Berlin. Dietrich Hollinderbäumer ist durch die „Heute-Show“ einem Millionenpublikum bekannt. Ans Aufhören denkt „Ulrich von Heesen“ nicht.

Die Geschichte mit der Fahne passt zu ihm. Dietrich Hollinderbäumer (75) erzählt von seinem Boot auf dem Berliner Wannsee und dem Freund, mit dem er es sich teilt. Vor einiger Zeit kam es da zu einer kleinen Auseinandersetzung. Darüber, ob man am Heck Flagge zeigen sollte. Der Freund wollte sich weder auf ein deutsches noch auf ein schwedisches Fähnchen einlassen. Man fand dann einen Kompromiss: eine EU-Fahne.

Dietrich Hollinderbäumer, einem Millionenpublikum bekannt aus der ZDF-Satiresendung „Heute-Show“ und als Schauspieler aus zahlreichen Filmen, liebt es, über die schwedische Lebensart zu philosophieren. Man habe dort ein gemütlich-verliebtes Verhältnis zur Fahne, knüpft er an seine Erzählung von eben an. „Wenn ein Schwede 50 wird, bekommt er von seinen Arbeitskollegen einen Fahnenmast für das Wochenendhaus.“ Für manche Deutsche, die trotz Fußballweltmeisterschaft immer noch mit Fahnenstolz hadern, mag das seltsam klingen.

Ausbildung am Königlichen Dramatischen Theater in Stockholm

Hollinderbäumer ist das Kind einer schwedischen Mutter und eines deutschen Vaters. Nach dem Krieg trennten sich die Eltern und die Mutter zog im Jahr 1951 mit dem neunjährigen Dietrich und seinem zwei Jahre älteren Bruder nach Stockholm. Dort erhielt er dann als junger Mann eine hochkarätige Ausbildung am Königlichen Dramatischen Theater in Stockholm unter der Leitung von Stig Torslow und Ingmar Bergman. Nach dem Studium ging er nach Deutschland zurück. In den Achtzigern gehörte er fünf Jahre zum Ensemble des Wiener Burgtheaters.

Empfohlener externer Inhalt
An dieser Stelle befindet sich ein externer Inhalt von Youtube, der von unserer Redaktion empfohlen wird. Er ergänzt den Artikel und kann mit einem Klick angezeigt und wieder ausgeblendet werden.
Externer Inhalt
Ich bin damit einverstanden, dass mir dieser externe Inhalt angezeigt wird. Es können dabei personenbezogene Daten an den Anbieter des Inhalts und Drittdienste übermittelt werden. Mehr dazu in unserer Datenschutzerklärung

Heute gilt Dietrich Hollinderbäumer dank seiner Vielseitigkeit in Branchenkreisen und bei den Zuschauern als Phänomen. Gefühlt ist er mindestens einmal in der Woche im Fernsehen zu sehen. In dem ZDF-Thriller „Angst“ gab er vor Kurzem einen ehemaligen Polizisten, der nicht von seiner Waffe lassen kann. In der Serie „Pastewka“ gibt er dagegen den knorrigen, muffeligen Papa des Komikers Bastian Pastewka. Oder in der Serie „Das Pubertier“ – da darf er sich als Opa Eberhard auch einmal auf eine Affäre mit einer Jüngeren einlassen.

Hollinderbäumer wird auf der Straße mit „Herr von Heesen“ angesprochen

„Berühmt wirst du mit einer Serie“, hat Inge Meysel, die Mutter der Nation, einmal gesagt. „Oder wenn du so eine Figur in der ‚Heute-Show‘ machst“, schiebt Hollinderbäumer hinterher. Vor acht Jahren hat diese ihm zu einem späten Karrieresprung verholfen. Seitdem regnet es Preise: Deutscher Comedypreis, Grimmepreis, Deutscher Fernsehpreis. Für das ganze Ensemble. Aber er ist für manchen Fernsehzuschauer mit der Rolle des Ulrich von Heesen dort derart verwachsen, dass sie ihn auf der Straße mit „Herr von Heesen“ ansprechen. Dabei haben die Kamera und er, der Theaterschauspieler, sich erst sehr spät gegenseitig entdeckt.

Anfang 50 war er da schon mal ab und zu. Mal durfte er den Chefarzt spielen, mal den Verbrecher, auch im „Tatort“. Er ist der Herr der Nebenrollen, will er sich da nicht mal nach vorne schieben, den Hauptpart im Film geben? Er lächelt: „Ich habe nicht mehr den Ehrgeiz, ich habe Freude. Ich denke eher in interessanten Projekten.“ Heute lebt er nach vielen Umzügen als Theaterschauspieler mit seiner Frau und den zwei Kindern in Berlin.

In Skandinavien darf er ab und zu spielen – oft deutsche Offiziere

Beide Zöglinge sind dem Metier des Vaters treu geblieben: der Sohn ist Fernsehproduzent, die Tochter Schauspielerin. Und er selbst – denkt er mit 75 Jahren über das Aufhören nach? In der „Heute-Show“, will er so lange weitermachen, „wie sie mich haben wollen“. Viele junge Comedians drängen mittlerweile in die Satiresendung. Es sei ja auch legitim, neue Leute auszuprobieren, meint er. „Wir sind d’accord, dass ich ein bisschen weniger mache. Ich hab von Anfang an gesagt: ,Leute, wenn ihr das Gefühl habt, der Opa wird langsam gaga, dann trete ich zur Seite.‘“

Wird er aber nicht. Ulrich von Heesen wird noch gebraucht. Und auch er orientiert sich: Seit einigen Jahren hat er nun eine Agentin in Helsinki, die ihm ermöglicht, ab und zu für Filme in Skandinavien vor der Kamera zu stehen. „Aber dann kriege ich so Rollen wie deutsche Offiziere. Leider, denn ich will ja schwedisch sprechen.“ Das Schicksal Hollinderbäumers, eines deutschen Schauspielers, der sein Handwerk einst in Schweden gelernt hat.