnahmen im Jahr 1956.
Barbara Rütting als „Geierwally“ mit dem Geier Anka bei den Filmaufnahmen im Jahr 1956. © dpa | Georg Göbel

In den Filmen der 50er Jahre war sie noch die Meisterin des sanften Augenaufschlags. Für ihr reales Leben hat sie sich eine radikale Gangart ausgesucht. Ihre Proteste waren so leidenschaftlich wie effektvoll inszeniert. Immer wieder gern erzählt sie, wie sie sich 1983 in einer Aktion gegen Tierversuche an das Tor des Pharmakonzerns Schering hat ketten lassen.

Kurz darauf beteiligte sie sich an einer „Prominentenblockade“ gegen die Stationierung der amerikanischen Pershing-2-Raketen und rasierte sich dafür sogar ihre Haare ab. Dass sie festgenommen wurde? In ihren Erzählungen klingt das wie der Höhepunkt einer Theateraufführung.

Hauptrolle in 46 Filmen

Über ihre Filmkarriere, die sie 1984 beendete, spricht sie ungern. Der Film habe ihrer Seele geschadet, mehr sagt sie nicht. 1952 war es, als sich Rütting, die gebürtige Berlinerin, im Filmstudio Berlin Tempelhof beworben hatte und prompt für „Postlagernd Turteltaube“ gebucht wurde. In 45 weiteren Filmen spielte sie die Hauptrolle, in „Stadt ohne Mitleid“ (1961) war sie sogar an der Seite von Hollywoodstar Kirk Douglas zu sehen.

Doch Rütting suchte immer die politische Bühne: Als Tierschützerin zog sie noch mit 75 Jahren 2003 für „Bündnis 90/Die Grünen“in den bayerischen Landtag ein. Jetzt ist sie in der „V3“-Partei engagiert, eine bundesweite Kleinpartei. „V3“ steht für Veränderung, Vegetarier und Veganer. In ihrem unterfränkischen Heimatort Michelrieth hat sie nun einen „V3“-Stammtisch gegründet. Die Themen sind klar.

Das „Barbara-Rütting-Brot“ – ein Rezept gegen Rheuma?

Schauspielerin und Autorin Barbara Rütting auf der Buchmesse in Leipzig.
Schauspielerin und Autorin Barbara Rütting auf der Buchmesse in Leipzig. © dpa | Jens Kalaene

Rütting wusste stets, ihren Promi-Bonus zu nutzen. Ob es um den Mut ging, sich die Haare nicht mehr zu färben oder um den Kampf gegen Schnitzel und Currywurst. Sie wetterte nicht nur gegen ungesunde Fette und nicht-artgerechte Tierhaltung, sondern machte auch Geschäfte mit ihrer Vollkorn-Philosophie. Das „Barbara-Rütting-Brot“, mit Fenchel, Kümmel und Koriander und ihrem Konterfei auf der Packung, das wohl in sämtlichen Supermarktregalen landete, bewegte ganze Scharen von Gesundheitsaposteln zum Kauf. Vor allem, als Rütting erklärte, mit ihrer Art zu leben etwas in der Hand zu haben, wovon Ärzte bis heute träumen: ein Patentrezept gegen Rheuma.

Rütting, selbst an Rheuma erkrankt, hält nicht viel von der Schulmedizin. Um Krankenhäuser und Vorsorgeuntersuchungen macht sie einen großen Bogen. „Es wird viel zu schnell mit der chemischen Keule zugeschlagen. Dieser ganzen Apparatemedizin vertraue ich überhaupt nicht.“ Mit solchen Aussagen hat sie in vielen Talkshows Stimmung gemacht.

Manchmal ärgert sie sich – weil sie nicht mehr festgenommen wird

Der einstige Filmstar ist mit seinem Leben zufrieden. Sehr sogar. Doch manchmal ärgert sich Rütting. Als sie mit 87 Jahren wieder mal an einer Blockade der in der Eifel immer noch stationierten amerikanischen Atomraketen teilnahm, wollten Polizisten sie nicht „in Gewahrsam“ nehmen, obwohl sie wie die anderen straffällig geworden war. Sie sei doch so alt, habe ein Polizist gesagt.

Ob sie jetzt auch noch gegen Altersdiskriminierung auf die Barrikaden geht – wer weiß.